Angela Merkel verliert an Rückhalt
5. April 2018Ist Angela Merkel die richtige Besetzung für das Kanzleramt? Ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl 2013 hatten drei von vier Deutschen diese Frage bejaht. Ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl 2017 sind es nur noch 57 Prozent. Das geht aus dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend hervor, für den am Dienstag und Mittwoch dieser Woche bundesweit 1003 repräsentativ ausgewählte Wahlberechtigte telefonisch vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap befragt wurden.
Und Merkel muss sich anstrengen, will sie das offensichtlich verlorene Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. Zwei Drittel der Deutschen (64 Prozent) sind unzufrieden mit der bisherigen Arbeit der schwarz-roten Koalition. Allerdings ist die nach der längsten Regierungsfindung in der Geschichte der Bundesrepublik auch erst seit Mitte März im Amt. Interessant ist, dass nicht nur die Anhänger der Oppositionsparteien, sondern auch zwei Drittel der SPD-Wähler unzufrieden sind. Mehrheitlich zufrieden, wenn auch nur knapp (55 Prozent), sind allein die Anhänger von CDU und CSU.
Union und SPD haben nur noch eine knappe Mehrheit
Wäre an diesem Sonntag Bundestagswahl, würden Union und SPD zwar noch die Mehrheit haben, aber nur noch knapp. Nach wie vor können die Sozialdemokraten bei den Wählern nicht punkten, die Partei liegt in der Wählergunst weiterhin abgeschlagen bei 18 Prozent. Auch die von den Sozialdemokraten in die Ministerien abgesandten Politiker kommen bei den Wählern derzeit noch nicht gut an. Ein Schicksal, dass sie mit ihren Kollegen von CDU und CSU allerdings teilen.
Besonders schlecht schneidet der CSU-Politiker und frühere bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ab. Lediglich 39 Prozent halten ihn für eine gute Besetzung als Minister des Inneren, für Bau und Heimat. Eine Mehrheit von 51 Prozent hält ihn ausdrücklich nicht dafür. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erhält ähnlich schlechte Noten. Bei den Ministern Andreas Scheuer (Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur), Jens Spahn (Gesundheit) und Hubertus Heil (Arbeit) ist nur einer von vier Befragten der Meinung, dass sie die richtige Besetzung für ihr Ressort sind.
Die gespaltene Gesellschaft
Mit einer Klausurtagung im brandenburgischen Meseberg will sich die neue Bundesregierung in der kommenden Woche auf die Regierungsarbeit einstimmen. Die Minister sollen sich besser kennen lernen, und das Kabinett will ein Arbeitsprogramm für das erste Regierungsjahr festlegen.
Die Bundeskanzlerin hat in ihrer ersten Regierungserklärung ihr Ziel formuliert, bis zum Ende der Legislaturperiode Spaltungen in der deutschen Gesellschaft zu überwinden. Aus Sicht der Bürger sind Unterschiede zwischen Arm und Reich das größte Problem für das Zusammenleben in Deutschland: Über alle Parteigrenzen hinweg beschreiben rund acht von zehn Befragten dies als sehr großes oder großes Problem (83 Prozent). Fast genauso viele sehen eine geringe Toleranz gegenüber anderen Meinungen als sehr großes beziehungsweise großes Problem (76 Prozent) an.
AfD und FDP stechen heraus
Unterschiede zwischen dem Islam und anderen Religionen sehen zwei Drittel der Befragten als sehr großes beziehungsweise großes Problem (67 Prozent) für das gesellschaftliche Miteinander. Die meisten Sorgen machen sich Anhänger der AfD (87 Prozent), aber auch dreiviertel der Wähler von Union und FDP. Bei den Grünen und der SPD sind es 55 Prozent, bei den Linken 48 Prozent.
Kulturelle Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft betrachten 62 Prozent der Befragten als sehr großes beziehungsweise großes Problem für das Zusammenleben in Deutschland. Dieser Meinung sind bei den Anhängern der AfD 81 Prozent der Befragten, bei den Anhängern der FDP sogar 82 Prozent. Selbst von den Wählern der Grünen, die als sehr tolerant gelten, ist jeder Zweite dieser Meinung.
Deutschland und seine außenpolitischen Partner
Im Deutschlandtrend wird regelmäßig abgefragt, welche Länder Partner für Deutschland sind, denen man vertrauen kann. Während Frankreich nach Meinung der befragten Bürger gut abschneidet, bekommen die USA, Russland und die Türkei keine guten Noten. Im Rückblick der vergangenen zwölf Jahre fällt auf, dass Frankreich von den Deutschen konstant gut beurteilt wird. Die USA sind seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten stark abgefallen. Russland wurde noch nie mehrheitlich als vertrauenswürdig eingestuft. Die Türkei wurde im April 2016 erstmalig von infratest dimap mit einbezogen und schneidet seitdem konstant schlecht ab.
Einen besonderen Fokus legten die Meinungsforscher diesmal auf Russland. Nach einem Giftanschlag in England haben eine Reihe von westlichen Ländern russische Diplomaten ausgewiesen. Russland hat darauf seinerseits mit der Ausweisung von Diplomaten reagiert. "Bereitet Ihnen diese Entwicklung zwischen Russland und dem Westen sehr große, große, wenige oder gar keine Sorgen?", fragte infratest dimap. 61 Prozent der Befragten äußerten sehr große oder große Sorgen. Eine Meinung, die über alle Parteigrenzen hinweg geäußert wird, im Osten Deutschlands aber stärker ausgeprägt ist als im Westen.
Die Bürger fordern im Verhältnis zu Russland von beiden Seiten Dialogbereitschaft. Eine große Mehrheit (86 Prozent) fordert, dass sich der Westen stärker um einen Dialog mit Russland bemühen sollte. Noch mehr sehen aber auch Russland in der Pflicht zum Gespräch (91 Prozent). Auf der einen Seite kann jeder Zweite (48 Prozent) nachvollziehen, dass sich Russland vom Westen bedroht sieht. Auf der anderen Seite glauben fast drei Viertel der Bürger (72 Prozent), dass dem russischen Präsidenten Wladimir Putin jedes Mittel recht ist, um die Interessen seines Landes durchzusetzen.