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Politik

"Glauwürdigkeit des BAMF steht zur Disposition"

Jefferson Chase smp
22. Mai 2018

Nach dem BAMF-Skandal spricht Innenminister Seehofer erstmals von personellen Folgen. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen fordert im DW-Interview Konsequenzen - personelle Einschnitte seien der falsche Weg.

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Bundesamt für Migration Schild Flüchtlinge
Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Deutsche Welle: Braucht man einen Untersuchungsausschuss für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)?

Luise Amtsberg: Wir sperren uns nicht, aber wir sagen, ein Untersuchungsausschuss hat eine Zeitachse, die sehr lang ist. In zwei Jahren zu einem Ergebnis zu kommen, wäre nicht genug. Deshalb wollen wir schon jetzt parlamentarisch aufklären und alle Mittel nutzen, die wir haben, Innenminister Horst Seehofer dazu zu bewegen, die Karten auf den Tisch zu legen. Wenn Minister Seehofer so sehr mauert, dass wir nicht mehr mit den gängigen Mitteln weiterkommen, dann wäre ein Untersuchungsausschuss die logische Konsequenz. Aber dann hätten wir das Problem, dass eben viele der Defizite nicht angegangen werden. Das können wir nicht zulassen. Letztendlich entscheidet dieses Bundesamt jeden Tag über Asylfälle. Wenn große Defizite herrschen, ist das ein Zustand, der sich weiter fortträgt.

Die Grünen haben Horst Seehofer dazu aufgefordert, Zugang zu internen BAMF-Berichten zu gewähren. Warum zögert er damit?

Das ist eine Frage, die wir ihm mehrfach stellen werden. Wir wissen es nicht. Wenn die Presse schon Teile der Berichte hat, muss er sie uns unaufgefordert zur Verfügung stellen. Ich weiß nicht, warum das nicht passiert. Einer direkten Aufforderung einer Parlamentarierin, in diesem Fall von mir, nicht nachzukommen, ist schon ein starkes Stück. Minister Seehofer hat es selber in der Hand, ob ein Untersuchungsausschuss kommt oder nicht. Wenn wir nichts bekommen und das weiter nicht einschätzen können, müssen wir diesen Weg leider gehen.

Sie haben eine Sondersitzung des Innenausschusses für den 29.5. einberufen. Was werden Ihre Hauptfragen an Horst Seehofer sein?

Es ist bekannt geworden, dass mehrere Außenstellen betroffen sind. Was sind das für Unregelmäßigkeiten im Asylverfahren an den Außenstellen? Nur wenn wir das wissen, können wir ungefähr den Schaden einschätzen. Wenn Rücküberstellungen in andere europäische Länder nicht erfolgt sind, ist der Schaden weniger groß, als wenn man zum Beispiel die Identität der Asylsuchenden nicht ausreichend geprüft hat. Die Qualität dieser Unregelmäßigkeiten, von denen das BAMF spricht, müssen wir herausfinden. Das wird die Hauptfrage sein.

DW Interview -  Luise Amtsberg  (Foto: Stefan Kaminski)
Luise Amtsberg: Für einen Untersuchungsausschuss bleibt keine Zeit Bild: Stefan Kaminski

Dann interessiert uns natürlich die Informationspolitik im Innenministerium und im BAMF. Die Leiterin, Frau Cordt, steht in der Kritik, von den eigenen Abteilungsleitern nicht ordentlich informiert worden zu sein. Das ist ein Thema, mit dem wir uns befassen müssen. Und wir wollen auch natürlich abklopfen, ob der Minister bereit ist, Konsequenzen zu ziehen und das BAMF zu reformieren. Das ist natürlich das Hauptanliegen der Grünen. Da muss etwas passiert, damit es nicht einfach so weiterläuft.

Seehofer schließt personelle Konsequenzen nicht aus. Wie sehen die Grünen das - ist Frau Cordt noch zu halten?

Die Aufklärung der internen Defizite und strukturellen Mängel dieser Behörde kann sie definitiv nicht übernehmen. Die jetzige Leitungsebene ist zu sehr involviert und steht zu sehr in der Kritik. Das andere ist: Wer kann überhaupt aufklären? Welche Behörde oder welche Institution ist eigentlich da die richtige? Wenn Herr Seehofer Frau Cordt aus dem Geschäft zieht, ist es natürlich auch sehr schwierig, politisch Verantwortliche zu finden. Das kann ein taktisches Spielchen sein. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass Frau Cordt uns klare Informationen gibt, was in den letzten Monaten und Jahren passiert ist. Es würde auf keinen Fall ausreichen, wenn Frau Cordt einfach aus dem Geschäft gezogen würde.

Eine Forderung, die die Grünen auch in diesem Zusammenhang erheben, ist, dass zügig eine unabhängige Expertenkommission - bestehend aus Richtern, Anwälten, Verwaltungswissenschaftlern und der humanitären Szene - wie dem UNHCR - eingesetzt wird. Diese sollen die Struktur des BAMF genau angucken, aber auch den Ablauf des Asylverfahrens inspizieren und sagen, wo genau die Probleme liegen.

Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl sagen, der eigentliche Skandal sei die Ablehnungen von Asylanträgen. Sie fordern einen Abschiebestopp. Wie sehen die Grünen das?

Wir haben immer gesagt, negative entschiedene Asylanträge sind uns genauso wichtig, weil sie auch Auskunft über die Defizite im BAMF geben und weil es ein rechtsstaatliches Verfahren ist. Es darf weder zu Unrecht positiv beschieden werden noch zu Unrecht negativ. Fakt ist: Mit diesen ganzen Vorgängen im BAMF steht die Glaubwürdigkeit der Behörde, aber auch des Asylverfahrens insgesamt zur Disposition. Das kann sich ein Rechtsstaat nicht leisten. Es ist bezeichnend, dass der Minister sagt, wir gucken uns die ganzen positiven Fälle an, und Pro Asyl sagt, wir gucken die ganzen negativen Fälle an. Die Grünen sagen: Wir wollen ein rechtsstaatliches Verfahren. Das heißt: Wir müssen alles angucken.

Luise Amtsberg ist flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.

Das Gespräch führte Jefferson Chase.