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Kein Kindergeburtstag

Catrin Möderler14. November 2007

Pippi Langstrumpf, Kalle Blomquist und Ronja Räubertochter sind weltbekannt. Ihre Schöpferin Astrid Lindgren war schon zu Lebzeiten eine Legende der Kinderbuchliteratur. Am 14.November wäre sie 100 Jahre alt geworden.

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Astrid Lindgren im Alter von 94 Jahren
Schriftstellerin Astrid Lindgren im Alter von 94 JahrenBild: AP

"Ich finde, dass Phantasie notwendig ist. Und glücklicherweise gibt es ja noch Menschen mit Phantasie." Die Phantasie der Menschen, vor allem der kleinen, hat Astrid Lindgren ihr Leben lang beflügelt. Mit Geschichten, mal spannend, mal rührend, mal traurig, mal übermütig, schrieb sie sich in die Herzen der Kinder aller Welt. Ihre kleinen Helden aus "Die Kinder von Bullerbü"‚ "Carlsson auf dem Dach", "Michel in der Suppenschüssel", "Kalle Blomquist", und vor allem natürlich "Pippi Langstrumpf" waren frech und lebendig - anders als die braven Figuren, die die Kinderliteratur bis dahin geprägt hatten.

Alle kennen Pippi

Der Affe Herr Nielson sitzt auf Pippi Langstrumpfs Schulter
Kinderheldin Pippi mit ihrem Affen Herr NielsonBild: picture-alliance/dpa

Pippi Langstrumpf, der anarchische Rotschopf, ist Astrid Lindgrens berühmteste Schöpfung. Das Mädchen, das stärker ist als der stärkste Mann, alleine in der Villa Kunterbunt lebt und tut, was ihr gefällt, begeistert seit 1945 die Kinder auf aller Welt. Vor allem im Nachkriegs-Deutschland hat diese Figur neue nicht-autoritäre Werte verkörpert. Und das lange bevor die 68iger die alten Autoritäten in Frage stellten.

Schon als 19-Jährige veröffentlichte Astrid Lindgren - meist unter Pseudonymen - kleine Erzählungen in Zeitschriften. Mit Pippi Langstrumpf gelang der Verlagssekretärin der Durchbruch als Schriftstellerin - und das innerhalb kurzer Zeit auch international. Noch heute gehört Pippi mit 7 Millionen Exemplaren zu den bestverkauften Büchern in Deutschland. Und weltweit sollen - so ihr deutscher Verlag Oetinger - 145 Millionen Lindgren-Bücher auf dem Markt sein.

Respekt vor den Kindern

Lindgrens Botschaft, wie sie sie auch in ihrer Dankesrede für den Friedenspreis des deutschen Buchhandels 1978 in Frankfurt erläutert hat, wurde verstanden: Respekt vor Kindern in Freiheit und Geborgenheit.

Ronja Räubertochter und ihr Freund Birk lachen in die Kamera
Sanna Zetterberg als Ronja und Dan Hafström als ihr Freund Birk ihn dem schwedischen Film "Ronja Räubertochter" nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Astrid LindgrenBild: picture-alliance/dpa

"Freie und unautoritäre Erziehung bedeutet nicht, dass man die Kinder sich selbst überlässt. Verhaltensnormen brauchen wir alle, Kinder und Erwachsene, und durch das Beispiel ihrer Eltern lernen die Kinder mehr, als durch irgendwelche anderen Methoden", so Lindgren über ihre Vorstellung von Erziehung.

Lindgren selber lernte durch die heitere Atmosphäre und die liebevolle, elterliche Zuwendung im heimischen Vimmerby in Schweden. Erinnerungen an ihre eigene, glückliche Kindheit auf dem Bauernhof spiegeln sich in vielen ihrer Geschichten wieder.

Aber nicht nur die heile Welt ist es, die Astrid Lindgrens Kinderbücher so unwiderstehlich macht. Auch ernste Themen, wie Not, Gewalt und Tod sparte sie nicht aus. Sie verstand, in Geschichten wie "Die Brüder Löwenherz" oder "Mio mein Mio", durch ihren sensiblen Umgang mit den dunklen Seiten des Lebens die Herzen ihrer kleinen Leser zu rühren, ohne sie zu verstören.

Beliebteste Schwedin des Jahrhunderts

"Die jetzt Kinder sind, sind es, die über Krieg und Frieden bestimmen werden und darüber, in was für einer Gesellschaft sie leben wollen. In einer, wo die Gewalt nur ständig weiter wächst, oder in einer, wo die Menschen in Frieden und Eintracht miteinander leben."

Astrid Lindgrens lebenslange Botschaft von Frieden und Miteinander wurde honoriert. Sie erhielt viele Preise - nur den Literaturnobelpreis nicht, obwohl sie mehrfach dafür im Gespräch war. Sie wäre die erste Kinderbuchautorin gewesen und hätte ihn verdient, wie viele aus dem Literaturbetrieb gerade in diesen Jubiläumstagen wieder betonen.

Gebraucht freilich hat sie ihn nicht: ihre Landsleute wählten sie im Februar 1999 zur beliebtesten Schwedin des Jahrhunderts. Und die Kämpferin für Kinder und Tiere hat auch in der Politik etwas bewirkt: dank ihr gab es ein neues Tierschutzgesetz. Und nur ein Jahr, nachdem sie 1978 in Frankfurt ihre berühmte Rede "Niemals Gewalt" gehalten hat, erließ Schweden als erstes Land der Welt ein Gesetz, das verbot, Kinder körperlich zu züchtigen.

In einer Dankesrede für den Friedenspreises des deutschen Buchhandels erzählte sie die Geschichte von dem kleinen Jungen, der selber den Stock suchen soll, mit dem ihn die Mutter bestrafen will. Als er keinen findet legt er ihr stattdessen weinend einen Stein hin und rät ihr damit nach ihm zu werfen. Und plötzlich sah die Mutter alles mit den Augen eines Kindes. "Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche und dort blieb er liegen, als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selber gegeben hatte: Niemals Gewalt!"