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Asyl - eine vergebliche Suche?

Ingun Arnold26. Januar 2004

Einwanderung ist ein sensibles Thema in Europa: Einwandern "darf", wer hochqualifiziert ist und im Zielland eine Lücke schließt. Asylsuchende, deren Rechtslage unklar ist und die Kosten verursachen, sind ungern gesehen.

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Illegale Immigranten beim EurotunnelBild: AP

Österreich macht Druck: Das Parlament hat im Oktober 2003 das derzeit wohl härteste Asylgesetz Europas verabschiedet. Demnach sollen Asylbewerber, deren Antrag in erster Instanz abgelehnt wurde, beim zweiten Verfahren keine neuen Argumente für ihre Bewerbung anführen dürfen. Zudem sollen Flüchtlinge künftig bereits während eines Berufungsverfahrens abgeschoben werden können.

Großbritanniens "New Vision for Refugees" ist noch rigider: In Zukunft sollten Flüchtlinge sofort dorthin zurückgebracht werden, wo sie hergekommen sind und in so genannten "Schutzzonen" unterkommen. Das wäre das Ende des Rechts auf Asyl in Europa. Auch Deutschlands Innenminister Otto Schily will lediglich eine "zukunftstaugliche, weltoffene und bedarfsgerechte" Zuwanderung. Was heißt: Einwandern darf, wer wirtschaftlich von Nutzen ist. Asylbewerber zählen definitiv nicht dazu.

Unterschiedliche Verfahren

Paradoxerweise ist Großbritannien ist nach wie vor ein begehrtes Fluchtland: Die Zahl der Asylanträge ist in den letzten zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen, "und das, obwohl die Gesetzgebung dort brutal ist", sagt Bernd Mesovic von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Ein Asylbewerbungsverfahren wird innerhalb von sechs Wochen entschieden - beileibe nicht immer zugunsten des Asylsuchenden. In Deutschland dagegen kann sich das gleiche Verfahren über Jahre hinziehen. "Die lange Dauer bedingt, dass die Menschen hier verwurzelt sind. Für sie ist das Warten untragbar", urteilt Michael Schweitzer, Direktor des Centrums für Europarecht der Universität Passau. "Andere Länder mögen zwar nicht so rechtsstaatlich sein, aber in ihrer Entscheidung flinker." Zu Hilfe kommen wird Deutschland die EU-Osterweiterung. Einige Probleme werden sich dann womöglich von selbst erledigen.

Was kommt mit der EU-Osterweiterung?

Etwa 10.000 illegale Einwanderer werden an der deutsch-polnischen und der deutsch-tschechischen Grenze jedes Jahr aufgegriffen. Tendenz steigend. Viele der Flüchtlinge kommen aus Asien, der Kaukasusregion oder auch den GUS-Staaten. Wenn Polen und Tschechien ab Mai 2004 zur Europäischen Union gehören werden, dann gilt auch für sie die Regelung: Asylbewerber, die über EU-Länder nach Deutschland einreisen, können sofort zurückgeschickt werden. Wenn sie auf dem Landweg kommen, dann haben sie nahezu gar keine Chance mehr, in Deutschland aufgenommen zu werden. Denn in Deutschland gilt die so genannte "Drittstaatenregelung": Flüchtlinge, die aus einem Land kommen, in dem ihnen keine politische Verfolgung droht und aus dem sie nicht ohne weiteres in ihr Heimatland abgeschoben werden können, werden abgewiesen.

Rechtlos in der Fremde

"Deutschland liegt geografisch recht komfortabel in der Mitte Europas", erklärt Bernd Mesovic von Pro Asyl. "Es kann rigide in Drittstaaten abschieben, da es faktisch nur von solchen Ländern umgeben ist." Jedem EU-Land - auch denen, die erst im Mai 2004 dazukommen werden - wird automatisch der Status "sicherer Drittstaat" zuerkannt. Bei der Abschiebung hat der Flüchtling weder das Recht auf Einzelfallprüfung noch wird ihm ein ordentliches gerichtliches Verfahren garantiert. Auch Rechtsbeistand kann er nur eingeschränkt geltend machen. "Noch dazu gibt es hunderttausenderlei Ausnahmefälle", weiß Rechtsexperte Schweitzer. Welche Staaten als "sichere Drittstaaten" gelten, das legt jedes Land selber fest. Fraglich bleiben allerdings die Kriterien. In Europa wurden ganz allgemein Russland, Weißrussland, Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kroatien, Mazedonien und die Türkei als "sicher" definiert.

Kein Flüchtling nirgends

"Einige dieser Länder stehen jedoch wegen eigener Menschenrechtsverletzungen am Pranger", gibt Mesovic zu bedenken. "Noch dazu produzieren sie selbst eine nicht geringe Zahl von Flüchtlingen." Eine Drittstaaten-Regelung in der europäischen Asylpolitik wäre eine Gefahr für das Flüchtlingsrecht. Denn die Gefahr besteht, dass die Nachbarregionen Europas dem Beispiel folgen und ebenfalls ihre Grenzen dichthalten. "Im Endeffekt hätten wir ein flüchtlingsfreies Mitteleuropa", rechnet Mesovic vor. "Die Randstaaten an den EU-Außengrenzen würden noch ein paar handverlesene Flüchtlinge aufnehmen und alle anderen verblieben in so genannten 'Viertstaaten'". Was dort mit ihnen geschieht, weiß niemand.