Auf dem Pfad der Freiheit durch Berlin
10. März 2019Freiheit - ein Gefühl, das die Herzen der Berliner immer wieder bewegt hat. Auch und gerade angesichts der Enge und Unfreiheit durch die Berliner Mauer, die die Stadt von 1961 bis 1989 als tödlicher Grenzstreifen teilte und deren Fall sich 2019 zum 30. Mal jährt.
Der Kampf um die Freiheit, das ist auch der rote Faden auf dem "Pfad der Freiheit", einem virtuellen Stadtrundgang in der neuen Reiseführer-App "About Berlin". Die Tourismuswerber der Stadt, Visit Berlin, haben sie zusammen mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam entwickelt.
Vom Trümmerfeld zum Schauplatz des Ost-West-Konflikts
Wo beginnt wohl eine solche Reise zur Freiheit? Am bekanntesten Ort für den Mauerfall, dem Brandenburger Tor? Oder am geschichtsträchtigen Reichstagsgebäude?
Nein. Der Startpunkt der Tour ist ein 17-stöckiges Haus im Hansaviertel, einer Hochhaussiedlung aus den 50er Jahren im Bezirk Tiergarten. Kein bekannter Hotspot, weit und breit kein Tourist zu sehen. Wieso hier?
"Die Stadt von morgen" - so der Titel der ersten App-Episode. Protagonist: Klaus Müller-Rehm, ein junger Architekt. Die Zeitreise führt ins Jahr 1957. Die internationale Architekten-Elite von Alvar Aalto bis Walter Gropius ist zur Bauausstellung nach West-Berlin geeilt, um auf einem Nachkriegstrümmerfeld die Stadt der Zukunft zu gestalten. Ausgerechnet Architekturnovize Müller-Rehm erhält den Zuschlag für das höchste Hochhaus im neuen Hansaviertel! Das Projekt ist West-Berlins minimalistisch-avantgardistische Antwort auf den kurz zuvor im Zuckerbäckerstil errichteten Prachtboulevard Ost-Berlins, die Karl-Marx-Allee. Und Müller-Rehms Hochhaus damit ein selbstbewusster, bleibender Ausdruck der Freiheit von West-Berlin. Das ist eine Geschichte, die wohl in kaum einem Reiseführer zu finden ist.
Nicht nur im Hansaviertel kommen Wissensdurstige auf ihre Kosten, sondern auch an 14 weiteren Stationen. Ausgedehnte 45 Kilometer führt dieser besondere Stadtrundgang vom Tiergarten über den Alexanderplatz bis an den Stadtrand nach Potsdam. Reichlich Stoff also für zwei Tage Berlin-Sightseeing, mindestens!
Der "Pfad der Freiheit" wechselt dabei zwischen Insider-Tipps und wahren Touristen-Attraktionen. So ist natürlich das Reichstagsgebäude mit dabei: Hier fand 1990 die Feier zur deutschen Wiedervereinigung statt, 1995 die spektakuläre Verhüllungsaktion von Christo und Jeanne-Claude; und seit 1999 tagt hier wieder das gesamtdeutsche Parlament.
Die Tour führt auch zum ehemaligen Flughafen Tempelhof. Während der Berliner Luftbrücke 1948/49 landeten hier die Flugzeuge der Alliierten im Minutentakt, um Westberlin während der Blockade durch die Sowjets zu versorgen. Eine weitere Station ist die Glienicker Brücke, auf der Ost und West während des Kalten Krieges Spione ausgetauscht haben. Und selbstverständlich fehlt auch das Brandenburger Tor nicht, wo Ronald Reagans Worte "Mr. Gorbatschow, tear down this wall" zitiert werden.
Berlin, "gleich dit erste Haus links"
Nur ein paar Schritte von dem berühmten Tor entfernt, schlägt der "Pfad der Freiheit" das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte auf. Gleich neben dem Brandenburger Tor steht das wieder aufgebaute Max-Liebermann-Haus. Wer einst den bekannten Maler besuchen wollte, dem gab er als Wegbeschreibung mit: "Kommste nach Berlin, gleich dit erste Haus links." Rebellisch gegen Kaiser und Kunstakademie, deren Präsident er später trotzdem wurde, musste Liebermann 1933 hier, von seinem Fenster aus, den Fackelmarsch der Nationalsozialisten durch das Brandenburger Tor mit ansehen. Und machte seiner Wut darüber auf berlinerisch Luft: "Ick kann jar nich so ville fressen, wie ick kotzen möchte." Wegen seines jüdischen Glaubens wird Liebermann von den Nazis mit Ausstellungsverbot belegt, er stirbt 1935 in seinem Wohnhaus am Brandenburger Tor. Ein Ort, den viele Touristen nicht wahrnehmen. Und der zeigt, wie nahe Freiheit und Unfreiheit beieinander liegen.
Ein verschwundener Ort
Wer will, nimmt sich die Freiheit, von der vorgegebenen Tour abzuweichen. Die App macht dazu aktiv Vorschläge. Unweit des Reichstags etwa empfiehlt sie das Thema "Sex ist relativ" und lotst im Tiergarten Neugierige auf ein paar breite Treppenstufen zwischen Bundeskanzleramt und Haus der Kulturen der Welt. Nichts erinnert hier mehr daran, dass dies ab 1919 die Adresse des Instituts für Sexualwissenschaften war, gegründet von Magnus Hirschfeld. Der Arzt erforschte in seinem Institut die Liebe, ihre Praktiken und ihre Vielfalt, heißt es in der App. Vorurteilen gegen Homosexuelle begegnete er mit Wissenschaft und Forschung. Doch Hirschfeld war wie Liebermann Jude, lebte ab 1933 in Südfrankreich im Exil. Dort erfuhr er aus den Nachrichten, wie die Nazis sein Institut plünderten und seine Bibliothek verbrannten. 1935 starb er in Nizza. Heute gilt Hirschfeld als Vorkämpfer der Schwulenbewegung, nicht nur in Berlin.
Gratis-App für Sparfüchse und Geschichtsfans
Insgesamt 200 Orte sind in die App "About Berlin" integriert, versehen mit offline-Lesetexten, 70 Hördokumenten via Youtube und über 600 historischen Fotos. Manchmal endet die Navigation zwar vor Büschen oder Mülltonnen. Teilweise wird historisches Wissen voraus gesetzt. Und dennoch: Wer an Wahrzeichen wie dem Brandenburger Tor den Blick zur Seite wagt, den belohnt die App mit spannenden Geschichten. Und rückt dabei die menschlichen Schicksale der Berliner in den Vordergrund, die große und kleine Momente der Vergangenheit spiegeln.
Damit unterscheidet sich "About Berlin" von Reiseführer-Apps wie Tripwolf, Mytrip oder Marco Polo. Tipps zu Restaurants oder Hotels? Ein Ticket kaufen für den Museums- oder Konzertbesuch? Fehlanzeige! Während bei den anderen Reiseführer-Apps gastronomische Angebote, touristische Attraktionen wie Madame Tussauds und NS-Gedenkstätten gleichwertig nebeneinander rangieren, setzt "About Berlin" auf eine inhaltliche Auswahl. Der "Pfad der Freiheit" ist dabei nur eine von insgesamt fünf Touren. Weitere sind bereits in Vorbereitung.
Android, iOS
Speicherplatz inklusive Offline-Texten und Fotos: ca. 300 MB
Sprachen: deutsch, englisch