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GesellschaftDeutschland

Anti-asiatischer Rassismus in Deutschland

Manasi Gopalakrishnan | Warda Imran
21. März 2021

Asiatisch aussehenden Menschen wird in Deutschland nicht erst seit der Pandemie mit Vorurteilen und Stereotypen begegnet. Die Krise hat das noch verstärkt.

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Studierende  aus Asien sitzen in einem Hörsaal
Nicht nur ausländische Studierende aus Asien haben schon Rassismus-Erfahrungen gemacht Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

"Hey Asiate, was machst du hier?" Mehrfach wurde Student Zacky, der aus Indonesien stammt, in Berlin auf offener Straße beleidigt. Einmal wurde er sogar angerempelt und geschlagen.

Auch die Studentin Puspa, ebenfalls aus Indonesien, berichtet von rassistischen Erfahrungen. In der Silvesternacht habe jemand sogar einen Feuerwerkskörper nach ihr geworfen, erzählt sie. Aufgrund früherer Erlebnisse ist sie sich "ziemlich sicher", dass dies geschah, weil sie einen Hijab trug. 

Der chinesische Dokumentarfilmer und Aktivist Popo Fan sah sich in der Berliner U-Bahn mit rassistischen Übergriffen konfrontiert. 2019, noch vor der Corona-Pandemie, schrie ihn jemand an, er solle "f*** zurück nach China".

Sieben oder acht Personen waren anwesend, als sich der Vorfall in der U-Bahn ereignete, erinnert er sich. "Keiner hat mir geholfen, keiner hat überhaupt hingeschaut. Die hingen alle an ihren Telefonen oder haben den Kopf weggedreht."

Rassismus in Deutschland verankert

Die Corona-Pandemie hat den Rassismus gegenüber Menschen asiatischer Herkunft offenbar noch verstärkt, soll das Virus doch in der chinesischen Stadt Wuhan seinen Ursprung haben - aber Vorurteile gegenüber Asiaten gab es in Deutschland schon vorher.

So vertrieben die Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren Chinesinnen und Chinesen, die in Deutschland lebten. Einige wurden sogar in Zwangsarbeitslager eingewiesen. Doch die meisten Fälle anti-asiatischer Gewalt ereigneten sich Jahrzehnte später - nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1990.Zielscheibe wurden vor allem Menschen aus Vietnam, die im Rahmen der Anwerbung von Arbeitskräften aus kommunistischen Regimen in die DDR gekommen waren. Fast 60.000 Vertragsarbeiter aus dem südostasiatischen Land lebten dort, bevor im November 1989 die Berliner Mauer fiel. 

Vietnamesische Auszubildende und Studenten 01.05.1971 Dresden
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Tausende vietnamesische Studierende und Vertragsarbeiter in die DDRBild: imago

Pogrome von Hoyerswerda und Rostock 

Zwei Jahre später überfielen gewalttätige Rechtsradikale vietnamesische Bewohnerinnen und Bewohner einer Sammelunterkunft im sächsischen Hoyerswerda. Beklatscht von Anwohnern und Schaulustigen belagerte eine Horde von Neonazis das Ausländer-Wohnheim.

1992 kam es im ostdeutschen Rostock-Lichterhagen ebenfalls zu schlimmsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen. Rund 1000 Rechtsextreme griffen einen Wohnblock mit vietnamesischen Vertragsarbeitern an und steckten ihn in Brand. Wieder gab es Applaus von Schaulustigen. Die im Laufe des Abends schleppend eintreffende Polizei erwies sich als völlig unvorbereitet, schlecht ausgestattet und machtlos.

Ausschreitungen Rostock Lichtenhagen 1992
Die Polizei schritt bei den Angriffen auf einen Wohnblock mit Vietnamesen in Rostock-Lichtenhagen erst spät ein Bild: imago/R. Schober

"Dieses Ereignis hat viele Menschen geprägt, die heute in Deutschland gegen Rassismus kämpfen", sagt Ferat Ali Kocak, Berliner Anti-Rassismus-Aktivist. "Uns wurde klar, dass anti-asiatischer Rassismus, auch wenn er nicht immer sichtbar wird, aus verschiedenen Gründen stark in der deutschen Gesellschaft verankert ist."

Pandemie verstärkt Stigmatisierung

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Vorurteile jetzt zunehmend sichtbarer werden lassen. Nachdem der Filmemacher Popo Fan in der U-Bahn angeschrien und ihm das Wort "Corona" entgegengeschleudert wurde, ging er zur Polizei. "Ich habe ihnen gesagt, dass sie etwas unternehmen müssen. Doch sie haben rein gar nichts getan. Ich habe sie gefragt: 'Worauf wartet ihr noch? Darauf, dass ich erschossen werde?'", erinnert er sich. Fan benutzt seit dem Vorfall keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr, zu traumatisch ist die Erinnerung. Ein Artikel der Bundeszentrale für politische Bildungverortet die Verstärkung von anti-asiatischem Rassismus im Kontext der Corona-Pandemie historisch. Seit dem 19. Jahrhundert werde die Entstehung von Epidemien und jüngst Infektionskrankheiten wie Sars China zugeschrieben. Auch würden Medienberichte Vorurteile aus Kolonialzeiten wachrufen.

"Du hast kein COVID, oder?", fragte ein Freund Michelle, eine in Bonn lebende junge Chinesin. Obwohl die Bemerkung durchaus rassistisch gemeint sein könnte, hat Michelle doch Verständnis für Menschen, die sich so verhalten. "Es ist menschlich. Außerdem heißt es ja, dass das Virus aus China stammt", sagt sie gegenüber der DW. Und sie erzählt, dass selbst in China Menschen aus der Provinz Hubei - wo die ersten COVID-19-Fälle auftraten - sozial stigmatisiert und sogar in ihren Häusern eingesperrt worden seien. 

Gängige Vorurteile der Alltagskultur

Der anti-asiatische Rassismus in Deutschland habe auch damit zu tun, vermutet Popo Fan, dass zum Beispiel im deutschen Fernsehen kaum asiatische Schauspieler und Rollen vorkämen. Und wenn, dann erfüllten sie die gängigen Stereotypen: als "Kellnerin für ein asiatisches Restaurant" oder als "junges asiatisches Mädchen, das im Massagesalon arbeitet", ergänzt er.

Sogar auf schwulen Online-Dating-Portalen müssten sich Asiaten mit Vorurteilen rumschlagen, so Fan. "Männer schrieben auf Grindr, dass sie sich nicht mit Asiaten einlassen würden, die seien beim Sex glitschig wie Delfine. Wie kann man nur so was Gemeines sagen." 

Auch Matthias Matuschik, Moderator eines bayerischen Radiosenders, muss sich Rassismus vorwerfen lassen. Nachdem die populäre K-Pop-Gruppe BTS den Song "Fix You" der britischen Band Coldplay gecovert hatte, verglich er sie mit dem Coronavirus. Die Boygroup sei genau wie ein "Scheißvirus, gegen das es hoffentlich bald eine Impfung gibt." Seine Kritik bezog sich aus seiner Sicht auf den "Frevel", den Song verunstaltet zu haben.

Er ergänzte zwar: "Nichts gegen Südkorea, man kann mir jetzt nicht Fremdenfeindlichkeit unterstellen, nur weil diese Boyband aus Südkorea ist." Doch da war es schon zu spät. Weltweit hagelte es im Netz Kritik. Gerade in dieser Zeit, in der anti-asiatischer Rassismus gefährlich um sich greife, sei Matuschiks Äußerung ein Aufruf zum Hass, schrieb ein User auf Twitter. 

Und trotz allem: Michelle, die junge Chinesin aus Bonn, fühlt sich in Deutschland akzeptiert. "Ich werde zum Beispiel oft nach dem Weg gefragt, obwohl ich ausländisch aussehe", erzählt sie. Anfangs habe sie sie sich manchmal diskriminiert gefühlt, aber das habe auch etwas mit kulturellen Missverständnissen zu tun, glaubt sie. "Die Deutschen sind sehr direkt."

Jugend protestiert gegen Rassismus 
 

Gerade junge Menschen in Deutschland seien heute viel offener und würden sich mehr mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen, sagt Frank Joung, der koreanischstämmige Gründer und Moderator des Podcasts "Halbe Katoffl", in dem Deutsche mit ausländischen Wurzeln zu Wort kommen.

 "Sie chatten mit Leuten aus der ganzen Welt, sind über Apps miteinander verbunden, sie hören K-Pop und schauen sich 'Black Panther' an", so Young. "Ich glaube, für sie ist es eine ganz logische Entwicklung. Sie denken nicht mehr darüber nach, ob jemand schwarz oder weiß ist."

Deutschland: Anti-asiatischer Rassismus durch Corona

Anti-Rassismus-Aktivist Kocak sieht das ähnlich. "Durch die Black-Lives-Matter-Bewegung und die antirassistischen Proteste nach Hanau ist etwas passiert", sagt er - in Hanau nahe Frankfurt am Main hatte ein Rechtsextremist im Februar 2020 neun türkischstämmige Menschen in einer Shisha-Bar ermordet. "Wir leben in einer ungerechten Welt und wir brauchen viel mehr Solidarität", so Kocak. "Die jungen Leute haben das erkannt und gehen dafür auf die Straße." 

Adaption aus dem Englischen: Sabine Oelze, Suzanne Cords

Dieser Artikel wurde am 23. März aktualisiert.

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