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Baerbock will auf die große Klimabühne

16. Dezember 2021

Die neue deutsche Außenministerin will den Klimaschutz ins Zentrum ihrer Arbeit stellen und auf UN-Klimakonferenzen die Verhandlungen selbst leiten. Bislang war das stets Sache des Umweltministeriums.

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Annalena Baerbock, neue Außenministerin Deutschlands, hebt winkend die Hand
Bild: Bernd Settnik/picture alliance/dpa

Ob sich die neue Außenministerin Deutschlands, Annalena Baerbock von den Grünen, wohl an Laurent Fabius ein Beispiel genommen hat? Mit viel Engagement und diplomatischem Geschick leitete der damalige französische Außenminister 2015 in Paris die legendäre UN-Klimakonferenz, an deren Ende der neue Klimavertrag erreicht war.

Damals verpflichteten sich die Staaten, die Erdtemperatur deutlich unter 2, besser nur um 1,5 Grad ansteigen zu lassen. Fabius wurde dafür international gefeiert und von den Delegierten mit minutenlangem Beifall bedacht.

Der Präsident der UN-Klimakonferenz COP21, Laurent Fabius, lächelt und klatscht
2015: Frankreichs Außenminister Laurent Fabius leitete die UN-Klimakonferenz in ParisBild: Jacques Witt/abaca/picture alliance

Ähnliche Erfolge schweben offenbar auch Baerbock vor. Denn die neue Chefin im Auswärtigen Amt in Berlin setzte in den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP für die neue Regierung durch, dass künftig sie und nicht mehr das Umweltministerium für den internationalen Klimaschutz zuständig ist.

Ab sofort wird sie deshalb auch die deutschen Delegationen auf Klimakonferenzen leiten. Klimaschutz, soll das wohl heißen, gehört jetzt auch in der internationalen Diplomatie Deutschlands zum Kern staatlichen Handelns.

Nouripour: Klimaschutz braucht "globale Anstrengungen"

Warum diese Änderung wichtig sei, erläuterte Omid Nouripour, Außenexperte der Bundestagsfraktion der Grünen, der DW: "Die nationalen Klimaziele können noch so gut erreicht werden, es reicht nicht ohne globale Anstrengungen. Diese laufen nicht nur auf Klimagipfeln, sondern vor allem bei der Umsetzung dazwischen."

Annalena Baerbock sei eine erfahrene Klimapolitikerin, sagt Nouripour: "Da liegt es auf der Hand, dass sie für Klima-Diplomatie zuständig ist."

Klimakonferenzen waren immer Sache der Umweltminister

Tatsächlich war bislang das Agieren auf Klimakonferenzen in Deutschland immer in der Hand des Umweltministeriums, egal, welche Parteien die Regierung stellten. Unter dem konservativen Bundeskanzler Helmut Kohl etwa, der von 1982 bis 1998 regierte, machte sich sein Umweltminister Klaus Töpfer international einen Namen.

Klaus Töpfer und Angela Merkel stehen nebeneinander in einer Gruppe von Politikern
Klaus Töpfer und Angela Merkel vertraten Deutschland oft auf UN-Klimakonferenzen als UmweltministerBild: picture alliance/dpa

Später half eine gewisse Angela Merkel als Töpfers Nachfolgerin mit, den ersten Klimavertrag, das Kyoto-Protokoll, ins Leben zu rufen. Als Bundeskanzlerin schaltete sich Merkel dann später zwar oft in die Gespräche ein, überließ die Details aber stets den Umweltministerinnen und -ministern.

Im Umweltministerium bildete sich dadurch über die Jahre ein kompetentes Team. Einige erfahrene Mitglieder wechseln nun wohl ins Auswärtige Amt. Andere aber nicht: Jochen Flasbarth etwa, bislang Staatssekretär im Umweltministerium, galt lange Jahre als hochkompetent und bestens vernetzt auf dem klimapolitischen Parkett, er wechselt nun aber ins Entwicklungsministerium.

Oxfam: Weniger Fachleute, mehr Diplomaten

Jan Kowalzig, Klimaexperte bei der Hilfsorganisation Oxfam, sieht durchaus die Gefahr eines Verlustes an Kompetenz, wie er der DW sagt: "Für die alljährlichen UN-Klimakonferenzen bedeutet das, dass die Verhandlungen zur Umsetzung des Pariser Abkommens aus Deutschland langfristig womöglich von in internationaler Diplomatie geschulten Menschen betreut werden, nicht aber von Fachleuten mit in vielen Jahren erworbener Expertise in der Klimapolitik."

Das Selbstverständnis des Auswärtigen Amts sehe außerdem vor, dass Diplomaten und Diplomatinnen regelmäßig ihre Einsatzorte im In- und Ausland wechseln, sagt Kowalzig: "Zu einer kontinuierlichen fachlichen Betreuung der oft komplexen Themen der internationalen Klimapolitik trägt das sicher nicht bei."

Hoffnung auf internationale Dynamik

Martin Kaiser, Klimaexperte bei Greenpeace, verspricht sich aber viel von der neuen Rollenverteilung. Er sagte der DW: "Wenn es Baerbock gelingt, gemeinsam mit Olaf Scholz im Kanzleramt, und anderen Ministerinnen und Ministern eine europäische und internationale Klimapolitik neu aufzustellen, wird Deutschland eine neue internationale Dynamik entfachen können."

Blick in einen Saal mit auf der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow, darüber schwebt ein Globus
Nach der Klimakonferenz in Glasgow mahnte Annalena Baerbock, endlich mit der Umsetzung zu beginnenBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Darauf setzen jetzt offenbar alle Ministerien, die sich mit dem Klimaschutz befassen: das Auswärtige Amt ebenso wie das Wirtschafts- und Klima-, das Umwelt- und das Entwicklungsministerium. Die Regierung hat sich vorgenommen, dass der Kampf gegen die Klimagase alle Ressorts betrifft und jedes Gesetz darauf abgeklopft werden soll, ob es zum Erreichen des 1,5 Grad-Ziels beiträgt. Aus allen Häusern ist zu hören, dass man zuversichtlich sei, neuen Schwung in die Klima-Diplomatie zu bekommen.

Nächste Klimakonferenz in Ägypten

In den meisten der 190 UN-Staaten ist die internationale Klimapolitik Sache der Umweltminister und Umweltministerinnen. Aber das Beispiel von Laurent Fabius in Frankreich zeigt, dass es auch anders geht. Auch die USA waren 2015 in Paris durch den damaligen Außenminister John Kerry vertreten. Er ist jetzt Klima-Berater von US-Präsident Joe Biden. Nach der diesjährigen Klimakonferenz im schottischen Glasgow, noch unter der Federführung der alten Regierung, zeigte Baerbock in einem ZDF-Interview schon mal, wie ungeduldig sie beim Thema Klima werden kann: "All die Appelle, die es dort jetzt gibt: Kohle-Ausstieg, Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, endlich Schutz der Wälder und vor allem einen riesengroßen Technologie-Sprung zu einer Klima-neutralen Industrie, das muss jetzt endlich gemacht werden und nicht nur versprochen werden."

John Kerry sitzt neben anderen Politikern auf einem Podium der Klimakonferenz in Paris vor einem Mikrofon
2015: Auch die USA schicken oft ihre Außenminister auf Klimakonferenzen - wie John Kerry (Mi.) beim Klimagipfel in ParisBild: ABACA/picture alliance

Annalena Baerbock wird Deutschland erstmals in gut einem Jahr auf der nächsten UN-Klimakonferenz im ägyptischen Küstenort Scharm el-Scheich vertreten.