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Angola: Willkommen im Familienbetrieb

António Cascais7. Juni 2016

Angolas Präsident Dos Santos hat seine Tochter zur neuen Chefin des staatlichen Ölkonzerns ernannt. Auch viele andere Unternehmen sind längst in den Händen des Familienclans. Die Vetternwirtschaft reicht bis Portugal.

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Sitz der Erdölfirma Sonangol in Luanda (Foto: DW/Nelson Sul d'Angola)
Sitz der Erdölfirma Sonangol in LuandaBild: DW/N. Sul d'Angola

Als Kind habe sie Eier auf dem Straßenmarkt von "Congolenses" in Angolas Hauptstadt Luanda verkauft, erzählte Isabel dos Santos einmal einer britischen Zeitung. Bereits damals - mitten im angolanischen Bürgerkrieg - habe sie ihr "Gespür für gute Geschäfte" entdeckt. Heute ist die 43-Jährige die reichste Frau Afrikas. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt das Vermögen der Präsidententochter auf 3,3 Milliarden US-Dollar. Zu den Unternehmen, die sie kontrolliert oder an denen sie beteiligt ist, gehören etwa die angolanische Bank BIC, der Diamantenkonzern Sodiam, verschiedene Baufirmen und das größte Mobilfunkunternehmen des Landes Unitel.

Vergangene Woche hat dos Santos einen weiteren wichtigen Sprung auf der Karriereleiter gemacht: Sie wurde zur Chefin der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol ernannt. Angola ist neben Nigeria der größte Erdölproduzent auf dem afrikanischen Kontinent, fast alle Staatseinnahmen stammen aus dem Rohstoffgeschäft. Der Mann, der ihr den neuen Posten verschafft hat, ist kein geringerer als ihr eigener Vater: José Eduardo dos Santos. Seit 1979 ist er an der Macht und damit nach Teodoro Obiang Nguema aus Äquatorialguinea der am längsten amtierende Staatschef des Kontinents.

Isabel dos Santos (Foto: dpa)
Isabel dos Santos: die reichste Frau AfrikasBild: picture-alliance/dpa

Ein Clan regiert das Land

José Eduardo dos Santos führt das Land wie einen Familienbetrieb. Bereits 2013 hatte er seinem Sohn José Filomeno, genannt "Zenú", die Leitung des angolanischen Staatsfonds FSDEA übertragen. Dieser Fonds verwaltet mehr als fünf Milliarden US-Dollar und soll dafür sorgen, dass die Öleinnahmen des Landes möglichst rentabel und zum Wohle des angolanischen Volkes angelegt werden.

"Angola ist auf dem Weg in eine Art absolutistische Monarchie", sagt der angolanische Menschenrechtsanwalt David Mendes. Nahezu alle Schlüsselpositionen seien bereits in der Vergangenheit mit engen Verwandten des Präsidenten besetzt worden - zum Beispiel beim Zoll, in der Wasser- und Energiewirtschaft. "Die Angolaner merken langsam, dass dos Santos das ganze Land als seinen Privatbesitz betrachtet", so Mendes.

Klage gegen dos Santos?

David Mendes erwägt jetzt, zusammen mit anderen Juristen in Angola, gegen die jüngste Entscheidung des Präsidenten zu klagen. Ein angolanisches Gesetz aus dem Jahr 2010 verbiete ausdrücklich die Vergabe von öffentlichen Ämtern an Personen, die dadurch in Interessenskonflikte geraten könnten. "Die Tochter des Präsidenten hat viele Privatinteressen, die denen des Staatsunternehmens Sonangol entgegen stehen", betont Mendes. Er fürchtet: Isabel dos Santos könne und werde zukünftig über Sonangol noch mehr Geschäfte mit ihren anderen Unternehmen machen.

Präsidentschaftskandidat Jose Eduardo dos Santos Angola (Foto: dpa)
Verteilt die Posten: Staatschef Jose Eduardo dos SantosBild: picture-alliance/dpa

"Wenn ich über die Leitung von Sonangol zu entscheiden hätte, wäre Isabel dos Santos die Letzte, die ich auf den Posten setzen würde", sagt auch der renommierte angolanische Wirtschaftswissenschaftler Carlos Rosado. Gerade jetzt, mitten in der durch den Verfall des Ölpreises verursachten Wirtschaftskrise, brauche Sonangol eine Leitung, die sich voll und ganz auf das Unternehmen konzentriere. Der Ölkonzern habe 2015 Umsatzeinbußen von 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verkraften müssen. Das Unternehmen sei in einer katastrophalen Lage, die Bilanzen zu optimistisch: Sonangol sei um fast 50 Milliarden US-Dollar überbewertet. So stehe es in einem internen Bericht des Unternehmens.

Ratlosigkeit in Portugal

Die Nachricht von der Ernennung von Isabel dos Santos zur Sonangol-Chefin sorgt nicht nur in Angola selbst für Aufregung. Auch in Portugal, wo die Tochter des Präsidenten als Großaktionärin von Privatbanken, Telekommunikations- und Erdölunternehmen agiert, wachsen die Sorgen. Sonangol hält 18 Prozent der Aktien an Portugals größter Privatbank BCP und ist damit größter Einzelaktionär. Isabel dos Santos ist gleichzeitig über andere Unternehmen die zweitgrößte Anteilseignerin der portugiesischen Investmentbank BPI. Diese Interessenskonflikte ließen die Bankenwerte an der Lissaboner Börse in den vergangenen Tagen den Abgrund stürzen.

Die Ernennung von Isabel dos Santos schaffe ein Klima des Misstrauens in den betroffenen Unternehmen, auch und gerade in Portugal, sagt Celso Filipe im Gespräch mit der DW. Er ist Journalist beim portugiesischen Wirtschaftsblatt "Jornal de Negócios" und Autor einer Biographie der mächtigen angolanischen Unternehmenschefin. "Isabel ist nun mal die Präsidententochter und dieser Umstand ist der ideale Brennstoff, der dieses Klima der Intrige so richtig zum Lodern bringt."

Isabel dos Santos (Buchcover) (Foto: DW/J. Carlos)
Über die mächtige Präsidententochter wurden schon einige Bücher geschriebenBild: DW/J. Carlos

Auch der portugiesische Wirtschaftsanwalt Rui Verde sieht großes Potential für Konflikte und Turbulenzen in Portugals Wirtschaft. "Jegliches Geschäft, dass Isabel dos Santos im Namen Sonangols anbahnen würde, und das gleichzeitig die Interessen einer Bank berühren würde, an der sie beteiligt ist, könnte theoretisch vor einem portugiesischen Gericht für Null und Nichtig erklärt werden", erklärt der Jurist.

Nur die Katze noch nicht befördert

Angolas Staatspräsident regiert immer autokratischer - besonders seit seiner Ankündigung, er werde 2018 abtreten. Viele politische Beobachter im Land zweifeln an dieser Absicht. Gerade jetzt, wo die Staatseinnahmen wegen des Ölpreisverfalls sinken, werde dos Santos weiterhin versuchen, seine Machtbasis zu sichern, und sei es dadurch, dass er seine Verwandten auf mächtige Posten setzt.

Der Journalist und Menschenrechtsaktivist Rafael Marques bringt in seinem Blog "Makaangola" die Kritik am Präsidenten auf den Punkt: Dos Santos habe jegliche Schamgrenze überschritten. Das Maß sei schon lange voll. Jetzt fehle nur noch, dass er "seine Katze zur Umweltministerin" ernenne.

Mitarbeit: João Carlos, Guilherme Correia da Silva