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Mini-Rente für Gastarbeiter

Iveta Ondruskova9. September 2014

Harte Arbeit, bescheidenes Leben, Heimweh - das war für die meisten Gastarbeiter Alltag in Deutschland. Viele sind geblieben und inzwischen Rentner. Und nun ist fast jeder zweite von ihnen von Altersarmut bedroht.

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Ein ältere Frau (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Maria K. ist 18, als sie 1961 aus einem kleinen Dorf in Süditalien nach Deutschland kommt. Zuerst arbeitet sie in einer Küche. Dann als Näherin in einer Fabrik. Später findet sie einen Job in einem Hotel in Köln. Jeden Tag muss sie neun Stunden arbeiten, nur am Sonntag hat sie frei. In Köln lernt sie einen anderen jungen Gastarbeiter kennen, der ebenso wie sie aus Italien kommt. Sie verlieben sich und heiraten. Nach der Hochzeit wohnt die junge Familie in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung ohne Bad.

Gekommen aus Italien, um doch zu bleiben

Maria und ihr Mann haben immer wieder eine Rückkehr nach Italien geplant. Zunächst wollten sie zurück in die alte Heimat, sobald ihre vier Kinder aus dem Haus sind, dann wollten sie gehen, wenn sie selbst alt sind. Heute ist Maria 71 - und sie ist nicht in Italien. Sie lebt mit ihrem Mann weiter in Köln. Bescheiden, beide sind Rentner.

Ihre Lebensgeschichte hat die Italienerin dem Wissenschaftler Eric Seils erzählt. Er ist einer der Autoren einer aktuellen Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung über die soziale Lage der ehemaligen Gastarbeiter.

Sechs Senioren unterhalten sich in einem Park (Foto: Imago)
Senioren mit ausländischen Wurzeln: Viele müssen in Deutschland mit einer Mini-Rente auskommenBild: imago/Caro

467 Euro, das ist der Studie zufolge im Durchschnitt die Monatsrente, die heute Frauen bekommen, die einst, wie Maria, aus Italien in die Bundesrepublik gekommen sind. Die männlichen Gastarbeiter aus Italien erhalten im Schnitt etwas mehr als das Doppelte: 963 Euro.

Schlechter dran sind die einstigen Gastarbeiter aus der Türkei: 363 Euro beziehen Türkinnen im Schnitt und 742 Euro die aus der Türkei stammenden Männer. Zum Vergleich: Deutsche Männer kommen durchschnittlich auf eine Rente von 1109 Euro pro Monat, deutsche Rentnerinnen erhalten durchschnittlich 572 Euro.

Gastarbeiter im Ruhestand ärmer als Deutsche

Fast jeder zweite ehemalige Gastarbeiter ist als Rentner von Altersarmut bedroht - so das Ergebnis der Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Damit ist die Altersarmut unter Ausländern drei Mal so hoch wie bei deutschen Rentnern. Denn die meisten Gastarbeiter fanden in den 1960er und 1970er Jahren nur schlecht bezahlte Jobs. Infolgedessen zahlten sie auch nicht viel in die Renten-Kassen ein. Deshalb haben sie nun auch die geringeren Rentenansprüche.

Als arm oder armutsbedroht gilt nach EU-Definition, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat. Bei Alleinstehenden heißt das in Deutschland: Sie müssen mit weniger als 850 Euro im Monat auskommen. Bei Paaren liegt die Schwelle bei rund 1300 Euro. Von den Deutschen, die über 65 sind, fallen nach Angaben der Böckler-Stiftung 12,5 Prozent unter diese Definition. Bei den ehemaligen Gastarbeitern sind es fast 42 Prozent.

Armando Rodrigues, der millionste Gastarbeiter, neben einem Moped, das er bei seiner Ankunft als Geschenk bekam (Foto: dpa)
Gastarbeiter Nummer 1.000.000 in Deutschland: Begrüßung mit Blaskapelle und BlitzlichtgewitterBild: picture-alliance/dpa

Die Gruppe der Betroffenen unter den Einwanderern ist groß. Denn zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1970er Jahre wurden massiv Gastarbeiter angeworben: aus Ländern wie Italien, Griechenland, Spanien, Portugal, der Türkei und Jugoslawien.

Vor genau 50 Jahren, am 10. September 1964, wurde bereits der millionste Gastarbeiter in der Bundesrepublik begrüßt - feierlich mit Blaskapelle und Blitzlichtgewitter. Zehn Jahre später lebten in Westdeutschland bereits knapp vier Millionen Ausländer. Die meisten fanden Arbeit in den untersten Lohngruppen, nahmen Jobs an, die vom Wirtschaftswunder verwöhnte Deutsche nicht mehr machen wollten. Heute sind viele der ehemaligen Gastarbeiter im Ruhestand, müssen jeden Euro umdrehen und gut überlegen, wie sie über die Runden kommen.