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PolitikNahost

Arabien: Der lange Weg zum Impfstoff

28. Januar 2021

In Nahost haben es vor allem die weniger wohlhabenden Staaten schwer, Impfstoff gegen das Corona-Virus zu beschaffen. Sie werden Opfer eigener politischer Missstände, aber auch des globalen Rennens um die Vakzine.

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Coronavirus | Jemen Sanaa Waisenkinder mit Masken
Weit entfernt von jeder Corona-Impfung: Schulkinder im JemenBild: picture-alliance/Xinhua/M. Mohammed

Im Jemen wird es noch dauern. Impfstoffe gegen das Corona-Virus werden in dem bitterarmen Land an der Südspitze der arabischen Halbinsel nicht vor April oder Mai eintreffen. Welches Vakzin dann zur Verfügung stehe, könne er derzeit noch nicht sagen, erklärte ein Vertreter des jemenitischen Ministeriums für öffentliche Gesundheit und Bevölkerung der Zeitung "The Siasat Daily" zufolge.

Zwar verzeichnet der Jemen laut der Johns-Hopkins-University nur 2119 Infizierte (Stand 27.1.). Verstorben sind offiziellen Angaben zufolge bislang und 615 Personen an dem Virus. Allerdings werde in dem Land auch kaum getestet, heißt es in einem Bericht des "Deutschen Ärzteblatts", zudem gebe es in den von den Huthis kontrollierten Gebieten "politisch verordnet" kein COVID-19. "Eine systematische Fehlbewertung ist die Folge", folgert das Ärzteblatt. Die Rücksichtslosigkeit der kriegsführenden Akteure geht vor allem zu Lasten der Zivilbevölkerung.

Das von einem langjährigen Krieg zerrissene Land ist bei der Versorgung mit Vakzinen auf internationale Hilfe angewiesen. Besonders wichtig ist das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der EU-Kommission und Frankreich aufgelegte COVAX-Programm, das finanzschwache Ländern einen Teil der Impfstoffe sichern soll.

"Hochgradig ungerecht"

Der Jemen ist ein besonders deutliches Beispiel für die global ungleiche Distribution der verfügbaren Vakzine. "Diese ist hochgradig ungerecht und wird nicht zu einer effektiven Eindämmung der Pandemie beitragen", sagt Elisabeth Massute, politische Referentin in der Medikamentenkampagne von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF), im DW-Interview.

Die reichen Staaten der Welt hätten sich bereits im vergangenen Sommer einen Großteil der 2021 produzierten Impfstoffe gesichert. "Da bleibt für die Ärmsten der Armen und Menschen in humanitären Not-und Krisensituationen wenig bis nichts übrig."

Libanon Leere Straßen, volle Wohnungen. Szene aus Beirut, 21. März
Stille Stadt: Der Libanon im Lockdown, Beirut, April 2020Bild: picture-alliance/AP Photo/H. Ammar

Libanon: Sorge um transparente Verfahren

Mit Ausnahme der wohlhabenden Golfstaaten sind viele arabische Länder bei der Impfstoffbeschaffung auf internationale Hilfe angewiesen. So etwa der Libanon. Das Land verzeichnet (Stand 27.1.) gut 286.000 Infizierte, rund 2480 Personen sind an Covid gestorben. Erst Mitte Januar hatte das Land einen Vertrag mit BioNTech/Pfizer über 2.1 Millionen Dosen des Impfstoffs abgeschlossen. Die erste Lieferung wird Anfang Februar erwartet. Zugleich hatte das Parlament den Herstellern garantiert, es werde für zwei Jahre von Schadensersatzklagen absehen, sollte der Impfstoff bislang unbekannte Nebenwirkungen haben.

Hamad Hassan, der Gesundheitsminister des wirtschaftlich schwer angeschlagenen Landes, erklärte dem Nachrichtensender "Al-Arabiya" zufolge, das Land habe von der Weltbank einen Kredit erhalten, um den Impfstoff bezahlen zu können. Agenturmeldungen zufolge handelt es sich um 34 Millionen US-Dollar.

Zudem setzt der Libanon auf das COVAX-Programm. Über dieses sollen weitere 2,73 Millionen Dosen bestellt werden. Zwei Millionen weitere Dosen sollen zudem von den Unternehmen AstraZeneca und Sinopharm bestellt werden. Auch mit dem US-Unternehmen Johnson & Johnson sowie Moderna und dem Hersteller des russischen Impfstoffs Sputnik V ist die Regierung im Gespräch.

Kritiker monieren allerdings, die Entscheidungen über Kauf und Verteilung des Impfstoffs verliefen nicht transparent. Dies, so die "Arab Reform Initiative" (ARI), sorge für erheblichen Argwohn. "Es ist nicht verwunderlich, dass einige libanesische Ärzte besorgt über eine 'Politisierung' der Impfstoffe sind", so ARI. So könnten Impfstoffe auf klientelistischer Basis verteilt werden. Auch individuelle Kaufkraft könnte den Zugang zu dem Impfstoff bestimmen.

"Lage spitzt sich weltweit zu"

In nationalem Maßstab zeigt sie hier, was auch in globalem gilt: Die Konkurrenz um den Impfstoff wird schärfer. "Die Lage weltweit - auch in vielen ärmeren Ländern - spitzt sich weiter zu, sagt Elisabeth Massute von "Ärzte ohne Grenzen". Die wohlhabenden Staaten müssten bereits jetzt Kontingente abgeben, und nicht erst im Herbst.

Dies auch, weil Gesundheitskrisen, wie Malaria oder Tuberkulose, während der Pandemie keine Pause einlegten. "Das bedeutet oftmals eine Doppelbelastung für eh schon geschwächte Gesundheitssysteme in ärmeren Ländern."

Jordanien Zaatari Flüchtlingslager Luftbild
Integriert in das Impfprogramm: Flüchtlinge in Jordanien, hier das Lager ZaatariBild: Imago/ITAR-TASS

Jordanische Solidarität

Solidarisch zeigt sich bei der Verteilung Jordanien. Bereits Mitte Dezember hatte die Regierung eine Registrierungsplattform initiiert, einen Monat später begann die Impfkampagne auf Grundlage der Vakzine von BioNTech/Pfizer und Sinopharm. Rund 30.000 Jordanier seien bislang geimpft worden, teilte das Gesundheitsministerium mit. Insgesamt hat Jordanien knapp 10,5 Millionen Einwohner.

Zeitgleich mit den Bürgern des Landes wurden auch die ersten der insgesamt rund 745.000 in Jordanien lebenden Flüchtlinge geimpft. Ausdrücklich lobte Filippo Grandi, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, das jordanische Engagement. "Das Land hat Flüchtlinge in alle Aspekte der Reaktion der öffentlichen Gesundheit auf die Pandemie einbezogen, einschließlich der nationalen Impfkampagne. Es zeigt, was getan werden sollte, wenn wir alle schützen wollen", so Grandi.

Marokko Corona-Pandemie | Helfer in Casablanca
Gewappnet gegen das Virus: Freiwillige Helferinnen in CasablancaBild: Abdeljalil Bounhar/AP Photo/picture alliance

Kooperation im Maghreb

Noch einmal anders ist die Lage im Maghreb. Weil sie mit den Ländern des wohlhabenden Westens nicht mithalten konnten, gaben Algerien und Marokko Lieferungen bei den Produzenten aus China und Russland in Auftrag. Zudem hat Algerien angekündigt, den chinesischen Impfstoff nach Erhalt mit Tunesien zu teilen.

Marokko bestellte zudem bei dem britisch-schwedischen Hersteller AstraZeneca. Dabei riskierte die marokkanische Regierung einiges: Ihre Bestellungen bei AstraZeneca wie auch Sinopharm gingen ein, noch bevor das Vakzin in den Ursprungsländern selbst zugelassen war. Da sich Marokko an der dritten Phase der Impfstoff-Studie beteiligte hatte, kann es nun auf eine Vorzugslieferung von zehn Millionen Dosen setzen. Zudem soll das Vakzin in Marokko auch produziert werden. Von dort aus könnte es dann auch in andere Länder der Region exportiert werden.

Um Notlagen wie der derzeitigen künftig vorzubeugen, müssten Regierungen, die in Forschung und Entwicklung investieren, effektive Bedingungen an ihre Investitionen knüpfen, die sicherstellten, dass die Produkte, wie COVID-19 Impfstoffe, bezahlbar und zugänglich seien, sagt Elisabeth Massute von "Ärzte ohne Grenzen". "Das ist im letzten Jahr oftmals nicht der Fall gewesen. Wir müssen hier aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und in Zukunft Barrieren für Zugang und eine gerechte Verteilung von Anfang an im Blick haben und ihnen aktiv entgegenwirken."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika