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KonflikteNahost

Arabische Länder und Israel: Geschäfte laufen weiter

Cathrin Schaer
1. November 2024

Auch hohe Politiker aus arabischen Ländern, die mit Israel kooperieren, kritisieren in teils scharfen Worten dessen militärisches Vorgehen in Gaza und Libanon. Der bilaterale Handel läuft aber weiter, jedenfalls bisher.

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Ein Plakat der VAE in Tel Aviv, das für die weitere Normalisierung der Beziehungen beider Länder wirbt (Archivbild von September 2021)
Ein Plakat der VAE in Tel Aviv, das für die weitere Normalisierung der Beziehungen beider Länder wirbt (Archivbild von September 2021) Bild: JACK GUEZ/AFP/Getty Images

Online war er sehr aktiv, der gemeinsame Wirtschaftsrat der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Israels: Nahezu täglich postete das Gremium in den sozialen Medien Neuigkeiten zu den Handelsbeziehungen der beiden Länder, die erst seit 2020 offizielle diplomatische Beziehungen miteinander pflegen. Doch am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, war Schluss mit den Postings - die Betonung von gemeinsamen Erfolgen war politisch offenbar nicht mehr erwünscht. Seitdem ist vom Handel zwischen dem arabischen Golfstaat und Israel dort nichts mehr zu lesen - obwohl der Handel selbst durchaus weiterläuft.

Diese Ambivalenz zeigt sich auch in der nicht-digitalen Welt: Offiziell steht das Vorgehen Israels im Gazastreifen und seit einiger Zeit im Libanon seitens vieler Staatsführer in der arabischen Welt unter Kritik. Auch Spitzenpolitiker aus Israels wenigen arabischen Partnerländern, etwa den Vereinigten Arabischen Emiraten , Jordanien und Ägypten, haben die Art und Weise der israelischen Militäraktionen kritisiert, teils in starken Worten.

"Wir sehen, dass ethnische Säuberungen stattfinden, und das muss aufhören", erklärte mit Blick auf den Gazastreifen etwa der jordanische Außenminister Ayman Safadi bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken. 

Und auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats Mitte Oktober sagte der ägyptische Außenminister Badr Abdelatty, das Vorgehen Israels im Gazastreifen sei verantwortlich für eine "noch nie dagewesene humanitäre Katastrophe".

Politiker aus den VAE betonen derweil regelmäßig, um den derzeitigen Konflikt zu beenden und einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu schaffen, brauche es einen klaren Weg hin zu einer palästinensischen Staatlichkeit.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman während einer Sitzung des EU-Golf-Kooperationsrats in Brüssel, 2024
Saudi-Arabien war lange auf Annäherungskurs, geht aber seit Beginn des Gazakriegs zumindest rhetorisch wieder stärker auf Distanz zu IsraelBild: Bandar Algaloud/Saudi Royal Court/Anadolu/picture alliance

Handel trotz Krieg und Kritik

Doch trotz aller Kritik haben die Handelsbeziehungen selbst offenbar nicht gelitten. So machen die VAE weiterhin in der Region die meisten Geschäfte mit Israel, gefolgt von unter anderem Jordanien, Ägypten und Marokko. Dem israelischen Zentralamt für Statistik zufolge ist der Handelsumfang zwischen diesen Ländern und Israel auch in diesem Jahr überwiegend positiv.

Der Handel mit Jordanien war bis zum August dieses Jahres zwar um ein Prozent geschrumpft. Bei Ägypten hingegen wuchs der Handel mit Israel, und zwar um 30 Prozent. Auch der Handel mit Marokko und Bahrain - wie die VAE haben auch sie vor einigen Jahren Normalisierungsabkommen mit Israel geschlossen - wuchs. Dabei hatte Bahrain bereits erklärt, die Handelsbeziehungen zu Israel wieder kappen zu wollen.

Im Jahr 2023 belief sich der Gesamtwert des Handels zwischen den VAE und Israel dem Online-Portal Al-Monitor zufolge auf rund 2,9 Milliarden US-Dollar (rund 2,7 Milliarden Euro). In diesem Jahr könnte der Wert sogar ein Volumen von 3,3 Milliarden US-Dollar (gut drei Milliarden Euro) erreichen. Einige Branchen verzeichnen hingegen auch Einbußen, so etwa Tourismus und Logistik.

Israelischen und emiratischen Geschäftsleuten zufolge sind die Veränderungen allerdings überwiegend oberflächlicher Natur. Unternehmer aus beiden Ländern erklärten, sie tätigten weiterhin Geschäfte, man spreche nur weniger als früher öffentlich darüber.

"In einigen Fällen haben sich die Geschäfte sogar ausgeweitet", sagt Dina Esfandiary vom Think Tank International Crisis Group (ICG). Doch bei einigen Staaten, so etwa den VAE, müsse man genauer hinschauen. "Es gibt Geschäfte zwischen den Israelis und staatlichen Unternehmen der VAE. Diese machen den größten Teil des Handels aus. Doch die Abschlüsse zwischen israelischen Firmen und Firmen aus dem Privatsektor der VAE sind nahezu zum Erliegen gekommen. Denn der private Sektor ist mit Blick auf Geschäfte mit Israel sehr nervös", so Esfandiary zur DW.

Sie kenne wohlhabende Emiratis, die früher begeistert von der Vorstellung waren, mit Israelis zusammenzuarbeiten, so Esfandiary. Inzwischen hätten sie Abstand von der Idee genommen. "Für sie ist es eine Frage des Ansehens. Die staatlichen Unternehmen hingegen haben hinsichtlich ihres Rufs keine so großen Bedenken." Einige prominente Emiratis, die das sogenannte Abraham-Abkommen zwischen beiden Ländern ehedem unterstützt hatten, täten dies angesichts der israelischen Kriegsführung in Nahost heute nicht mehr. So erklärte etwa der stellvertretende Direktor der Polizei von Dubai, Dhahi Khalfan Tamim, kürzlich auf dem Kurznachrichtendienst X: "Die Araber wollten wirklich Frieden, aber die Führer Israels verdienen keinen Respekt."

"Arabische Geschäftsleute wägen die Risiken und Vorteile eines kommerziellen Engagements mit Israel nach anderen Kriterien", sagt auch Robert Mogielnicki vom Arab Gulf States Institute in Washington. "Dennoch können wirtschaftliche und geschäftliche Beziehungen auch in Zeiten diplomatischer Spannungen und regionaler Krisen recht stabil bleiben."

Zwei jüdische Gläubige beten während des Purim-Festes in Dubai, Archivbild von 2021
Zwei jüdische Gläubige beten während des Purim-Festes in Dubai, Archivbild von 2021Bild: Andrea DiCenzo/Getty Images

Ungewisse Zukunft 

Dass es mit den Handelsbeziehungen weitergehe wie bislang, sei angesichts der politischen Lage dennoch keineswegs selbstverständlich, schrieb Esfandiary in einem Kommentar vom Juni dieses Jahres. Denn die VAE könnten auf die Idee kommen, durch Einschränkung der Handelsbeziehungen Druck auf Israel auszuüben, damit es sich in Richtung eines Waffenstillstands bewegt. Israel selbst befinde sich aufgrund des Konflikts bereits in zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten.  

"Allerdings dürften die Länder, die das Abraham-Abkommen unterzeichnet haben, ihre Pläne kaum ändern", sagt die Nahost-Expertin der DW. "Spricht man mit emiratischen Beamten, betonen sie oft, die Beziehungen zu Israel hätten es den VAE ermöglicht, viel mehr Hilfe nach Gaza zu leiten als jedes andere Land." Doch die VAE hätten auch ein weiteres Motiv: "Sie wollen die Beziehungen auch darum nicht zurückfahren, weil sie selbst davon profitieren."

"Wirtschaftliche Beziehungen können als Hebel dienen, um Anreize für israelische Entscheidungen zu schaffen", sagt auch Experte Mogielnicki. "Aber bis auf weiteres halte ich es für unwahrscheinlich, dass arabische Regierungen direkte Schritte unternehmen, um alle bestehenden wirtschaftlichen Verbindungen zu kappen."

Allerdings werde es nach Kriegsende für viele Menschen in der Region "sozial inakzeptabel" sein, auch in voller Transparenz wieder wirtschaftlich zur Tagesordnung im Handel mit Israel überzugehen, sagt Khaled Elgindy vom Think Tank Middle East Institute in Washington. "Die Gräueltaten des vergangenen Jahres haben die öffentliche Meinung stark bewegt. Israel hat seinem Image in der arabischen Welt damit massiven, irreparablen Schaden zugefügt", meint er.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.