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"Friedensvertrag Voraussetzung für Demilitarisierung"

Marcus Lütticke12. August 2014

Für einen dauerhaften Waffenstillstand im Gazakrieg fordert Israel, die Hamas zu entwaffnen. Warum sich das in der aktuellen Lage kaum umsetzen lässt, erläutert Muriel Asseburg im DW-Gespräch.

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Zerstörte Häuser im Gazastreifen (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

DW: Israel und die Hamas haben sich erneut auf eine dreitägige Waffenruhe geeinigt. In Kairo werden die indirekten Verhandlungen unter ägyptischer Leitung nun fortgesetzt. Wie weit liegen die Positionen von Israel und den Palästinensern auseinander?

Asseburg: Hamas hat großes Interesse daran, konkrete Errungenschaften aus einem solchen Waffenstillstand mitzubringen. Israel möchte genau das verhindern. Dies ist ein grundsätzliches Problem, das es schwierig macht, sich auf die Substanz der Verhandlungen einzulassen. Auch inhaltlich sind beide Parteien sehr weit auseinander. Es gibt einige Forderungen, bei denen Israel signalisiert hat, Zugeständnisse zu machen, etwa Transferzahlungen zuzulassen, damit die Gehälter der Regierungsangestellten in Gaza ausgezahlt werden können, oder einen Wiederaufbau zu ermöglichen. Die Blockade des Gazastreifens zu lockern, um die Verbindung zwischen Gazastreifen und Westbank wiederherzustellen, dazu zeigt sich Israel jedoch nicht bereit.

Israel macht die Entwaffnung der Kassam-Brigaden und eine Demilitarisierung des Gazastreifens zur Bedingung für einen dauerhaften Waffenstillstand. Kann sich die Hamas auf eine solche Forderung ohne Gesichtsverlust einlassen?

Nein. Eine Entwaffnung der Kassam-Brigaden und eine Wiederzusammenführung des palästinensischen Sicherheitsapparates ist nur vorstellbar, wenn es eine innerpalästinensische Einigung in dieser Hinsicht gibt. Eine Demilitarisierung des Gazastreifens wird es nur im Rahmen eines Friedensvertrages zwischen Israel und den Palästinensern geben, einem Friedensvertrag, der auch die Besatzung beendet. Ohne ihn wird es keine Einigung in dieser Frage geben.

Muriel Asseburg (Foto: privat)
Muriel AsseburgBild: picture alliance/dpa

Welchen Einfluss hat die politische Führung der Hamas auf die Kassam-Brigaden und andere bewaffnete Kräfte im Gazastreifen?

In Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen steigt der Einfluss des militärischen Arms, der der politischen Führung geht zurück. Letztlich ist es aber doch die politische Führung, die die Vorgaben macht. Die Fragmentierung ist auch nicht so groß, wie derzeit in manchen Medien spekuliert wird. So sieht man eine enge Abstimmung zwischen denjenigen, die in Kairo verhandeln und der Hamas-Führung im Exil, insbesondere Khaled Meschaal. In den vergangenen Tagen haben kleinere Gruppierungen Raketen auf Israel abgeschossen. Das hat die Hamas geduldet, um den Druck aufrechtzuerhalten. Es hat sich aber in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass die politische Führung der Hamas einen Waffenstillstand gegenüber den militanten Gruppen durchsetzen kann.

Schafft Israel durch die Blockade des Gazastreifens und die dadurch resultierende Armut nicht selbst den Nährboden für Gewaltbereitschaft und Radikalisierung?

Die Radikalisierung erfolgt vor allem durch die massiven Bombardierungen und die sehr weitgehenden Zerstörungen, durch die viele Menschen Angehörige, Freunde und all ihr Habe verloren haben. Aber natürlich trägt dazu auch die Besatzung und die Blockade des Gazastreifens ganz erheblich bei. Vor der Blockade gab es in Gaza viele kleine Unternehmen, die vor allem für den regionalen Markt und die Westbank produziert haben. Die Blockade hat all das zunichte gemacht. Dadurch ist die Bevölkerung in hohem Maße abhängig von Geberleistungen und von der Hamas geworden.

Aus Israel gibt es die Forderung, Deutschland solle eine Mission anführen, die den Handel der Palästinenser kontrolliert und die Einfuhr neuer Waffen nach Gaza verhindert. Gleichzeitig gibt es wohl schon länger Planungen, Soldaten der Bundeswehr in Israel für den Häuser- und Tunnelkampf ausbilden zu lassen, um sie auf weltweite Anti-Terror-Einsätze vorzubereiten. Kann Deutschland so eine neutrale Rolle im Gaza-Konflikt einnehmen?

Deutschland ist nicht neutral. Dennoch hat Deutschland auf beiden Seiten ein gutes Standing. Das ist wichtig. Deutschland könnte also durchaus eine Vermittlerrolle einnehmen. Allerdings haben Deutschland und seine Partner keine Kontakte zur Hamas. Sie können deshalb nur beschränkt Einfluss haben - etwa über die palästinensische Einheitsregierung, die im Juni etabliert worden ist. Was eine deutsche Rolle im Rahmen einer Mission angeht: Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens habe ja gerade vorgeschlagen, eine neue europäische Mission einzurichten, die den Grenzverkehr beobachtet und so auch dazu beiträgt, Waffenschmuggel zu verhindern. In der Vergangenheit hat Deutschland die EUBAM Rafah (die Europäische Grenzhilfemission am Übergang Rafah, Anm. d. Red.) auch mitgetragen.

Was dem tatsächlich entgegensteht, ist der Punkt, auf den Sie hingewiesen haben, nämlich eine enge militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel, bei der deutsche Soldaten von den Erfahrungen der Besatzungsmacht lernen. Das könnte das Leben von Beobachtern einer solchen Mission gefährden. Angesichts der vielen zivilen Opfer im israelischen "Anti-Terro-Einsatz" in Gaza kann man über Inhalt und Zeitpunkt der Bekanntgabe solcher Pläne nur den Kopf schütteln - wenn denn die entsprechenden Presseberichte stimmen.

(Anm. d. Red.: Der Inspekteur des Heeres, Bruno Kasdorf, informierte am 11. Juni 2014 den Verteidigungsausschuss des Bundestages darüber, dass Israel deutsche Soldaten im Häuser- und Tunnelkampf ausbilden soll. Weniger Tage zuvor, am 8. Juli, hatte die israelische Militäroffensive im Gazastreifen begonnen. Das berichtete die "Welt am Sonntag" am 10.08.2014.)

Dr. Muriel Asseburg gehört zur Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Die Palästinensischen Gebiete sind einer ihrer Arbeitsschwerpunkte.

Die Fragen stellte Marcus Lütticke.