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Politik

Hunderte solidarisieren sich mit Gil Ofarim  

5. Oktober 2021

Der Sänger Gil Ofarim berichtet von einem antisemitischen Vorfall in einem Leipziger Hotel. Vor dem Gebäude bekunden Hunderte Menschen ihre Solidarität mit dem Musiker und dem Judentum allgemein in Deutschland.

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Deutschland Demonstration gegen Antisemitismus vor dem Hotel Westin Leipzig
Bild: Dirk Knofe/dpa/picture alliance

Hunderte Menschen haben sich am Dienstagabend vor dem "Westin Hotel" in der sächsischen Stadt Leipzig versammelt, um ihre Solidarität mit dem Sänger Gil Ofarim sowie mit allen Jüdinnen und Juden in Deutschland zu zeigen. Aufgerufen dazu hatte das Bündnis "Leipzig nimmt Platz". Irena Rudolph-Kokot von dem Bündnis sagte bei der Kundgebung, der antisemitische Vorfall mache extrem wütend und dürfe nicht unwidersprochen bleiben. Auch Mitarbeiter des Hotels nahmen daran teil.  

Sachsen I Demonstration gegen Antisemitismus vor dem Hotel "Westin Leipzig"
Hunderte Menschen demonstrieren vor dem Hotelgebäude gegen Antisemitismus Bild: Dirk Knofe/dpa/picture alliance

Ofarim war am Montag nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls in dem Hotel geworden. Der Sänger berichtete sichtlich bewegt in einem Instagram-Video, ein Mitarbeiter des "Westin Leipzig" habe ihn am Empfang aufgefordert, seine Kette mit dem Davidstern einzupacken. Dann dürfe er einchecken. 

Gil Ofarim
Der deutsche Rockmusiker Gil Ofarim ist ein Sohn des israelischen Sängers Abi Ofarim (Archivbild) Bild: dpa/picture alliance

Zuvor sei am Hotelempfang wegen technischer Probleme eine lange Schlange entstanden. Ofarim sagte, er habe sich eingereiht - mit seiner Davidstern-Kette um den Hals. "Das steht mir zu. Mache ich schon mein Leben lang", sagte Ofarim im Video. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden. Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle.

Der Hotelmitarbeiter habe ihm die Antwort gegeben: "Um die Schlange zu entzerren", dabei habe Ofarim ja selbst darin gestanden. Daraufhin habe "irgendeiner aus der Ecke" gerufen, dass er seinen Stern einpacken solle. Auch der Hotel-Mitarbeiter habe gesagt: "Packen Sie Ihren Stern ein." Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. 

 

Der Sprecher der Leipziger Polizei, Olaf Hoppe, sagte, für ihn sei die mutmaßliche Aussage des Hotelangestellten "klar antisemitisch". Die Polizei werde Inhalte des Videos an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die eine strafrechtliche Relevanz prüfe. Je nach Ergebnis werde dann weiter ermittelt oder nicht. Mit Ofarim habe man bislang nicht gesprochen. Die Behörde kenne sein Video und habe es gesichert. 

Ein Sprecher des Hotels "Westin Leipzig" sagte, man sei besorgt über den Bericht und nehme die Angelegenheit extrem ernst. Das Unternehmen versuche, Ofarim zu kontaktieren, um herauszufinden, was passiert sei. Ziel sei es, alle Gäste und Mitarbeiter unabhängig von ihrer Religion einzubeziehen, zu respektieren und zu unterstützen.

Mitarbeiter beurlaubt? 

Die "Bild"-Zeitung und die "Leipziger Volkszeitung" berichten, das Hotelmanagement habe die betreffenden Mitarbeiter beurlaubt. Beide Zeitungen zitierten eine Hotelmanagerin mit den Worten,
Antisemitismus sei nicht entschuldbar und werde in dem Hotel nicht geduldet. 

"Unfassbarer Fall"

Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien zeigten sich schockiert. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, twitterte, die Anfeindung sei erschreckend. Der Pianist Igor Levit schrieb an das Hotel gerichtet: "Shame on you".

Deutschland Leipzig | Verfassungsschutzbericht | Roland Wöller
Sachsens Innenminister Roland Wöller hofft, dass Gil Ofarim Anzeige erstattet (Archivbild)Bild: Sebastian Willnow/dpa/picture alliance

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sprach von einem "unfassbaren Fall von Antisemitismus" und einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). "Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben", schrieb die Bundesstelle auf Twitter. 

Sachsens Innenminister Roland Wöller hofft nach eigenen Worten darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. "Sachsen ist ein weltoffenes Land", betonte der Ressortchef.

Rechter Rand in Sachsen wächst

Wöller musste auch den sächsischen Verfassungsschutzbericht für 2020 kommentieren. Als größte Gefahr wird darin der Rechtsextremismus benannt. "Unsere Demokratie war in jüngster Zeit noch nie so gefährdet wie aktuell", sagte Wöller bei der Vorstellung des Papiers in Dresden. Sowohl linke als auch rechte Ränder erstarkten.

Dem Bericht zufolge wuchs die rechtsextreme Szene in Sachsen im Vorjahr auf 4800 Personen an (2019: 3400). Hintergrund sei die hohe Anzahl von Anhängern des AfD-"Flügels", der seit März 2020 Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern ist. Der "Flügel" habe sich zwar offiziell aufgelöst, bestehe aber informell fort.

EU-Kommission stellt Antisemitismus-Strategie vor

In Straßburg stellte die EU-Kommission derweil die erste "Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens" vor. Hintergrund ist der zunehmende Antisemitismus in Deutschland und anderen europäischen Staaten. "Heute verpflichten wir uns, jüdisches Leben in Europa in all seiner Vielfalt zu fördern", sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

Ihr Stellvertreter Margaritis Schinas erklärte, dies sei man den Überlebenden des Holocausts, aber auch künftigen Generationen schuldig. Die 27 Mitgliedstaaten sollen bis Ende kommenden Jahres eigene nationale Strategien entwickeln. Nach Angaben der EU-Grundrechteagentur sind neun von zehn Juden der Ansicht, dass Antisemitismus in ihrem Land zugenommen hat. 

se/wa/nob/jj (kna, epd, dpa, afp)