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Aretha Franklin ist 75

Julia Hitz
25. März 2017

"Respect" muss sie sich schon lange nicht mehr ersingen: Aretha Franklin hat mehr Grammys, als sie tragen kann und Exkurse in HipHop und Oper hinter sich. Nach 60 Jahren Musikgeschäft will sich die Diva nun zurückziehen.

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Aretha Franklin Sängerin USA
Bild: Getty Images/M.Riley

Ray Charles meinte, er sei schwerer zu erklären als Elektrizität. Mahalia Jackson behauptete, dass er "mit dem Ächzen und Stöhnen der Menschen auf den Baumwollfeldern begann". Aretha Franklin aber sagte: "Du musst kein Afroamerikaner sein, um ihn zu haben. Er ist etwas Kreatives, etwas Lebendiges. Er ist Ehrlichkeit." Was Soul bedeutet, muss sie wissen: Aretha Franklin ist seit den Sechzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts seine unangefochtene Königin.

Die junge Aretha: der Gospel und der Blues

Am 25. März 1942 in Memphis, Tennessee geboren, wächst Aretha Franklin quasi in der Kirche auf: Ihr Vater, Reverend Clarence Franklin, ist Baptistenpastor, die Mutter, Barbara Franklin, eine berühmte Gospelsängerin. Die Predigten von Reverend Franklin sind weit über die Grenzen Detroits bekannt, wo Aretha Franklin mit ihren drei Geschwistern zusammen groß wird. Die Mutter stirbt, als Aretha Franklin zehn Jahre alt ist. Wenn Franklin, die bis zum heutigen Tag selten Interviews gibt, über ihre Kindheit spricht, konzentriert sie sich auf das Positive: "Bei uns war ständig Musik zu hören", erinnert sie sich im Interview mit dem US-Journalisten Mark Bego: "Berühmte Musiker kamen zu Besuch. Man aß zusammen, unterhielt sich und manchmal fing einer an, auf dem Klavier herumzuklimpern. Man musizierte spontan zusammen." Kein Wunder, dass Franklin früh sang und Klavier spielte. Doch ihre Karriere als Gospelsängerin wurde jäh unterbrochen: Franklin wurde schwanger und bekam mit 14 Jahren ihren ersten und im Alter von 16 Jahren ihren zweiten Sohn. Über die Umstände und die Väter spricht sie bis heute nicht. Die frühen Herausforderungen prägten die junge Frau - auch in ihrer Musik.

Karriere als Lady Soul

Porträt von der US-Sängerin Aretha Franklin (1977)
1977 mit Hochsteckfrisur: Aretha FranklinBild: Getty Images/Hulton Archive

Mit 18 Jahren ließ Aretha Franklin ihre beiden Söhne in der Obhut ihrer Familie und zog nach New York. Der Produzent John Hammond von Columbia Records nahm sie unter Vertrag. Es folgten zehn Platten in verschiedenen Stilrichtungen: Blues, Jazz, Pop, Musicalsongs, Balladen und R'n'B. 1966 wechselte Franklin zu Atlantic Records und im Folgejahr ging sie mit dem Produzenten Jerry Wexler ins Studio. Es war der Beginn einer kreativen Explosion.

Mit Jerry Wexler entstanden viele von Franklins erfolgreichsten Songs überhaupt, allen voran "Respect", ein Song von Otis Redding. Toningenieur Tom Dowd erinnert sich an die Aufnahme so: "Ich bin fast vom Stuhl gefallen. Als Aretha anfing, zu singen, hat es einfach Klick gemacht!" "Respect" stehe im Song für viele Lebensbereiche, so Dowd: "Es konnte sich auf die Rassendiskriminierung beziehen, auf eine politische Situation oder auf eine Beziehung zwischen Mann und Frau. Jeder konnte sich damit identifizieren." "Respect" stand im Sommer 1967 auf Platz eins der US-Charts und wurde ein internationaler Hit.

Er wurde zentraler Song der feministischen Bewegung sowie der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Aretha unterstützte sie und galt selbst als Symbol für die Gleichberechtigung der Schwarzen. Sie repräsentierte die neue stolze Afroamerikanerin der späten 60er Jahre. Mit Martin Luther King war sie freundschaftlich verbunden, er und ihr Vater waren enge Freunde. Aretha sang 1968 bei seiner Beerdigung.

Der "Godfather of Rhythm and Blues", Jerry Wexler, und Aretha Franklin schrieben zusammen Musikgeschichte: Zwischen Februar 1967 und Februar 1968 war Franklin mit sechs Singles in den Top Ten der US-amerikanischen Pop-­Charts und mit drei Alben in den Top Ten der LP­-Charts vertreten, fünf der Singles und zwei der Alben erreichten Gold-­Status.

Die Siebziger: Rückkehr zum Gospel

Franklin sang und spielte auf ihren Alben jeweils eine Mischung aus eigenen und fremden Kompositionen. Sie schien die Grammy-Kategorie als beste R'n'B-Künstlerin gepachtet zu haben. Mit ihrem Live-Album aus der Konzerthalle Fillmore West in San Francisco machte sie sich auch beim Rock'n'Roll-Publikum einen Namen. Aretha Franklin war "Young, Gifted and Black", wie der Titel ihres meist gelobten Albums der Siebziger selbstbewusst erklärte. Damals sagte sie dazu: "Ich glaube, dass die Black Revolution mich und die Mehrheit der Schwarzen zwang, uns selbst genauer zu betrachten. Nicht, dass wir uns vorher geschämt hätten, aber wir fingen nun an, unser natürliches Selbst zu würdigen."

Mit dem Erfolg kam auch die künstlerische Freiheit, Projekte anzugehen, die weniger Profit versprachen. Aretha Franklin nahm 1972 ein Gospel-Album  in der New Temple Missionary Baptist Church in Los Angeles auf. "Es war einfach unglaublich", erinnert sich Arif Mardin, einer ihrer Produzenten: "Einige Lieder haben Aretha so aufgewühlt, dass sie sich hinsetzen und in sich gehen musste." Die magische Stimmung transportierte sich auch auf der Aufnahme: "Amazing Grace" gilt als das beste Gospel-Album aller Zeiten. Die Platte erreichte nicht nur Gold-Status, sie stand auf Platz sieben der Charts - neben den Rolling Stones und Jethro Tull.

Aretha Franklin rockt die Achtziger

George Michael & Aretha Franklin
George Michael und Aretha Franklin 1988Bild: picture-alliance/AP Photo/R. Kozloff

Nach einem Karriereknick ab Mitte der Siebziger, katapultierte sie der Wechsel zum Label Arista wieder in alte Sphären des Erfolgs. Den Umschwung läutete 1980 ihre Filmrolle im Kultfilm "Blues Brothers" ein (siehe Filmausschnitt oben). Im Musik-Olymp kam sie endgültig wieder mit dem Album "Who's Zoomin' Who" an, ihr meistverkauftes Album und ihr erstes, das Platin-Status erreichte. Es hatte einen tanzbaren 80er Jahre-Sound: "Bisher war meine Musik eher an Erwachsene gerichtet. Ich wollte nun etwas machen, was auch Jugendlichen gefällt", so Franklin über das Album. Es zeigt mit den Songs "Freeway of Love", den Duetten "Push" und "Sisters Are Doin' It For Themselves" Franklins rockige Seite.

Es folgte ein wahrer Preisregen, von dem die bemerkenswerteste Auszeichnung wohl die Entscheidung des Staates Michigan war, Franklins Stimme in den Stand einer "natürlichen Ressource" zu heben. Das Duett mit George Michael "I Knew You Were Waiting (For Me)" katapultiere Franklin 1987 wieder an Platz eins der internationalen Hitparaden, genau zwanzig Jahre nach "Respect". Im gleichen Jahr wurde sie als erste Frau in die "Rock and Roll Hall of Fame" aufgenommen.

Die Neunziger: Ausflüge in Hip-Hop und die Oper

Den Ruf, eine Diva zu sein, hatte Aretha Franklin in verschiedenster Weise erworben: Legendäre Scharmützel mit anderen Sängerinnen gehörten genauso dazu wie ihre Abneigung gegen Interviews. Seit Mitte der Achtziger verließ Franklin Detroit nur noch selten, da sie unter extremer Flugangst leidet. Ihre Alben nahm sie seit 1983 alle in Detroit auf und auch ihre Fernsehauftritte wurden meist hier aufgezeichnet. So wurde sie zum Beispiel zu der Live-Performance des Hits "We Are The World" zum gemeinsamen Singen mit Michael Jackson via Satellit zugeschaltet.

Franklin bekam die höchsten Auszeichnungen. Allein 18 Mal erhielt sie einen Grammy, den wichtigsten US-amerikanischen Musikpreis. Bill Clinton überreichte ihr 1994 den Kennedy-Preis für ihr Lebenswerk. Zu ihren unvergesslichen Auftritten gehörte auch ihr Ausflug in die Opernwelt: Bei der Verleihung der 40. Grammy-Awards sprang sie 1998 spontan für den erkrankten Luciano Pavarotti ein, und interpretierte die Puccini-Arie "Nessun dorma". Das Resultat: Standing Ovations und ein begeistertes Publikum. Aber der Experimente nicht genug: Im gleichen Jahr produzierte Lauryn Hill mit Franklin ein Hip-Hop-Album: "A Rose Is Still A Rose" war ein glaubwürdiges Hip-Hop-Album mit der Queen of Soul, das ihr überschwängliche Kritiken einbrachte, unter anderem vom Musikmagazin "Rolling Stone": "Aretha kann die Bude rocken, aber ihre wahre Stärke ist es, Atmosphäre zu erzeugen. Das macht eine Legende aus."

Das neue Millennium: Wird sich die Queen of Soul zur Ruhe setzen?

2004 endete der Vertrag bei Arista und Franklin gab bekannt, dass sie ihr eigenes Label gründen wolle. Doch erst 2011 erschien darauf ihr erstes und einziges Album. Inzwischen wirkte Franklin an mehreren Compilations mit und hatte viele prestigeträchtige Auftritte. Einer davon: ihr Auftritt bei der Amtseinführung von Barack Obama auf den Stufen des Kapitols in Washington 2009. Das Musikmagazin "Rolling Stone" kürte Franklin 2010 zur "besten Sängerin aller Zeiten". Nach gut sechzig Jahren im Musikgeschäft kündigte Franklin kürzlich an, sie wolle sich zur Ruhe setzen. Aber erst, wenn sie das Duett-Album mit Stevie Wonder aufgenommen habe, mit dem sie aktuell in Detroit im Studio ist.