Anzeige gegen Berliner LKA im Fall Amri
17. Mai 2017Es sei ein neues Dokument aufgetaucht, in dem Anis Amri bereits im November gewerblicher, bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln vorgeworfen wurde, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD). Auf dieser Grundlage sei "eine Verhaftung wohl möglich gewesen". Jetzt werde geprüft, ob das Berliner Landeskriminalamt das Dokument zurückgehalten und dieses Versäumnis im Nachhinein vertuscht habe.
Er habe deshalb Anzeige wegen Strafvereitelung gegen Unbekannt im Berliner LKA gestellt. Geisel teilte mit, entscheidende Aktenvermerke seien rückdatiert worden. Die Anzeige umfasse deshalb auch den Vorwurf der Urkundenfälschung. Zudem seien Disziplinarmaßnahmen wegen des Dienstvergehens der Verschleierung eingeleitet worden.
Zur Anzahl der Beschuldigten wollte sich Geisel zunächst nicht äußern. "Ich weiß, dass diese Nachricht bedrückend ist", sagte Geisel weiter. Nach Angaben des Innensenators waren dem als Sonderermittler eingesetzten Bruno Jost widersprüchliche Aktenvermerke aufgefallen. Alles deute darauf hin, dass nach dem Anschlag Vermerke verändert wurden. Der Anschlag auf dem Breitscheidplatz "hätte womöglich verhindert werden können", sagte Geisel.
Die Aussage, Amri hätte wesentlich eher in Haft genommen werden können, ist nicht neu. Ende März äußerte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière diese Ansicht vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags in Nordrhein-Westfalen.
"Riesiger Skandal"
Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sehen in der jüngsten Entwicklung vor allem einen Verdienst des Sonderermittlers Jost. "Dass Fehler im Fall Amri offenbar vertuscht werden sollten, ist ein riesiger Skandal", erklärten die Fraktionschefinnen Antje Kapek und Silke Gebel. Sie forderten deutliche Konsequenzen, sollte sich der Verdacht erhärten.
FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sprach von einem "massiven Vertrauensverlust" in das Berliner LKA. Der CDU-Innenexperte im Berliner Senat, Burkard Dregger, drängte auf eine Sondersitzung des Innenausschusses, FDP und AfD auf einen Untersuchungsausschuss.
Amri war am 19. Dezember mit einem zuvor gekaperten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gerast. Er tötete zwölf Menschen, weitere 67 wurden bei dem bislang folgenschwersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland verletzt.
Wenige Tage später wurde Amri auf der Flucht in Italien von der Polizei erschossen. Der Asylbewerber hielt sich vor allem in Nordrhein-Westfalen und Berlin auf und nutzte diverse Identitäten. Nach dem Anschlag war deutlich geworden, dass Amri deutschen Sicherheitsbehörden schon länger als sogenannter islamistischer Gefährder bekannt war und er sogar zeitweise überwacht wurde. Verhaftet wurde er indes nicht. Bekannt ist auch, dass er zeitweise in der Berliner Drogenszene aktiv war.
qu/sti (dpa, afp)