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Politik

Das Anti-Brexit Dream-Team

Barbara Wesel
22. November 2018

Über Parteigrenzen hinweg kämpfen zwei Abgeordnete gegen den Brexit: die Tory-Abgeordnete Anna Soubry aus Nottinghamshire und Labour-Mann Chuka Umunna aus London. Sie fordern ein zweites Referendum.

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Großbritannien London Demonstration "People's Vote March" Chuka Umunna und Anna Soubry
Bild: picture-alliance/ZUMA Press/O. Millington

Wie ist es eigentlich, mit der Konservativen Anna Soubry zusammenzuarbeiten? "Es ist eine Freude", sagt Chuka Umunna von der Labour-Partei und zeigt dabei sein breitestes Gentlemen-Lächeln. Soubry ist eine Kämpfernatur und bekannt für ihre scharfe Zunge. Diese Art parteiübergreifender Zusammenarbeit ist selten in Großbritannien, dort wo die ideologischen Gräben tief und die Klassenschranken hoch sind. Aber was die beiden eint, ist der Kampf gegen den Brexit, der am 29. März 2019 wahr werden soll. Ihr gemeinsames Ziel ist ein zweites Referendum, um die Bürger erneut nach ihrem Willen zu befragen.

May hat keine Chance im Parlament

Seit 2010 vertritt Anna Soubry ihren Wahlkreis in Broxtowe, einer Kleinstadt in den Midlands mit über 54 Prozent "Leave" Wählern, Wählern, die die EU verlassen wollen. "Es gibt da draußen eine Menge wütende Leute", erklärt die Abgeordnete die Situation in ihrer Region. Aber die würden auch nach dem Brexit weiter wütend sein, weil alle Versprechen für ein besseres Leben nicht eintreffen würden. "Und dann werden besonders die Jungen das Gefühl haben, wir hätten ihre Zukunft gestohlen", sagt sie.

"Es gibt im Parlament einfach keinen Konsens für gar nichts", beschreibt ihr Kompagnon Chuka Umunna die verfahrene Situation. Der smarte Londoner - nigerianischer Vater, britische Mutter, Juristenkarriere - hatte in seinem Wahlkreis in Streatham die höchste Quote von Pro-EU-Stimmen landesweit. Zu Hause muss er also niemanden überzeugen, aber die Labour-Partei ist gespalten und fährt einen unklaren Kurs, weil sie ihre Wähler im Nordosten und den Midlands nicht verschrecken will. Aber auch, weil Parteichef Jeremy Corbyn ein lebenslanger EU-Skeptiker ist. 

Großbritannien London Kampagne für 2.Referendum Chuka Umunna und Anna Soubry
Chuka Umunna und Anna Soubry setzen alles daran, ein zweites Referendum herbeizuführenBild: DW/B. Wesel

Im Parlament allerdings werde Labour geschlossen gegen Theresa Mays Deal stimmen, sagt Umunna - und die restliche Opposition samt schottischer Nationalpartei (SNP) und Liberalen sowieso. Und wie sieht es bei den Tories aus? "Derzeit ist May in großen Schwierigkeiten, nicht nur weil die ideologisch harten Brexiteers auf den Tory-Bänken gegen ihren Deal stimmen werden, sondern weil auch andere ihn nicht mögen", sagt Anna Soubry. "Leute wie ich, zum Beispiel, die glauben, dass wir den besten Deal jetzt mit der EU-Mitgliedschaft haben." Und auch die nordirische protestantische und unionistische Partei (DUP) hat bereits ihr Nein angekündigt.

Einziger Ausweg ist ein zweites Referendum

"Ein No-Deal Brexit wäre einen totale ökonomische Katastrophe", sagt Chuka Umunna, der während der Regierung Cameron Wirtschaftssprecher der Labour Partei war. "Das wäre ein totales Pflichtversäumnis von Seiten des Parlaments, und die Wahl ist dann nur noch zwischen Mays Deal und der EU-Mitgliedschaft." Mit dieser Frage müsse man zurück gehen zum britischen Volk und es entscheiden lassen. "Es gibt Ängste vor der Spaltung, die ein zweitens Referendum verursachen könnte", sagt er. "Es gibt Leute, die sagen, es war der Wille des Volkes, lasst es uns einfach machen. Aber das war vor zweieinhalb Jahren, und der Wille der Bürger kann sich ändern. Ich lebe in einer jungen Gegend - insgesamt gibt es inzwischen zwei Millionen mehr junge Leute, die ihre Meinung zum Brexit noch nicht sagen konnten."

Nicht nur im heimischen Wahlkreis sieht er jetzt mehr Pro-EU-Wähler, auch landesweit zeigten die Umfragen inzwischen einen Wandel. Sogar Anna Soubry berichtet aus ihren mehrheitlich anti-europäischen Midlands eine gewisse Aufweichung des Meinungsbildes. "Ich glaube, es gibt einen echten Wunsch bei den Menschen, noch einmal gefragt zu werden. Daran arbeiten wir, und wir haben so viel geschafft in den letzten sechs Monaten. Wir machen weiter, denn wir können es schaffen." Jetzt, da die Menschen verstünden, dass ein Brexit nicht die Vorteile bringe, die man ihnen vorgegaukelt hat, müssten sie noch einmal abstimmen dürfen, fügt Umunna hinzu.

Ende Oktober sind beide zusammen auf der gewaltigen Demonstration in London aufgetreten, wo an einem sonnigen Wochenende rund 700.000 Briten für ein zweites Referendum auf die Straße gegangen waren. "Man wirft mir immer vor, ich spräche nur für die Elite in der Hauptstadt", sagt Umunna, aber da hätte er erlebt, dass Bürger aus allen Landesteilen und Schichten zu dem Protest gekommen waren. Anna Soubry hatte auf dem Parliament Square eine besonders leidenschaftliche Rede gehalten und die Stimmung war hoffnungsvoll. Premierministerin Theresa May allerdings zeigte sich völlig unbeeindruckt und wiederholt seit Monaten automatenhaft nur den einen Satz: "Es wird keine zweite Abstimmung geben."

Großbritannien London Demonstration "People's Vote March" Chuka Umunna und Anna Soubry
Im Oktober bei einer Demonstration: Chuka Umunna (links) und Anna Soubry sind der Meinung, die Menschen hätten ein Recht darauf, erneut abzustimmenBild: picture-alliance/AP Photo/Y. Mok

Spaltungsgerüchte und Todesdrohungen

Im Sommer hatte man den beiden Abgeordneten unterstellt, sie wollten aus liberalen Tories und Mitte-geneigten Labour-Abgeordneten eine neue Partei gründen. Denn eigentlich haben die Pro-Europäer in Großbritannien derzeit keine politische Heimat. Aber das Wahlrecht macht kleinen Parteien einen Aufstieg fast unmöglich, und beide leugnen heftig, solche Gedanken jemals gehegt zu haben. "Wir sind kein trojanisches Pferd", sagt Chuka Umunna dazu. Die zwei Abgeordneten bekennen sich dazu, den gemeinsamen Kampf zwar innerhalb der eigenen Partei, aber auch fraktionsübergreifend zu führen. "Die Leute haben doch die Nase voll von der alten Politik mit Clans auf der linken und auf der rechten Seite".

Dass sich Umunna und Soubry vereint haben im Kampf gegen den Brexit, hat aber seinen Preis: Umunna wurde von den Corbyn-Fans in seiner eigenen Partei angefeindet und quasi als Verräter gebrandmarkt. Und Anny Soubry - auch weil Frauen in der Politik nach wie vor mehr Hass auf sich ziehen - erhält immer wieder Todesdrohungen. "Die letzte ernst zu nehmende Drohung kam in der vorigen Woche", sagt sie. Damit müsse sich dann die Polizei beschäftigen. "Man zuckt fast nur noch die Schultern." Drei dieser bösartigen Trolle seien schon zu Haftstrafen verurteilt worden, erzählt Soubry. "Das ist ein abscheulicher Zustand neuerdings in der britischen Politik, und wir sollten aus diesen Fehlern lernen".

Besonders in den sozialen Netzwerken ist die politische Auseinandersetzung beim Thema Brexit inzwischen besonders harsch. Soubry und Umunna versuchen, sich nicht beeindrucken zu lassen. Und wie sieht ihre Aufgabenteilung aus? "Er ist der Gute", sagt sie und lacht. "Sie ist Karate-Kid", entgegnet er und grinst. Die beiden sind das Dream-Team im Kampf gegen den Brexit.