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Astronomische Herausforderungen

Christopher Dies24. Juli 2014

Yuri Kovalev jagt Schwarze Löcher. In seiner russischen Heimat wurde der Astronom für seine Forschungsergebnisse schon ausgezeichnet. Seine Zeit am Max-Planck-Institut in Bonn prägt ihn bis heute.

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Yuri Kovalev mit Teleskop (Foto: privat)
Bild: DW/C. Dies

Auch vier Jahre nach seinem Humboldt-Stipendium ist Yuri Kovalev bei den Bonner Kollegen ein gern gesehener Gast. Regelmäßig kehrt der in Moskau lebende Radioastronom in die ehemalige deutsche Hauptstadt zurück. "Ich bin dort stets willkommen, und es steht immer ein Arbeitsplatz für mich bereit", freut er sich.

Heute arbeitet der 40-Jährige am Lebedev-Physik-Institut in Moskau – Russlands größtem Forschungszentrum für Astronomie. Etliche Nobelpreisträger hat es schon hervorgebracht. Hier setzt Yuri Kovalev die Arbeit fort, die er in Bonn zusammen mit einem internationalem Wissenschaftlerteam begonnen hat: Er erforscht sogenannte "Radiojets". Diese von Schwarzen Löchern ausgehenden Energieströme bewegen sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit durch die Galaxien. Bis heute ist nicht genau geklärt, wie die winzige Materie es schafft, der Anziehungskraft eines Schwarzen Lochs zu entfliehen und aus der Galaxie geschleudert zu werden. Diesem Geheimnis will Yuri Kovalev auf die Spur kommen.

Für Deutschland entschieden

Seinen PhD machte der Astronom im Jahr 2000. Damals zog er mit Frau und Kindern in die USA, um dort drei Jahre lang zu arbeiten. Doch die große Entfernung zur Heimat und den Eltern belastete die junge Familie zunehmend. Er hatte die Wahl: zurück nach Russland oder sich in Deutschland für ein Stipendium bewerben. "In der Astronomie gibt es nur wenige Orte auf der Welt, die Forschung auf höchstmöglichem Niveau ermöglichen. Dazu zählt das Institut in Bonn", erzählt er. "Also bewarb ich mich, und die Humboldt-Stiftung akzeptierte mich."

Yuri Kovalev mit seinen Kindern (Foto: privat)
Familie Kovalev macht gern Spaziergänge am RheinBild: privat

Vom Anfang an war für Yuri Kovalev klar: Die Familie kommt mit nach Deutschland. "Für meine Kinder war die Zeit besonders wichtig. So hatten sie die Chance, früh andere Kulturen kennenzulernen." Mit seiner Frau und den heute 9- und 11-jährigen Kindern zog er nach Bad Godesberg, südlich von Bonn. Der Start gestaltete sich holprig. Erneut ein neues Land, eine neue Sprache. Und die Suche nach einem passenden Kindergarten gestaltete sich zunächst schwieriger als gedacht. "Aber zum Glück wendete sich alles zum Guten", erinnert sich Kovalev. Auch Anschluss in Bonn fand sich schnell, über die Kinder lernten Yuri und seine Frau automatisch andere Eltern kennen. Die Freundschaften bestehen heute noch.

Wissenschaftliche Fortschritte

Seine Zeit in Deutschland war für den Astronomen aber vor allem aus Forschersicht enorm wichtig, erzählt er, denn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam die russische Wissenschaft zum Erliegen. Forschungsprojekte wurde finanziell nicht mehr unterstützt, Wissenschaftler waren Mangelware. "Es gab keine qualifizierten Fachkräfte mehr. Die Wissenschaft steckte in einer Krise", erinnert sich Yuri Kovalev. Bis in die heutige Zeit spüre man die Auswirkungen, erzählt er. In seiner Generation gehört er zu den ganz wenigen Astrophysikern Russlands.

Gase um ein schwarzes Loch (Foto: NASA und M. Weiss)
Im Max-Planck-Institut untersucht man Schwarze LöcherBild: NASA and M. Weiss (Chandra X -ray Center)

Für seine Forschungsergebnisse am Max-Planck-Institut über Materiejets wurde Kovalev mit dem renommierten Bredikhin-Preis prämiert. Eine Bestätigung seiner Arbeit. "Ich habe Resultate erzielt, die für mich persönlich unglaublich wichtig waren, die aber auch die Wissenschaft in meiner Heimat ein Stück voran brachten." Bis heute besteht ein intensiver wissenschaftlicher Austausch zwischen Yuri Kovalev und dem Max-Planck-Institut. "Das Erforschen der Radiojets geht ja schließlich weiter", merkt er lächelnd an.

Konferenz mit Glühwein

Er sei übrigens vor seiner Zeit in Bonn schon einmal in Deutschland gewesen, verrät der Russe, nämlich als junger Student der Lomonossow Universität in Moskau. Damals verdiente er ungefähr 20 Mark im Monat. "Es reichte, um irgendwie über die Runden zu kommen. Um die Welt zu erkunden, langte es aber vorne und hinten nicht." Um sich trotzdem ein Bild von Deutschland und Europa machen zu können, schaute Yuri sich nach einer Stiftung um, die ihm eine Reise zu einer großen Astrophysikkonferenz in München bezahlen könnte.

Mit Erfolg. In der Weihnachtszeit machte er sich auf die Reise. "Ich hatte in der Schule viel über die deutsche Kultur und Traditionen gelernt. Ich wusste also über die Schönheit der Weihnachtsmärkte Bescheid. Aber überall dieser Glühweingeruch - furchtbar", lacht er. Heute, 20 Jahre später, hat er selbst alle möglichen Tassen von verschiedenen Weihnachtsmärkten im Schrank stehen.

Zweite Heimat

Deutschland sieht der gebürtige Moskauer längst als zweite Heimat an, vor allem an Bonn hat er viele schöne Erinnerungen. "Meine Kinder haben heute noch beste Freunde in Deutschland", meint der zweifache Vater. So oft er kann, kehrt er nach Deutschland zurück. "Letztes Jahr waren wir bei Freunden in Bonn, gingen auf den Weihnachtsmarkt, aßen Bockwürste und tranken Glühwein", schmunzelt er. Gern erinnert er sich auch an die Spaziergänge mit seiner Frau am Rhein entlang. "So etwas Schönes gibt es in Moskau nicht", schwärmt er. Umso wichtiger also, dass er den Kontakt nach Deutschland nicht abreißen lässt - nicht nur wegen der Schwarzen Löcher.

Yuri Kovalev schätzt das deutsche Schulsystem