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Armutszeugnis der Regierung

Kay-Alexander Scholz (mit dpa)6. März 2013

Bundesarbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen stellt in Berlin den neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vor. Opposition und Gewerkschaften kritisieren Schönfärberei, die FDP weist das zurück.

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Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (Foto: dapd)
Wirtschaftsministerium lehnt von der Leyens Armutsbericht abBild: dapd

Der FDP-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bezeichnete die Kritik am Bericht über die soziale Lage in Deutschland, den sogenannten Armuts- und Reichtumsbericht, als "absolutes Wahlkampfgetöse". Deutschland gehe es so gut wie nie und sei Wachstumsmotor für ganz Europa und die Welt. Auch FDP-Generalsekretär Patrick Döring sprach von "parteitaktischem Schauspiel". Der Armutsbericht zeige "auf Grundlage von Fakten, wie gut die Lage in Deutschland wirklich ist".

Rösler war im Vorfeld der Veröffentlichung des Berichts auch selbst in die Kritik geraten. Auf seine Intervention hin waren kritische Bemerkungen etwa zur Vermögensverteilung und zu Niedriglöhnen aus der ersten Fassung des Berichts des Bundesarbeitsministeriums gestrichen worden. Dazu gehörte der Satz: "Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt."

"Zensur, Verschleierung und frisierten Berichte"

Die Überarbeitung eines solchen Berichts im Rahmen einer sogenannten Ressortabstimmung an sich ist zwar normal, die Opposition aber bekam im vergangenen Herbst Wind davon, wie einseitig der Entwurf von Frau von der Leyen verändert werden sollte. Das führte zu heftigen Diskussionen auch im Deutschen Bundestag. Vertreter der Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linken sprachen von "Zensur, Verschleierung und frisierten Berichten". Andere Organisationen stellten eigene Armutsberichte vor, die ein sehr viel differenzierteres Bild zeichneten.

Hintergrund der Intervention des Wirtschaftsministers dürfte auch sein, dass damit eine mögliche Diskussion um eine höhere Besteuerung der oberen Einkommen und der Unternehmen verhindert werden soll. Aus dem Arbeitgeberlager gab es Warnungen, derartige Steuern würden die wirtschaftliche Entwicklung belasten.

Grüne: Experten sollen Bericht erstellen

Grünen-Chef Cem Özdemir erneuerte die Kritik seiner Partei an dem Vorgehen: "Frisieren von Berichten, damit sie vor der Wahl geschmeidiger sind, das macht man einfach nicht." Falsche Analysen hätten falsche Schlussfolgerungen zur Konsequenz. Özdemir regte an, den Bericht zukünftig von unabhängigen Experten erstellen zu lassen. Dann hätte man keinen so "unwürdigen Streit".

Auch vom Deutschen Gewerkschafsbund (DGB) gibt es deutliche Kritik. "Der Armutsbericht ist ein Armutszeugnis der Bundesregierung", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Obwohl die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen sei, gebe es mehr Armut in Deutschland, kritisierte Buntenbach. Darin zeige sich, "dass die neoliberale Politik nach der Devise 'Sozial ist, was Arbeit
schafft' gescheitert ist". Wenn die oberen Zehntausend die Hälfte des gesellschaftlichen Reichtums horteten, die Mittelschicht aber wegbröckele und ein Viertel der Beschäftigten zu Niedriglöhnen arbeiten müsse, verletzte dies das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen.