Keine Tour im TV
18. Juli 2007Nach Bekanntwerden der positiven A-Probe des 26-jährigen T-Mobile-Profis Sinkewitz hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten umgehend ein Exempel statuiert. "Wir haben entschieden, bis zur Klärung des Falles aus der Tour-Berichterstattung auszusteigen", sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nach Beratungen mit ARD-Programmdirektor Günter Struve. Der Präsident der Tour-Organisation ASO, Patrice Clerc, nannte die Entscheidung "paradox". Leidtragende seien die Zuschauer sowie jene Fahrer und Teams, die unbelastet seien. "Die Medien haben die Aufgabe zu berichten und den Kampf gegen Doping zu begleiten", sagt er.
Der Boykott dürfte die Tour überdauern, weil das Ergebnis der B- Probe erst knapp vor Ende der Frankreich-Rundfahrt oder kurz danach vorliegen dürfte. Der Privatsender Eurosport, der bereits zu Tour- Beginn überdurchschnittliche Zuschauer-Quoten hatte, will weiter übertragen.
Sponsoren: "Wir müssen uns Gedanken machen"
Das Team T-Mobile, das im Vorjahr an der Affäre Jan Ullrich fast zerbrach, kann auch mit einem offensiven Anti-Doping-Programm nicht verhindern, dass Betrug die eigene Mannschaft belastet. "Wir haben Sinkewitz sofort suspendiert und werden ihm kündigen, wenn die B-Probe positiv ist", erklärte Team-Manager Bob Stapleton. Sein Team hatte bereits vor der Tour durchgegriffen und den ebenfalls nach eigenen Ermittlungen auffällig gewordenen Profi Sergej Gontschar erst vom Giro d'Italia ausgeschlossen und dann entlassen.
"Das ist ein Tiefschlag. Wir müssen uns jetzt über unser Sponsoring Gedanken machen und setzen uns nach der Tour zusammen. Durch die Entscheidung von ARD und ZDF liegt die Messlatte hoch und daran müssen sie sich in Zukunft bei allem messen lassen", sagte T-Mobile-Kommunikationsdirektor Christian Frommert in Anspielung auf künftige Sport-Übertragungen wie Olympia oder die Fußball-WM. Sponsor T-Mobile zahlt jährlich für sein Radteam geschätzt 13 Millionen Euro. Auch Vertreter des Mineralwasser-Herstellers Gerolsteiner hatten erklärt, über ihr weiteres Sponsoring Ende August neu zu entscheiden.
Doping-Sünder will von nichts gewusst haben
Der ertappte Sinkewitz selbst reagierte fassungslos. "Ich? Wieso ich? Davon weiß ich nichts. Das kann nicht sein", sagte er in einem Hamburger Unfallkrankenhaus, in dem er am Nachmittag operiert werden sollte. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hatte am Mittwoch bekannt gegeben, dass bei einer Trainingskontrolle am 8. Juni ein erhöhter Testosteron-Wert festgestellt worden sei. Sinkewitz ist nach einem Unfall mit einem Zuschauer auf dem Weg ins Team-Hotel bei der Tour bereits ausgeschieden. Der Sportler zog sich schwere Gesichtsverletzungen zu.
T-Mobile hatte nach den Doping-Geständnissen seiner Ex-Fahrer Erik Zabel, Udo Bölts, Rolf Aldag, Brian Holm, Christian Henn und Jörg Jaksche im Mai bekräftigt, das Engagement wie angekündigt bis 2010 fortsetzen zu wollen. Zusammen mit dem CSC-Team installierte das T-Mobile-Team unter dem neuen Management das wahrscheinlich effektivste Anti-Doping-Programm aller 20 ProTour-Teams.
Sollte auch die B-Probe von Sinkewitz positiv sein, riskiert der Radprofi aus Fulda die Zahlung eines Jahres-Gehalts im hohen sechsstelligen Bereich an den Weltverband UCI. Mit seiner Unterschrift unter eine UCI-Verpflichtungs-Erklärung, die an den Tour-Start gekoppelt war, hatte sich der Profi dazu bereit erklärt. (rri)