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ASEAN zwischen Peking und Washington

Rodion Ebbighausen11. Juni 2014

Südostasien ist eine wirtschaftliche und strategische Schlüsselregion für die Volksrepublik China und die USA. Wachsende Spannungen drohen die Staatengemeinschaft zu zerreißen.

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US-Präsident Obama und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Mit China haben die USA einen neuen weltpolitischen Rivalen gefunden. Nirgends wird das angespannte Verhältnis beider Länder deutlicher als in Südostasien. Die in den internationalen Medien oftmals wenig beachtete Region zählt etwa 600 Millionen Einwohner und gehört zu den dynamischsten Wirtschaftsräumen der Welt. Durch Südostasien verlaufen viel befahrene Schifffahrtsrouten, die China und Japan mit dem Öl am persischen Golf und den Märkten in Afrika und Europa verbinden.

Südostasien ist politisch und kulturell sehr heterogen. Einige Länder wie etwa Kambodscha, Vietnam und Myanmar stehen China traditionell näher. Dagegen pflegen die Philippinen und Thailand enge Verbindungen zu den USA. Damit geht mitten durch die Staatengemeinschaft des Verbandes südostasiatischer Nationen (ASEAN) ein Riss. Die ASEAN umfasst alle zehn Länder Südostasiens und soll in den nächsten Jahren nach Vorbild der Europäischen Union eine wirtschaftliche, kulturelle, aber auch sicherheitspolitische Gemeinschaft werden.

Engagement der USA

Die Rivalität zwischen China und den USA wurde offenkundig, als die Obama-Administration 2012 eine Neuausrichtung der US-amerikanischen Außenpolitik mit Schwerpunkt auf die Asien-Pazifik Region verkündete. Die Begriffe 'pivot' und 'rebalance' stehen für diese Politik. Marvin Ott und Kenneth Ngo, Sicherheitsexperten am Wodrow Wilson Zentrum in Washington sind der Ansicht, dass sich die Interessen der USA und die der ASEAN-Staaten überschneiden, wenn es um Stabilität, Wohlstand, Autonomie und Zugänglichkeit geht.

Das amerikanische Kriegsschiff "Vincennes" (Foto: US Marine Corps)
Die US-Marine zeigt Präsenz im Südchinesischen MeerBild: U.S. Marine Corps

Dennoch reagierte die ASEAN auf die Hinwendung der USA nach Südostasien eher zurückhaltend. Singapurs damaliger Außenminister betonte, dass man vermeiden wolle, zwischen die konkurrierenden Interessen der Großmächte zu geraten.

Das wiedererwachte Interesse der USA an der Region war und ist den Chinesen ein Dorn im Auge, so der Sinologe Andreas Seifert von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen. "In der Wahrnehmung Chinas nimmt die Bedrohung durch die USA aus dem Süden zu. Denn manche ASEAN-Staaten bemühen sich pro-aktiv um ein Engagement Washingtons. Auf der anderen Seite drängen auch die USA in die Region. Das fasst China als Umzingelung auf."

Chinas Außenpolitik

Der Streit um Territorien zwischen China und den Anrainerstaaten der Südchinesischen See macht die Rivalität besonders deutlich. China fühle sich bei den Territorialkonflikten mit seinen Nachbarn oft missverstanden, so Seifert. "Aus ihrer Sicht gehen die Chinesen davon aus, dass sie unter anderem im Südchinesischen Meer friedlich auftreten." China könne nicht akzeptieren, dass die Überwachung der Region durch die Amerikaner hingenommen, durch die Chinesen dagegen verurteilt wird. "Sobald China so handelt, wie es die USA für sich in Anspruch nimmt, kommt es zu massiver Kritik." Auf die Volksrepublik wirke auch befremdend, dass die USA auf die Einhaltung des Seerechtsübereinkommens der UN dränge, obwohl sie es selbst nicht unterzeichnet haben.

Anfang Mai verlegte China eine Ölbohrplattform vor eine Inselgruppe im Südchinesischen Meer, auf die sowohl China als auch Vietnam Ansprüche erheben. Dies stieß im Westen auf massive Kritik und führte in Vietnam zu gewaltsamen anti-chinesischen Protesten. Seifert vermutet, dass China mit solchen Aktionen Fakten schaffen will: "Vielleicht nutzt China die Zeitspanne, die noch bleibt, bis die Aufrüstung in Südostasien greift, und bevor sich die USA allzu sehr in der Region einsetzen, um seine Claims abzusichern." Andere Experten deuten die Positionierung der Ölbohrinsel darüber hinaus als Signal an die USA und die ASEAN. China will nicht nur zeigen, wozu es in der Lage ist, sondern auch, dass die USA nichts dagegen unternehmen kann.

Chinesische Ölplattform im Südchinesischen Meer, nahe der Paracel-Inseln, die auch von Vietnam beansprucht werden (Foto: picture alliance/dpa)
Chinas Ölplattform im Südchinesischen Meer hat in Vietnam zu heftigen Protesten geführtBild: picture-alliance/dpa

Wirtschaftliche Verstrickungen

Neben der militärischen setzt China vor allem auf die wirtschaftliche Karte. Peking kenne seinen Wert, so Seifert: "Die ASEAN-Staaten brauchen China, denn China investiert sehr viel in die ASEAN-Länder." Sie dienen Peking zurzeit vor allem als Rohstofflieferanten und Absatzmärkte - was ihnen zunehmend bewusster wird. "Kurzfristig können die ASEAN- Staaten von China profitieren, langfristig ist das schon schwieriger."

Doch im Grunde glaube China nicht an den Zusammenhalt der ASEAN, sagt Seifert. "Die Interessenlagen der einzelnen Länder sind so verschieden, dass eine gemeinsame Linie nicht erkennbar ist." Als Beispiel mag erneut der aktuelle Streit um die Bohrinsel dienen. Auf dem ASEAN-Gipfel vom Mai 2014 in Myanmars Hauptstadt Naypitaw forderten Vietnam und die Philippinen eine scharfe Verurteilung Chinas. In der Abschlusserklärung wurden zwar die Souveränitätsrechte betont, allerdings wurde China nicht namentlich erwähnt.

Interessen der ASEAN-Staaten

Den ASEAN-Staaten muss vor allem aufgrund der weitgehenden wirtschaftlichen Verflechtungen ein schwieriger Balanceakt gelingen, so Südostasienexperte Carl Thayer, emeritierter Professor der australischen Universität von New South Wales. "Insofern wird die ASEAN eine mittlere Position zwischen China, den USA und ihren Verbündeten halten." Zugleich betonte er, dass das Gleichgewicht bei einer Eskalation der andauernden Krise im Südchinesischen Meer jederzeit zerstört werden könnte.

Gruppenbild ASEAN-Gipfel 2014 (Foto: picture alliance/dpa)
"Die ASEAN-Staaten erwartet ein schwieriger Balanceakt"Bild: picture-alliance/dpa