Europa im APEC-Schatten
13. November 2011Eigentlich soll es hier in Honolulu nur um asiatisch-pazifische Wirtschaftsbeziehungen gehen, aber die Finanzkrise in Europa lässt sich nicht so einfach ignorieren. "Ich sorge mich jeden Tag um die mögliche Lösung für die europäische Schuldenkrise", sagte Doug Oberhelman, Vorstandsvorsitzender des großen amerikanischen Baumaschinenherstellers Caterpillar. Doch beeinträchtigt hat die Krise seine Firma bisher kaum. Oberhelman sieht der Zukunft zuversichtlich entgegen. Der Grund: "unsere Fähigkeit, erfolgreiche Geschäfte zu machen, ganz egal unter welchen Umständen."
Seit Anfang 2010 hat Caterpillar weltweit 30.000 Jobs geschaffen, 12.000 davon innerhalb der USA. Und die Expansion geht weiter: investiert und ausgebaut wird in Indonesien, Japan, Thailand und Indien. Und auch in Nordamerika entsteht eine neue Fabrik für kleinere Baumaschinen. 2011 erwartet man Rekordumsätze.
Augen auf China gerichtet
Auch China gibt sich unberührt. "Die Auswirkungen der europäischen Krise sind gering", sagt Xiao Gang, Präsident der Bank von China. Seine Bank halte nur einen kleinen Anteil von staatlichen Schuldverschreibungen aus Europa. Und keine aus Spanien oder Griechenland. Ähnliches gelte auch für andere Banken in seinem Land. Von einer möglichen Folge der Finanzkrise könne China sogar profitieren: Wenn europäische Banken ihr Kapital aus dem asiatisch-pazifischen Raum abziehen, dann ist das "eine gute Gelegenheit für chinesische Banken, ihr Geschäft auszuweiten", so Xiao Gang.
China steht hier auf dem APEC-Treffen in Honolulu unter Druck. US-Präsident Barack Obama forderte die Chinesen am Samstag (12.11.2011) auf einer Veranstaltung des begleitenden Unternehmer-Gipfels auf, "sich an die Regeln zu halten". Als Beispiel nannte er Chinas Währung, die allgemein als unterbewertet gilt. "Das muss sich ändern", sagte Obama, sonst würden die USA eigene Maßnahmen ergreifen. Der US-Präsident ergänzte in Bezug auf Patentrechte: "Es ist nicht akzeptabel, dass wir in einem großen Markt wie China nicht den notwendigen Schutz bekommen." Xiao Gang wollte darauf nicht direkt eingehen, erklärte aber, dass sich China im Wandel befinde - "von Produkten 'made in China' zu Produkten, die in China entwickelt wurden". Auch das Bankensystem würde sich auf längere Sicht den veränderten globalen Gegebenheiten anpassen.
Wachstum im asiatischen Raum zu Lasten Europas
Nach Ansicht von John Chen, Präsident der Softwarefirma Sybase, einer Tochter des deutschen Unternehmens SAP, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Chinesen ein Interesse daran haben, dass ihre Währung sich frei im Markt bewegt und der Schutz geistigen Eigentums gestärkt wird. "Die chinesische Währung wird stärker werden, es ist nur eine Frage, wie schnell", erklärte Chen im Interview mit DW-WORLD.DE. In den letzten fünf Jahren hätte der Yen bereits fast um ein Drittel zugelegt, führt er aus. Und früher oder später müssten sich auch die Chinesen ins System integrieren, besonders, "wenn sie im Ausland weiter investieren wollen."
Auch in der Frage des Schutzes von geistigem Eigentum erwartet Chen einen Wandel: "China arbeitet intensiv daran, selbst Patente anzumelden, deswegen werden sie auch ein Interesse daran haben, ihr geistiges Eigentum zu schützen." Auch dies, so Chen, sei nur eine Frage der Zeit. Trotzdem müsse der Westen aber seinen Druck auf China aufrecht erhalten. Sybase wickelt derzeit die Hälfte seines Geschäfts in den USA ab, 35 Prozent entfallen auf Europa und Nahost, der Rest auf den asiatisch-pazifischen Raum. Und letzterer legt zu: Das Geschäft in China sei in den letzten Jahren über 25 Prozent gewachsen, so Chen. In drei bis vier Jahren erwartet er eine Umverteilung zu Gunsten des asiatischen Marktes, und in den nächsten zehn bis 20 Jahren "ist die APEC der Ort des Wachstums". Verlierer wären dann, wenn auch nur von wenigen Prozentpunkten: die Europäer.
Europa diskutiert – China handelt
Auch wenn China wegen seiner Währungspolitik gescholten wird – als Geschäftspartner ist es dennoch sehr gefragt. Die Firma Tethys Petroleum liefert derzeit aus Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan Gas über Leitungen der russischen Firma Gazprom nach Europa. Da dies die einzige Exportroute ist, könne Gazprom den Preis bestimmen. Das könnte sich bald ändern, erläutert Firmenpräsident David Robson im Gespräch mit DW-WORLD.DE. "In 2013 wird es eine neue Pipeline geben, die unsere Bohrfelder mit China verbindet." Dann habe man die Wahl, "und dann kommt es auf den besten Preis an", den man mit dem Gas erzielen könne. Vermutlich, so Robson, werde man sich zwischen dem einen oder anderen Markt entscheiden.
Die Europäer können nur konkurrenzfähig bleiben, würden sie die lange geplante Nabucco-Pipeline bauen, die auf einer südlicheren Route über die Türkei nach Westen führt. Aber danach sehe es derzeit nicht aus: "Wir sprechen über Nabucco, seit ich zur Schule gegangen bin", erläutert Robson nur halb im Scherz, "ich weiß nicht, wann das umgesetzt werden wird." Gleichzeitig gibt es auch Interesse an dem zentralasiatischen Gas von Seiten Indiens und Pakistans, hier soll 2016 eine Pipeline fertig gebaut sein.
Die Konkurrenz für Europa ist also beträchtlich, auch wenn sich China für einen möglichen Gasimport, so erklärt Robson, in Bezug auf den Abbau von Handelsschranken noch bewegen müsse. Die Europäer wiederum müssten sich aber ebenfalls anstrengen, wenn sie weiter das Gas aus Zentralasien beziehen wollten. Bisher habe der politische Wille gefehlt, die Nabucco-Pipeline Wirklichkeit werden zu lassen. Denn anders als China, das seine Ziele zügig umsetze, gebe es in Europa "viele Diskussionen, aber dann passiert doch nichts".
Russland rückt WTO-Aufnahme näher
Auch die Russen sind sehr an wirtschaftlichen Beziehungen mit China interessiert. Erst vor Kurzem wurde ein russisch-chinesischer Investmentfond im Umfang von vier Milliarden Dollar gegründet. Kirill Dmitriev, Geschäftsführer des beteiligten russischen Direkt-Investmentfonds, sieht aber auch Synergien mit Asien und Europa. "Russland", sagte er, "kann bei der Überwindung der derzeitigen Krise in Europa helfen".
Die Russen haben Grund zum Freuen, sind sie doch der Aufnahme in die Welthandelsorganisation ein großes Stück näher gerückt. Es sehe so aus, als ob alle offenen Fragen geklärt werden konnten, so Dmitriev. Der nächste APEC-Gipfel findet 2012 in Wladiwostok statt, und dann könnte die Aufnahme Russlands in die WTO unterzeichnet werden. Russland werde dadurch den internationalen Standards wesentlich näher kommen, erklärte der russische Präsident Dmitri Medwedew in Honolulu.
Transpazifische Partnerschaft beschlossen
Bereits abgemacht wurde in Honolulu die Gründung einer transpazifischen Partnerschaft (TPP), die eine Freihandelszone zwischen den USA, Australien, Brunei, Chile, Malaysia, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam vorsieht. "Viele Details sind noch auszuarbeiten, aber wir sind zuversichtlich, dass wir es hinkriegen", sagte US-Präsident Barack Obama auf Hawaii. Hürden für Handel und Investitionen sollen so verringert, die Exporte angekurbelt und dadurch auch mehr Arbeitsplätze in den USA geschaffen werden. Auch Japan hat angekündigt, die Aufnahme in die TPP anzustreben.
Hier in Hawaii ist also nicht nur offensichtlich, dass der asiatische Markt boomt, er ist auch klar, dass sich die außenpolitischen Prioritäten der USA verschieben. Außenministerin Hillary Clinton hatte bereits am Freitag in einer Rede erklärt: Die Kriege in Irak und Afghanistan nähern sich dem Ende, die Ära des Handels beginnt. Und Asien steht dabei im Zentrum.
Autorin: Christina Bergmann, z.Zt. Honolulu, Hawaii
Redaktion: Michael Borgers