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Pritzker-Preis geht an Alejandro Aravena

Heike Mund, Werner Herzog, Ruben Kalus4. April 2016

Er gilt als Nobelpreis für Architektur und Karriere-Sprungbrett für junge Talente der Branche. Jetzt wurde der Pritzker-Preis in New York an Alejandro Aravena aus Chile verliehen. Auch für seine sozialen Ideen.

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Chile, Alejandro Aravena

Für den chilenischen Architekten Alejandro Aravena geht es bei Architektur nicht nur um Schönheit und Design, sondern auch um politische, soziale, ökonomische und ökologische Fragen. Der diesjährige Preisträger des renommierten Pritzker-Architekturpreises war bereits in mehreren Projekten des sozialen Wohnungsbaus engagiert. Ein Aspekt, der für die Entscheidung der Jury - neben Aravenas "Verständnis von wahrhaft großartigem Design", ebenfalls eine wichtige Rolle spielte: "Seine Arbeit verschafft den weniger Privilegierten wirtschaftliche Chancen, lindert die Auswirkungen von Naturkatastrophen, verringert den Energieverbrauch und bietet einladenden öffentlichen Raum", heißt es weiter.

Aravena ist der erste Chilene, der den Pritzker-Preis erhält. Im DW-Interview sagte der 48-Jährige: "Wenn wir sozialen Wohnungsbau lediglich aufgrund formaler Aspekte oder der Ästhetik beurteilen, dann haben wir die ökonomischen, finanziellen, ökologischen und sozialen Probleme nicht verstanden." Ein Konzept für sozialen Wohnungsbau von Aravena ist beispielsweise die Idee des "halben Hauses", das er unter anderem in Iquique in Chile und in Monterrey in Mexiko umsetzte. Dabei werden Häuser nur zu einem Teil fertiggestellt, den Rest der Unterkunft können die Bewohner nach eigenen finanziellen Möglichkeiten und Wünschen selbst gestalten.

Soziale Wohnhäuser von Alejandro Aravena, Foto: picture-alliance/dpa/Hyatt Foundation
Aravenas "halbe Häuser" ermöglichen es den Bewohnern, ihr Heim teilweise selbst zu gestalten.Bild: picture-alliance/dpa/Hyatt Foundation

Die Chance, etwas zu bewegen

Da laut Prognosen in Zukunft immer mehr Menschen in Städten leben werden, ist die Frage, wie adäquater Wohnraum geschaffen werden kann für Aravena essenziell wichtig: "Heutzutage leben drei Milliarden Menschen in Städten. 2030 werden es fünf Milliarden sein. Davon werden zwei Milliarden unter der Armutsgrenze leben." Deshalb befürchtet Aravena eine Zunahme von Slums und Favelas, die es zu verhindern gelte. "Der gute Wille ist da, aber wir haben noch nicht genug Lösungsansätze", resümiert er im DW-Gespräch. Mit Blick auf die Flüchtlingskrise und dem damit verbundenen Mangel an angemessenen Unterkünften sagt Aravena: "Wohnungsmangel betrifft weltweit zwei Milliarden Menschen. Im Vergleich dazu ist die aktuelle Flüchtlingskrise in Europa ein relativ kleines Problem."

Den Gewinn des Pritzker-Preises sieht der Chilene auch als Chance, diese und andere Probleme, mit denen er und seine Agentur "Elemental" sich beschäftigen, einer größeren Öffentlichkeit näher zu bringen: "In unserem Büro entstand das Gefühl: Okay, jetzt haben wir die Möglichkeit, in Bereiche vorzudringen, von denen wir nie geglaubt hätten, dorthin zu gelangen." Bei allem Enthusiasmus ist sich Aravena jedoch auch über das Risiko bewusst: "Die Chance, im sozialen Wohnungsbau zu scheitern, ist höher als zum Beispiel bei dem Bau einer Kultureinrichtung."

Aravena weiß, dass seine Arbeit nur mit Partnern aus verschiedenen Disziplinen und einem guten Team möglich ist. So reist er zur Preisverleihung in New York am 04. April mit seinen Kollegen und deren Familien an.

Architektur Gebäude von Alejandro Aravena, Foto: DW/B. H. Allende
Energiewunder: das UC Innovation Center auf dem Campus der Universität in SantiagoBild: DW/B. H. Allende

Bemerkenswert menschlich und einladend

Neben seinen sozialen Projekten ist Aravena auch für weitere Projekte bekannt. Zu seinen berühmtesten Arbeiten gehört zum Beispiel das Gebäude auf dem Campus der Katholischen Universität von Chile in Santiago, an der der Architekt selbst studiert hat. Herausragend ist das UC Innovation Center, ein lichtdurchfluteter würfelartiger Zement-Monolith mit 14 Stockwerken. Durch große Öffnungen in der Fassade konnten die Energiekosten um zwei Drittel gesenkt werden.

"Der aus der Ferne kraftvolle Bau ist bemerkenswert menschlich und einladend", urteilte die Jury über das Gebäude. Alle seine Arbeiten beginne Aravena mit frischem Blick und ohne vorgegebene Formensprache, heißt es weiter in der Jury-Begründung.

Das Büro von Alejandro Aravena, das vor allem in Chile baut, plant gerade aktuell in Shanghai ein energieeffizientes Bürogebäude für den Pharmakonzern Novartis.

Architektur Gebäude von Alejandro Aravena, Foto: Copyright: picture-alliance/AP Photo/T. Jalocha
Herausragende Architektur: energiesparendes Gebäude von Alejandro Aravena aus preiswerten MaterialienBild: picture-alliance/AP Photo/T. Jalocha

Entscheidung mit Spannung erwartet

Der Pritzker-Preis gehört zu einer der höchsten Auszeichnungen für international arbeitende Architekten. Mit Spannung werden jedes Jahr im Vorfeld die möglichen Kandidaten diskutiert: In diesem Jahr waren es der US-Amerikaner Peter Eisenman, der auch das Berliner "Denkmal für die ermordeten Juden in Europa" gebaut hat, der Brite David Chipperfield, Architekt des Museum Folkwang in Essen, und der Italiener Massimiliano Fuksas. Im Gespräch waren auch der US-amerikanische Star-Architekt Daniel Libeskind und der Spanier Santiago Calatrava, der sich vor allem mit dem Bau von künstlerischen Brücken einen Namen gemacht hat.

Auszeichnung auch für soziales Engagement

Es ist nicht das erste Mal, dass ein zeitgenössischer Architekt auch für sein soziales Engagement mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde. 2014 bekam ihn der japanische Architekt Shigeru Ban. Nicht nur für seine herausragende Architektur, sondern auch für sein persönliches und humanitäres Engagement. Bei dem Bau von Notunterkünften in Krisenregionen wie Ruanda, Haiti und auf den Philippinen verwendete Ban preiswerte Materialien wie Pappe und gepresstes Papier.

Shigeru Ban japanischer Architekt
Auch ein Architekt mit humanitärem Ansatz: der Japaner Shigeru Ban bekam 2014 den Pritzker-PreisBild: Reuters

Zu den weltweit bekannten Preisträgern gehörten u.a. der Deutsche Gottfried Böhm, dessen Laufbahn als Architekt mit dieser ehrenvollen Auszeichnung 1986 gekrönt wurde. Der österreichische Architekt Hans Hollein hat den Preis 1995 bekommen. Als Baumeister setzte Hollein unter dem Motto "Alles ist Architektur" international Akzente. Seine drei bekanntesten Bauwerke in Deutschland sind das Museum Abteiberg in Mönchengladbach, das Frankfurter Museum für Moderne Kunst und die Österreichische Botschaft in Berlin.

Erste weibliche Preisträgerin: Zaha Hadid

Die erste Frau, die mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, war die kürzlich verstorbene Star-Architektin und Designerin Zaha Hadid. 2004 wurde sie für ihre eleganten, kühn geschwungenen Entwürfe ausgezeichnet. Eines der ersten futuristischen Gebäude mit ihrer eigenwilligen künstlerischen Handschrift war die "Firestation" (Foto) für die Hausfeuerwehr des Designmöbelherstellers Vitra in Weil am Rhein. Damit bewies sie die praktische Umsetzbarkeit auch extrem visionärer Architekturentwürfe.

Vitra Firestation Weil am Rhein, Foto: Christian Richters
Futuristische Anmutung: Zaha Hadids berühmte Feuerwache für den Möbelhersteller VitraBild: Zaha Hadid Architects/Christian Richters,

Der renommierte Pritzker-Preis wird seit 1979 jedes Jahr von der amerikanischen Hyatt-Stiftung verliehen, die der Unternehmer Jay A. Pritzker (1922 - 1999) eingerichtet hat. Pritzker hat seine Familienwurzeln in Europa: Seine Mutter stammt aus Wien, seine Großeltern waren im 19. Jahrhundert aus Russland eingewandert. Der Pritzker-Clan gehört zu den reichsten Familien der USA mit einem geschätzten Gesamtvermögen von 13,5 Milliarden Dollar. Auch die Hotelkette gehört zum Finanzimperium der Familie. Dotiert ist der Pritzker-Preis mit 100.000 US-Dollar.