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Draghi macht ernst

Henrik Böhme22. Januar 2015

Das Anleihe-Kaufprogramm der EZB findet in Deutschland nur wenig Zustimmung. Man befürchtet zu wenig Wirkung und zu hohe Risiken. Zudem könne der Reformdruck für die Krisenländer sinken.

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Mario Draghi Overlay
Bild: Reuters/Kai Pfaffenbach

Mario Draghi hat Wort gehalten: Vor zweieinhalb Jahren, am 26. Juli 2012, versprach er in einer Rede vor Londoner Investmentbankern, alles zu tun, um den Euro zu retten. Nach diversen anderen Versuchen mit Zinsen nahe Null, Kreditprogrammen und einer Geldschwemme riesigen Ausmaßes, greift die Europäische Zentralbank nun zum quasi letzten Mittel: Sie will massenhaft Anleihen von Staaten und Unternehmen der Eurozone aufkaufen.

Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt am Main sagte EZB-Chef Draghi, man habe beschlossen, monatlich Anleihen von Staaten und Unternehmen im Gesamtwert von 60 Milliarden Euro zu erwerben. "Das Programm wird bis mindestens zum September 2016 laufen. Auf jeden Fall werden wir es aber so lange weiter betreiben, bis wir das Inflationsziel von um die zwei Prozent nachhaltig erreichen."

Wirklich große Summen

Die Notenbank dürfte damit mehr als 1100 Milliarden oder 1,1 Billionen Euro in die Märkte pumpen. Das entspricht mehr als 10 Prozent der Wirtschaftsleistung des Euroraums. Die Zentralbank wird für die Umsetzung des gigantischen Programms frisches Geld drucken. Damit kauft sie Banken risikobehaftete Wertpapiere ab, also zum Beispiel Staats- oder Unternehmensanleihen. Die Finanzinstitute - so der Plan, sollen das frische Geld dann in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterreichen.

"Die EZB hat die Hoffnung, dass das zur wirtschaftlichen Belebung in Europa beiträgt", sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos zur DW. "Natürlich müssen wir alle versuchen, diese Entwicklung zu unterstützen." Die Bundesregierung tue dies, indem sie das Investitionsprogramm der Europäischen Kommission unterstützen werde. "Denn man darf nicht der EZB alleine die Aufgabe übertragen, sich um Wachstum und Beschäftigung zu kümmern."

Mandat überschritten?

In der Tat hat die EZB anders als die US-Notenbank Fed vor allem die Aufgabe, die Preise stabil zu halten - und nicht die Wirtschaft anzukurbeln. Aus diesem Grund beschäftigt die Geldpolitik der EZB schon das höchste deutsche Gericht wie auch den Europäischen Gerichtshof. Die Frage: Überschreiten die Währungshüter ihr Mandat? Henning Vöpel, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), sieht in der EZB eine Art "heimliche Regierung der Eurozone und das kann nicht lange gut gehen, weil die Europäische Zentralbank natürlich auch schon dabei ist, ihr eigentliches Mandat zu verletzten."

Das nunmehr verkündete Kaufprogramm der EZB sieht er sehr skeptisch. Man habe gesehen, sagte er gegenüber DW, dass schon sehr viele andere Instrumente ergriffen worden seien, zudem seien die Zinsen sehr niedrig: "Und wir sehen, dass das Geld zwar bei den Banken ankommt, aber nicht in der Wirtschaft, nicht bei den Unternehmen über Kredite und bei den Haushalten. Insoweit ist fraglich, ob man mit diesem Instrument tatsächlich die Kreditnachfrage positiv beeinflussen kann."

Vöpel vermutet als Hintergrund eher den Versuch, die Kurse von Staatsanleihen zu stützen. "Stellen Sie sich vor, in Griechenland würde am Sonntag die Reformpolitik abgewählt. Dann kann es sein, dass die griechischen Anleihen noch mal stark unter Druck geraten und dann braucht die EZB eben dieses Instrument, um stabilisierend einzugreifen."

Reformdruck könnte nachlassen

Etwas optimistischer beurteilt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln die EZB-Entscheidung. Zwar sei es insoweit kein guter Tag für Europa, weil die EZB ihr letztes Pulver verschieße. "Das zeigt, dass sie sich Sorgen um die wirtschaftliche Situation in Europa macht." Gewisse Chancen, dass das Programm etwas bewirkt, könne es zwar geben, "aber wir sind uns nicht sicher, dass es tatsächlich wirkt, weil die Probleme mit Blick auf Kreditversorgung und Wirtschaftsentwicklung, Investitionsschwäche eigentlich an anderen Stellen liegen und dort gelöst werden müssen."

Damit liegt Matthes auf einer Linie mit anderen, zum Beispiel dem Wirtschaftsweisen Lars Feld. Der sieht durch das Ankaufprogramm den Reformdruck von Ländern wie Frankreich oder Italien genommen. Auch Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon bezeichnet das Programm als Fehler. Das Gespenst der Deflation, also einer Spirale aus fallenden Preisen und zurückgehender Nachfrage, könne man nicht bestätigen. "Im Gegenteil, das Konsumverhalten der privaten Haushalte ist robust. Die Geld- und Notenbankpolitik hat nicht die richtigen Instrumente, um Strukturen in den europäischen Mitgliedsstaaten voran zu bringen. Das heißt, die Europäische Zentralbank nimmt eine Aufgabe wahr, für die sie eigentlich gar nicht zuständig ist", so Fahrenschon im ZDF.

Friedensangebot von Draghi

Um seine Kritiker ein wenig zu besänftigen, gab Draghi außerdem bekannt, dass die Zentralbank nur einen Teil der Risiken vergemeinschaften werde. Eine gemeinsame Risikohaftung gibt es demnach bei Anleihen europäischer Institutionen, die insgesamt 20 Prozent des Programms ausmachen. Staatsanleihekäufe sollen sich dagegen nach dem Anteil der Euroländer am EZB-Kapital richten. Damit wird die Zentralbank vor allem deutsche Staatsanleihen kaufen, gefolgt von französischen und italienischen.

So oder so: Noch bevor die EZB ihre Entscheidung verkündete, meldete sich der CSU-Politiker Peter Gauweiler zu Wort. Der hat bereits gegen andere geldpolitische Maßnahmen der Notenbank geklagt. Die Verfahren laufen noch. Seinen Anwalt hat er jedenfalls gebeten, vorsorglich eine Klage gegen das Ankaufprogramm vorzubereiten, für den Fall, dass die Bundesregierung untätig bliebe.