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Anime! in Bonn

8. August 2011

In der Bundeskunsthalle geht es bunt und bewegt zu. Die Ausstellung "Anime! High Art - Pop Culture" spürt einem Phänomen nach, das sich längst aus den Fesseln der Trivialkunst gelöst hat: dem japanischen Trickfilm.

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Szene aus dem Anime 'Akira' (Foto: Ausstellung Anime! High Art - Pop Culture der Kunst- und Ausstellungshalle, Bonn)
Anime-Held AkiraBild: Collection of Mike & Jeanne Glad

Schreiend bunte Figuren, fantasiereiche Landschaften, plastische Szenenentwürfe, visionäre Städtebilder - all das bekommt man derzeit in der Bundeskunsthalle zu sehen. Wo der Besucher in Bonn sonst auf berühmte Gemälde der Kunstgeschichte oder archäologische Kostbarkeiten stößt, da wird er hier plötzlich mit poppigen Figuren und rasant animierten Filmstreifen konfrontiert.

Mehr als Trivialkunst

Japanische Mangas und Zeichentrickfilme (Animes) sind seit Jahren weltweit erfolgreich, bei Kindern und Jugendlichen vor allem, aber zunehmend auch bei älteren Menschen. Und nachdem man sich dem Phänomen der japanischen Zeichenkunst in jüngster Zeit schon in Spezialmuseen, auf Filmfestivals und Messen genähert hat, hat nun auch ein großes und anerkanntes Museum seine Pforten für diese ganz andere Art von Kunst geöffnet.

Raum der Ausstellung (Foto: Ausstellung Anime! High Art - Pop Culture der Kunst- und Ausstellungshalle, Bonn, David Ertl)
Tanzende Figuren und viele Szenenentwürfe - Blick in die AusstellungBild: Kunst- und Ausstellungshalle/David Ertl

Die Rolle, die in den 1960er Jahren die Pop Art aus Amerika gespielt habe füllten jetzt Figuren und Bilder aus den japanischen Mangas und Animes aus, ist der Intendant der Bundeskunsthalle, Robert Fleck, überzeugt: "Es ist unsere Aufgabe, kulturelle Phänomene von nationaler und internationaler Bedeutung aufzuzeigen. Dazu müssen wir auch auf die unmittelbare Gegenwart schauen."

Fantastische Welten

Wer einmal den Fantasiewelten des großen japanischen Regisseurs Hayao Miyazaki, einem der wichtigsten und innovativsten Vertreter des japanischen Animes, begegnet ist, dem wird schnell klar, dass es sich hier nicht "nur" um Unterhaltung für ein junges Publikum handelt. Das haben auch die großen Filmfestivals der Welt erkannt. Ein Goldener Bär in Berlin, ein Oscar in Hollywood und die Aufnahme in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt des Time Magazins zeugen davon.

Szene aus dem Film Ponyo von Hayao Miyazaki (Foto: Ausstellung Anime! High Art - Pop Culture der Kunst- und Ausstellungshalle, Bonn)
"Ponyo" von Hayao MiyazakiBild: Trickfilm-Festival Stuttgart/Hayao Miyazaki

Für deutsche Zuschauer besonders verblüffend: Große Fernseherfolge aus den 1970er Jahren, die auf Klassiker der Kinderunterhaltung aus dem deutschsprachigen Raum zurückgehen, entstanden auf japanischen Zeichentischen. Ob "Biene Maja", "Heidi" oder "Wickie" - gezeichnet wurden die Serien in Japan. Das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) griff damals auf japanische Zeichner und das Know-how der Anime-Industrie in Japan zurück, die auch für westliche Zuschauer produzieren konnte. Dass in Japan zum Teil mit amerikanischer Dramaturgie gearbeitet wurde, zeigt nur die globale Dimension der Zeichentrickkultur.

Prophezeiungen im Kino

Doch es gibt auch einige spezifische Ausprägungen, die so wohl nur in Japan entstehen konnten. Ganz aktuell kann man das am Beispiel "Fukushima" nachvollziehen. Robert Fleck: "Besonders die Katastrophe im März dieses Jahres hat gezeigt, dass der japanische Animationsfilm viele Katastrophenängste ganz stark und ganz deutlich fast prophetisch vorweggenommen hat." Das Trauma der beiden Atombombenabwürfe am Ende des Zweiten Weltkriegs haben Zeichner und Regisseure in ihren Werken vielfach thematisiert und mit dem Thema Umweltzerstörung kombiniert. Film wie "Nausicaä" und "Ponyo" von Hayao Miyazaki haben die Tsunami-Katastrophe und die Zerstörung des Atomkraftwerkes von Fukushima in ihren Bildern vorweggenommen.

Eine Szene aus dem Film Nausicaä (Foto: Universum-Film)
Seherisches Potential: "Nausicaä - Aus dem Tal der Winde" von Hayao MiyazakiBild: Universum-Film

Dass gerade eine solche Institution wie die Bundeskunsthalle in Bonn dem Phänomen "Anime" in einer großen und komplexen Ausstellung viel Platz einräumt, mag auch mit aktuellen Zwängen des Museumsbetriebs zusammenhängen. "Wir haben wie andere Museen auch ein gewisses Defizit beim berufstätigen Publikum. 'Anime!' ist eine Ausstellung, die sich an die ganze Familie wendet, nicht nur an Kinder, auch an berufstätige Erwachsene", sagt Robert Fleck. Doch gleichzeitig ist der Blick auf die japanische Zeichenkunst der Mangas und Animes auch ein deutlicher Verweis auf ein kulturelles und kunsthistorisches Phänomen mit enormer Breitenwirkung.

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Gudrun Stegen