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Anachronistisches Waffenembargo?

Stephan Bachenheimer3. März 2005

Über dem transatlantischen Verhältnis ziehen wieder Gewitterwolken auf: Die EU will das Waffenembargo gegen China aufheben, die USA sind strikt dagegen. Dabei reden Europäer und Amerikaner aneinander vorbei.

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Es scheint so gut wie sicher, dass auf dem EU-Gipfel Ende März das europäische Waffenembargo gegen China aufgehoben wird. Fast genau 15 Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Protestbewegung auf dem Pekinger Tiananmen Platz. Vor allem Frankreich und Deutschland drängen auf die Aufhebung des Embargos. US-Präsident Bush und Außenministerin Condoleezza Rice haben auf ihrer Europareise vor einem solchen Schritt gewarnt. Und der US-Kongress legt nach: Vertreter beider Kongressparteien drohen, für den Fall der Aufhebung des Embargos den Export von Hochtechnologie nach Europa einzuschränken.

Die gute Nachricht: Europäer und Amerikaner brauchen diesmal nicht an den Informationen der Geheimdienste zu zweifeln: China versucht zweifelsfrei beständig seine Streitkräfte aufzurüsten, seine Waffentechnik und Reichweiten zu verbessern. Die Volksrepublik verfügt über eine boomende Wirtschaft und der Modernisierungsdrang macht auch vor dem Militär nicht halt. Die schlechte Nachricht: Europäer und Amerikaner diskutieren beim Thema Waffenembargo über völlig unterschiedliche Problemstellungen.

USA fürchten chinesische Militärmacht

Aus amerikanischer Sicht ist die regionale Machtbalance das entscheidende Argument für die Aufrechterhaltung des Waffenembargos. Außer dem Pauschalargument der Menschenrechtsverletzungen in China verweisen US-Politiker hauptsächlich auf die militärische Bedrohung, die von China ausgehen könnte - auch für die USA. Waffen aus Europa könnten die Machtbalance in der Straße von Taiwan kippen lassen. Sollte China die Inselrepublik Taiwan angreifen und seinen Wiedervereinigungsanspruch gewaltsam durchsetzen, würden europäische Waffen auch gegen zu Hilfe eilende US-Soldaten gerichtet.

Die Europäer hingegen, militärisch und strategisch in der Region nicht gefordert, reden über die Fortschritte Chinas. Ihr Fazit: Das Embargo ist nicht mehr zeitgemäß. Als am 4. Juni 1989 die wochenlange studentische Protestbewegung vom chinesischen Militär blutig niedergeschlagen wurden, war Chinas Reformkurs an seinem vorläufigen Ende angekommen. Ein erstarrtes stalinistisches System, regiert von Betonköpfen. Die Revolutionen blieben 1989 den Europäern vorbehalten.

Tiefgreifende Veränderungen

Trotzdem hat sich China in den nunmehr 15 Jahren seit der Tiananmen Tragödie eine wirtschaftliche Umwälzung verordnet, die in ihrem Fahrwasser drastische gesellschaftliche Veränderungen und Freiheiten mit sich gebracht hat. Ganz China hielt den Atem an, als ausgerechnet US-Präsident Bill Clinton vor sechs Jahren mit Chinas Staatschef eine Stunde lang auch über Menschenrechte und die Tiananmen Bewegung sprach - live im chinesischen Fernsehen. 1989 hätte Chinas Staatsführung eher die Sendeantenne verbiegen lassen, statt per Staatsfernsehen das Wort Menschenrechte im Land zu verbreiten. Auch die Tatsache, dass China und Deutschland regelmäßig in einem sogenannten "Rechtsstaatsdialog" Menschenrechte und Rechtssprechung thematisieren, wäre Ende der 1980er Jahre undenkbar gewesen.

So scheinen die Gründe für das einst verhängte Waffenembargo nur noch wenig aktuell. Auch das Argument einer Machtbalance in der Straße von Taiwan ist militärisch nur bedingt haltbar - selbst der konservative US-Think Tank "Heritage Foundation" weist daraufhin, dass China bereits schon jetzt Taiwan militärisch überlegen ist.

So reduziert sich die Diskussion um das Waffenembargo möglicherweise auf die Frage, ob Europa und die USA in der Lage sind, eine gemeinsame strategische Perspektive zu entwickeln. Welche militärische und strategische Rolle will der Westen der (vorläufig) bevölkerungsreichsten Nation der Welt im 21. Jahrhundert zugestehen? Mit dem Embargo jedenfalls wurde ein System bestraft, das so nicht mehr existiert.