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Die Katastrophe nach der Katastrophe

30. April 2015

Nach dem großen Erdbeben mangelt es in Nepal an allem - vor allem aber an sauberem Wasser. Ohne eine Ausweitung der Hilfe sei eine "Katastrophe nach der Katastrophe" zu befürchten, mahnt das Kinderhilfswerk UNICEF.

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Eine junge Frau wird bei der Kremation ihres Vaters von einem Familienmitglied getröstet (Foto: AFP)
Eine junge Frau wird bei der Kremation ihres Vaters von einem Familienmitglied getröstetBild: Getty Images

Wenige Tage nach der Erdbebenkatastrophe in Nepal haben fehlende Hilfsgüter teilweise Feindseligkeiten ausgelöst. Im Streit um das lebensnotwendige Trinkwasser habe es einzelne Auseinandersetzungen zwischen Hilfesuchenden gegeben, berichtete das UN-Büro für Katastrophenhilfe (OCHA). In Kathmandu zwang eine Menschenmenge einen Lastwagen mit Trinkwasser zum Halten und verteilte die Kanister unter sich. Der deutsche Zweig des UN-Kinderhilfswerks UNICEF mahnte, die Hilfe müsse kräftig ausgeweitet werden, sonst sei eine "Katastrophe nach der Katastrophe" zu befürchten.

Nach Einschätzung von UNICEF droht der Bevölkerung ein Trinkwasser-Notstand. In Bhaktapur nahe der Hauptstadt Kathmandu hätten derzeit nur 20 Prozent der Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser, berichtete die Organisation in Köln nach Schilderungen eigener Erkundungsteams aus schwer verwüsteten Orten. Außerdem würden dringend Toiletten benötigt. "Verschmutztes Trinkwasser und die teilweise katastrophalen hygienischen Bedingungen können schnell zur Ausbreitung von Krankheiten führen", betonte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.

Abgelegene Dörfern wie Arupokhari, Distrikt Gorkha, sind zumeist völlig von Hilfe abgeschnitten (Foto: Getty)
Abgelegene Dörfern wie Arupokhari, Distrikt Gorkha, sind zumeist völlig von Hilfe abgeschnittenBild: AFP/Getty Images/S. Hussain

Kommunikationsminister Minendra Rijal gab Schwierigkeiten bei der Koordinierung der Hilfe zu. "Die Katastrophe ist derart groß und beispiellos, dass wir nicht in der Lage waren, den Erwartungen der Menschen zu entsprechen", sagte Rijal dem Sender Kantipur Television. Ministerpräsident Sushil Koirala warb um Verständnis: Die Regierung werde aus ihren Fehlern lernen.

Der einzige internationale Flughafen des Landes in Kathmandu ist für den derzeitigen Andrang nicht ausgelegt. Etliche Hilfsflüge mussten deshalb warten. Zudem saßen viele Helfer in der Hauptstadt fest, weil sie wegen der zerstörten Straßen nicht in die entlegeneren Regionen rund ums Epizentrum gelangen konnten. Nach UN-Angaben vom Mittwoch sind 54 Hilfsteams aus 22 Ländern im Einsatz.

Rettung nach fünf Tagen unter Trümmern

Inmitten von Trümmern und Elend gibt es dennoch immer wieder auch einen Hoffnungsschimmer: In Nepals Hauptstadt Kathmandu bargen Helfer einen 15-jährigen Jungen lebend. Die Bergungskräfte ziehen vor allem Tote aus den Trümmern - allein in Nepal nach jüngsten Angaben etwa 5500. Außerdem seien mindestens 10.000 Menschen verletzt worden, hieß es vom nepalesischen Innenministerium. Hinzu kommen 100 Tote in den Nachbarländern Indien und China. Den Rettern läuft die Zeit davon: Der Monsun erreicht Nepal im Mai, schon jetzt erschweren Regenfälle immer wieder die Arbeiten.

Die Zahl der Deutschen in Nepal, zu denen kein Kontakt bestehe, liege "im hohen zweistelligen Bereich", hieß es vom Auswärtigen Amt. Der Tod eines Deutschen war bereits bestätigt, weitere Opfer seien aber nicht auszuschließen, hieß es. Ein Professor aus Göttingen, der mit einer Studentengruppe im Himalaya auf Exkursion war, kam bei der Katastrophe ums Leben. Das hatten die Universität und seine Familie am Dienstag bestätigt.

Unter den Vermissten sind auch zwei junge Frauen aus Niedersachsen. Zuhause in Lehrte bei Hannover bangen zwei Familien um ihre Töchter, von denen sie seit Tagen aus der Katastrophenregion nichts gehört haben. "Am vergangenen Donnerstag habe ich aus der Hauptstadt Kathmandu die bisher letzte Handy-Nachricht von meiner Tochter und ihrer Freundin empfangen", sagte Anja Elsner der Nachrichtenagentur dpa. Die beiden hätten sich für eine mehrtägige Wandertour abgemeldet.

Helfer berichteten von Ansätzen einer "Zwei-Klassen-Hilfe". "Fakt ist, im Moment werden Touristen bevorzugt behandelt und viele andere fallen hinten runter", sagte Rainer Brockhaus, Präsident des kirchlichen Bündnisses "Entwicklung Hilft". "Die Hubschrauber fliegen dorthin, wo sie Geld bekommen." Ähnlich hatten sich in den vergangenen Tagen die Extrembergsteiger und Mount-Everest-Kenner Reinhold Messner (70) und Peter Habeler (72) geäußert.

Durch das Beben seien mehr als 70.000 Häuser zerstört und mehr als 530.000 Wohnungen beschädigt worden, teilte das UN-Büro OCHA mit. Die Hilfsorganisation der Vereinten Nationen brauchen für weitere Nothilfe nach eigenen Angaben 415 Millionen Dollar (380 Millionen Euro). Mit dem Geld sollen in den kommenden drei Monaten unter anderem Unterkünfte für eine halbe Million Menschen finanziert werden, die durch das Erdbeben obdachlos wurden.

Polizisten in Kathmandu sollen Unruhen verhindern (Foto: Getty)
Polizisten in Kathmandu sollen Unruhen verhindernBild: AFP/Getty Images/P. Lopez

Nach langer Hängepartie konnte ein in Berlin gestarteter Hilfsflug mit 60 Tonnen Gütern wie Zelten, Decken und Hygienepaketen in Kathmandu landen. Die Güter im Wert von 670.000 Euro seien bereits entladen und würden für den Weitertransport mit Lastwagen vorbereitet, teilte das Deutsche Rote Kreuz mit. An Bord waren auch zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen, ein mobiles Labor sowie Camp-Ausstattung für das Technische Hilfswerk (THW). Der Flug hatte sich verzögert - Grund war eine fehlende Überfluggenehmigung für Indien, weil der dortige Luftraum zu voll war.

"Das ist ein großer humanitärer Notfall", sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, in Brüssel. Er wollte noch am Mittwoch nach Nepal fliegen. Er reise dorthin, um zu sehen, wie Europa weiter helfen könne, und um den Helfern Mut zu machen. "Sie sind echte Helden", sagte Stylianides. Die EU-Kommission hatte am Wochenende drei Millionen Euro Soforthilfe bereitgestellt. Zudem mobilisierten mehrere EU-Staaten mindestens 25 Millionen Euro, wie die EU-Kommission jetzt berichtete. Unter Koordination der Europäischen Union hätten bislang 15 EU-Länder und Norwegen materielle Unterstützung und Helferteams angeboten.

Hilfswerke in Deutschland rufen zu Spenden für die Opfer des Erdbebens in Nepal auf:

Bündnis Entwicklung Hilft (Brot für die Welt, Christoffel-Blindenmission, Kindernothilfe, medico international, Misereor, terre des hommes, Welthungerhilfe): Kennwort "Erdbeben Nepal", Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE 7137 02050 0000 8100 100;
BIC: BFSW DE33 XXX (www.entwicklung-hilft.de)

Diakonie Katastrophenhilfe: Kennwort "Nepal Erdbebenhilfe",
Evangelische Bank, IBAN: DE6852 0604 1000 0050 2502; BIC: GENODEF1EK1
(www.diakonie-katastrophenhilfe.de)

Caritas international: Kennwort: "Erdbebenhilfe Nepal", Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE04 6602 0500 0000 0002 02; BIC: BFSWDE33KRL
(www.caritas-international).

Deutsches Rotes Kreuz: Kennwort "Erdbeben Nepal", Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE63 3702 0500 0005 0233 07. BIC: BFSWDE33XXX
(www.drk.de)

"Aktion Deutschland Hilft" (unter anderen Care, Help, World Vision, Islamic Relief, ASB, Awo): Kennwort "Erdbeben Nepal", Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE62 3702 0500 0000 1020 30; BIC: BFSWDE33XXX (www.aktion-deutschland-hilft.de)

UNICEF: Kennwort "Erdbeben Nepal", Bank für Sozialwirtschaft,
IBAN: DE57 3702 0500 0000 3000 00; BIC: BFSWDE33XXX (www.unicef.de)

Deutsche Welthungerhilfe: Kennwort "Nothilfe Nepal", Sparkasse
KölnBonn, IBAN: DE15 3705 0198 0000 0011 15; BIC: COLSDE33
(www.welthungerhilfe.de)

stu/wl (afp, dpa)