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Unwort des Jahres: "Anti-Abschiebe-Industrie"

15. Januar 2019

Sprache ist nicht neutral, dafür will die Unwort-Jury die Menschen sensibilisieren. Den Begriff "Anti-Abschiebe-Industrie" prägte der CSU-Politiker Alexander Dobrindt im Mai 2018. Und sorgte damit für Diskussionen.

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Unwort des Jahres 2018 Anti-Abschiebe-Industrie
Bild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Es war letztes Jahr im Frühling. Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte Klagen gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber als Sabotage des Rechtsstaats bezeichnet und von einer "Anti-Abschiebe-Industrie" gesprochen. Diesen Ausdruck kürte eine Jury aus Sprachwissenschaftlern nun zum "Unwort des Jahres 2018". Die Begründung: Dobrindt unterstelle damit denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützten, die Absicht, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen zu wollen, um damit Geld zu verdienen.

Eine solche Äußerung von einem wichtigen Politiker einer Regierungspartei zeige, "wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie auf bedenkliche Weise verändern", sagte die Sprecherin der "Unwort des Jahres"-Jury, Nina Janich, am Dienstag (15.01.) in Darmstadt.

Begriffe, die das Klima vergiften

Die Aktion "Unwort des Jahres" gibt es seit 1991. Gekürt wird jedes Jahr ein Begriff,  der gegen das "Prinzip der Menschenwürde" oder gegen die "Prinzipien der Demokratie" verstößt. Für das Jahr 2016 war die Wahl auf "Volksverräter" gefallen, 2017 wurde der Ausdruck "Alternative Fakten" zum "Unwort des Jahres" ernannt.

In diesem Jahr waren 508 verschiedene Begriffe als Vorschläge für das "Unwort des Jahres" eingegangen. Nur etwa 60 davon entsprachen aber überhaupt den Kriterien der sprachkritischen Aktion, so Janich. Knapp 15 Wörter habe die Jury in die engere Wahl einbezogen. Darunter waren auch die Begriffe "Menschenrechtsfundamentalismus" und "Ankerzentrum". 

Am häufigsten vorgeschlagen wurde der Begriff "Asyltourismus" sowie der vom AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland verwendete Begriff "Vogelschiss". Beim Bundeskongress der AfD-Nachwuchsorganisation hatte der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei "Alternative für Deutschland" gesagt: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte." Der Satz fiel nach einem Bekenntnis Gaulands zur Verantwortung der Deutschen für den Nationalsozialismus mit Millionen ermordeten Juden und Millionen Kriegstoten. 

Für Sprache sensibilisieren

Verantwortlich für die viel beachtete Auswahl des Unworts ist eine Jury aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten, die durch einen jährlich wechselnden Gast ergänzt wird. Die Aktion selbst ist institutionell unabhängig. Sie will einen bewussten Umgang mit Sprache fördern, indem sie auf Begriffe hinweist, die diskriminieren, irreführen oder demokratische Prinzipien verletzten. Die Jury wählt dabei aus Vorschlägen aus, die jeder im Internet einreichen kann. 

"Uns geht es um Wörter, die im öffentlichen deutschen Diskurs wie selbstverständlich verwendet werden und bei genauerer Analyse doch diffamierend oder diskreditierend sind", so Nina Janich gegenüber der "Süddeutschen Zeitung".

pl/kap (dpa,kna, www.unwortdesjahres.net)