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Armee im Alleingang

Simone Schlindwein26. Februar 2015

Kongos Armee hat jetzt alleine mit den Militäroperationen gegen die FDLR-Rebellen begonnen. Die UN-Mission bleibt außen vor und wird von Präsident Kabila auf ihren Platz verwiesen. Von Simone Schlindwein, Goma.

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Soldaten der FARDC und UN-Blauhelme im Kongo - Foto: Alain Wanimoyi (AFP)
Bild: AFP/Getty Images/A. Wandimoyi

Mit Kampfhubschraubern und schweren Waffen schlug Kongos Armee am Dienstag los: gegen die ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Die Militäroperation unter dem Titel "Sukola2" begann in der Provinz Süd-Kivu auf dem Hochplateau nahe der Kleinstadt Uvira, bestätigt Kongos Armeesprecher General Léon-Richard Kassonga: "Wir haben drei Stellungen erobert, die sie verlassen haben, weil sie unserem Angriff nicht standhalten konnten." Ziel sei es, so Kasonga im DW-Interview, die FDLR auf Kongos Territorium zu zerschlagen. Seit fast 20 Jahren schon treibt die Hutu-Miliz in den dichten Wäldern am Kivusee ihr Unwesen.

FDLR Kämpfer im Ostkongo - Foto: Simone Schlindwein (DW)
FDLR-Kämpfer im Ostkongo: In unzähligen Kriegen in der Region mitgemischtBild: DW/S. Schlindwein

Die ruandische Rebellengruppe hatte sich Mitte der 1990er Jahre in den Flüchtlingslagern im Ostkongo neu formiert. An ihrer Spitze stehen Ex-Offiziere von Ruandas ehemaliger Armee (FAR), die für den Völkermord in Ruanda 1994 mitverantwortlich gemacht wird. Auch Drahtzieher des Genozids tummeln sich in der FDLR-Führungsriege. Ihr Ziel: der Sturz der Tutsi-Regierung von Präsident Paul Kagame in Ruanda. Einst bestand die FDLR aus rund 20.000 Kämpfern. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Miliz in unzähligen Kriegen in der Region mitgemischt und kämpfte dabei zunächst auf Seiten von Kongos Armee gegen Ruanda. Doch 2009 wendete sich das Blatt: Seitdem hat auch Kongos Regierungsarmee immer wieder Operationen gegen die FDLR unternommen, ohne der Miliz ganz den Garaus zu machen. Noch immer gibt es mindestens 1300 bewaffnete FDLR-Kämpfer.

Gemeinsamer Angriffsplan gescheitert

Damit soll jetzt Schluss sein. So hatte es die UN-Mission im Kongo (MONUSCO) vergangenes Jahr beschlossen und im November und Dezember 2014 einen Plan ausgearbeitet, wie die FDLR zu zerschlagen sei. Die MONUSCO war 2013 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit einem robusten Mandat ausgestattet worden, darf also auch bewaffnete Missionen durchführen. Eine 3000 Mann starke spezielle Eingreiftruppe (FIB) wurde samt Kampfhubschraubern und Scharfschützen in den Dschungel entsandt, um die FDLR und die anderen über 40 Einzelmilizen gewaltsam zu entwaffnen. Im November 2013 besiegte die FIB die Tutsi-Rebellen der M23 ("Bewegung des 23. März") in einer gemeinsamen Operation mit Kongos Armee (FARDC). Dann ging es zu Beginn 2014 gegen die ugandischen Rebellen der ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte) - und Anfang 2015 sollte die Operation gegen die FDLR beginnen. So zumindest der Plan. Doch jetzt kommt doch alles ganz anders.

Karte DR Kongo / Ruanda - DW-Grafik

Verabredet war ein gemeinsames Vorgehen von Kongos Armee und der UN-Eingreiftruppe: Kampfhandlungen Schulter an Schulter, koordinierte Befehle, gemeinsame Taktik. Die UNO sollte auch der Armee Logistik und Lebensmittelrationen zur Verfügung stellen. Der FARDC-Stab hatte der MONUSCO zwei Generäle zur Seite gestellt, um den Plan mit auszuarbeiten. Im Januar sollte es losgehen, hatte die MONUSCO-Führung angekündigt. Es fehlte nur noch die Unterschrift von Kongos Präsident Joseph Kabila.

MONUSCO-Chef Martin Kobler - Foto: Michael Kappeler (dpa)
MONUSCO-Chef Kobler: Robustes MandatBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Doch Kabila warf kurzerhand den Plan über den Haufen. FARDC-Stabschef Didier Etumba kam Anfang Februar in den Ostkongo, um einen eigenen Operationsplan der Armee vorzustellen. Die beiden Generäle, die den gemeinsamen Plan mit der MONUSCO ausgearbeitet hatten, wurden abgezogen und durch zwei andere ersetzt. Ein Wechsel, der bei der MONUSCO für Fassungslosigkeit sorgte. Die neuen Generäle stehen nämlich unter Verdacht, an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen zu sein. Und mit solchen "Partnern" darf die MONUSCO nicht zusammenarbeiten, so die Vorschrift des UN-Sicherheitsrats.

MONUSCO-Chef Martin Kobler gab Kongos Regierung zwei Wochen Zeit, die Generäle erneut auszutauschen. Solange sollte die Zusammenarbeit mit der FARDC "pausieren". Doch damit fühlte sich Präsident Kabila in seiner Souveränität verletzt. Er zitierte Kobler und weitere Botschafter zu sich und erklärte klipp und klar: Seine Armee werde die Operationen ohne Hilfe der UN-Blauhelme durchziehen. Ein klares Signal, wer im Kongo das Sagen hat.

Suche nach einem Ausweg

Wie es nun weitergeht, das ist noch offen. In den Hinterzimmern der Macht wird derzeit nach einer politischen Lösung aus der verfahrenen Situation gesucht, heißt es aus UN-Kreisen. Dabei geht es nicht nur um die Militäroperationen, sondern auch um den gewaltigen Druck, den die Internationale Gemeinschaft aufgebaut hat: Allen voran die USA und die europäischen Partnerländer wollen Präsident Kabila davon abbringen, eine dritte Amtszeit anzustreben.

Kongos Präsident Joseph Kabila Kabange - Foto: Michael Kappeler (dpa)
Präsident Kabila: Klares Signal, wer im Kongo das Sagen hatBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

2016 stehen Wahlen an und Kabila darf laut Verfassung nicht wieder antreten. Eventuell will er das aber doch. Die Debatte um die Amtszeit ist also ein weiterer Schauplatz, auf welchem sich die Lage ebenfalls zuspitzt.

Wohl auch um ein Zeichen an MONUSCO zu senden, hat die FARDC nun in Süd-Kivu erste Raketen gegen FDLR-Stellungen abgefeuert. Ein kleines Scharmützel, um sich den Weg durch die Berge freizuschießen. In der Provinz Nord-Kivu, wo sich das Hauptquartier der FDLR befindet, werden derzeit Soldaten in Stellung gebracht. Man sieht Armeelastwagen an Tankstellen Diesel zapfen. Anscheinend haben die Truppen aus ihrem eigenen Etat Geld erhalten. Ursprünglich war ja einmal vorgesehen, dass die MONUSCO in gemeinsamen Operationen der FARDC Kongos Einheiten mit Benzin und Lebensmittelrationen ausstattet.

Ob dies nun das Ende der Zusammenarbeit ist oder nur eine Hürde im politischen Manöver, das bleibt noch offen. Keine der beiden Seiten will sich derzeit öffentlich dazu äußern. Es scheint, als sei die finale Entscheidung noch nicht getroffen.