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Musik

"Atemlos" durch die Wahl: Musik im Wahlkampf

3. September 2021

Ob Helene Fischer oder die Rolling Stones: So manche deutsche Partei hat sich für ihre Musikauswahl im Wahlkampf schon Ärger eingehandelt. Was ist erlaubt?

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Helene Fischer bei Shooting für ihr Video "Vamos a Marte".
Schlagersängerin Helene Fischer verklagte 2015 die NPD für die Verwendung ihres Hits "Atemlos" - und gewannBild: Sandra Ludewig/Universal Music/dpa/picture alliance

Bis dato war es musikalisch im deutschen Wahlkampf ungewöhnlich still. Pünktlich zur heißen Wahlkampfphase lassen Die Grünen jetzt allerdings eine technikaffine Rentnerin, umweltbewusste Jugendliche, grillende Nachbarn und weitere Normalbürger eine Neuversion des deutschen Volkslieds "Kein schöner Land" von 1840 singen - und dieser Wahlkampfsong sorgt in den Sozialen Netzwerken für Häme, aber auch für wohlwollenden Spott:

 "Anschluss an Straße, Bus und Bahn / und natürlich auch W-Lan", lautet eine der umgedichteten Zeilen. Man mag von der kreativen Textumgestaltung der Umweltpartei halten, was man möchte, eines ist sicher: Der Spot wurde auf Youtube bis dato über 600.000 Mal, auf Twitter rund 1,5 Millionen Mal aufgerufen und hat damit genau das bekommen, was Die Grünen bezweckten: sehr viel Aufmerksamkeit.

Musik emotionalisiert sehr stark

Musik begeistert und reißt mit, schafft mitunter ein Gefühl von Gemeinschaft, Identität oder Zugehörigkeit. Das wissen Politikerinnen und Politiker nur zu gut und so ist es nicht ungewöhnlich, dass sie bei ihren Wahlkämpfen gerne mal auf beliebte Melodien zurückgreifen.

Das kommt nicht immer gut an - weder bei den Wählern, noch bei den Musikern, aus deren Federn die Lieder stammen. Vor allem der ehemalige US-Präsident Donald Trump bewies dabei kein gutes Händchen, aber auch hierzulande haben sich Parteien und ihre Vertreter einige musikalische Fauxpas geleistet.

So zog Angela Merkel 2005 etwa den Unmut der Rolling Stones auf sich, weil deren Song "Angie" zur inoffiziellen Wahlkampfhymne der Bundeskanzlerin geworden war. Die Band ließ durch einen Sprecher mitteilen, dass sie enttäuscht sei, vorher nicht gefragt worden zu sein.

2013 kam Kritik von den Toten Hosen an der Musikwahl des CDU-Wahlkampfteams auf: Die Düsseldorfer Musiker wollten ihren Hit "An Tagen wie diesen" nicht von einer politischen Partei vereinnahmt sehen. Die CDU lenkte ein und verzichtete daraufhin auf die Verwendung des Liedes bei Wahlkampfauftritten. 

Für die Feier am Wahlabend hatte Toten-Hosen-Frontmann Campino dann allerdings die Erlaubnis erteilt, da der Song ja gedacht sei "für solche Momente, wo man abfeiern will", wie er im NDR-Interview sagte. 

Die Sache mit der GEMA

Rechtliche Konsequenzen gab es für Merkel und ihr Team in beiden Fällen nicht, denn es ist zwar so, dass "jemand, der ein Musikstück schreibt, darüber entscheiden darf, wer dieses Musikstück verwendet, in vielen Konstellationen aber erst mal keine individuelle Erlaubnis eingeholt werden muss, da die Werke über die Verwertungsgesellschaften genutzt werden können", so Rechtsanwalt Fabian Rack.

In Deutschland übernimmt das die GEMA. Jeder Wirt, Veranstalter oder eben auch jede Partei holt bei ihr stellvertretend die Erlaubnis der Künstlerinnen und Künstler ein und leistet einen finanziellen Beitrag, der dann an die Urheber fließt, um die Musikstücke spielen zu dürfen. 

Für ihre Auftritte bei Wahlkämpfen können die Parteien also im Grunde jedes erdenkliche Musikstück verwenden, so lange sie bei der GEMA eine Erlaubnis, also eine Lizenz, einholen. Bei der Verwendung für Wahlwerbespots muss indes immer eine individuelle Erlaubnis bei den Künstlern eingeholt werden.  

Schwierig wird es auch, wenn das Stück immer wieder - quasi als Hymne oder Erkennungsmelodie - gespielt wird, denn dann könnte der Eindruck entstehen, dass die Musikerinnen und Musiker hinter der jeweiligen Partei stehen. Dies aber könnte das Urheberpersönlichkeitsrecht verletzen: "Das Urheberrecht ist eben nicht nur ein Wirtschaftsrecht, das meine Musik zum Wirtschaftsgut macht, sondern die Künstler haben  auch eine persönliche moralische Verbindung zu ihrem Werk", so Rack. "Das heißt, selbst wenn man jetzt eine GEMA-Lizenz eingeholt hat, dann darf die Musik nicht im entstellenden Kontext verwendet werden."

Wann dieser Tatbestand für ein Gericht erfüllt war, das musste die rechtsextreme NPD gleich mehrmals feststellen: So klagte die Schlagersängerin Helene Fischer 2015 gegen die Verwendung ihres Hits "Atemlos" durch die NPD - und gewann: Das thüringische Oberlandesgericht hielt es für möglich, dass es Fischers Ruf schade, wenn eine vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestufte Partei ihre Musik verwende. 

Wann ist die Verwendung rufschädigend?

Die Entscheidung, sich bewusst unpolitisch zu geben, liege beim jeweiligen Künstler, hieß es im Urteil. Zudem habe Fischer klar gemacht, dass sie Gesinnung und Einstellung der NPD in keiner Weise teile.

Auch die deutsche Band "Wir sind Helden" ging gegen die NPD vor wegen der Verwendung ihres Titels "Gekommen, um zu bleiben". Ebenso wie die Kölner "Die Höhner" für "Wenn nicht jetzt, wann dann". Beide Gruppen bekamen Recht. 

Die rechtspopulistische AfD musste 2016 auf eine Urheberrechtsklage hin auf Musik bei ihrem Wahlwerbespot verzichten: Sie hatten "vergessen", die französische Electro-Swing Band Caravan Palace zu fragen, ob sie ihren Song "Lone Digger" verwenden dürfen. Die AfD entschied, den Spot nicht vollständig zu entfernen, sondern nur die Tonspur. Der Clip musste dann komplett ohne Musik auskommen, da auch keine andere Band bzw. kein anderer Künstler der Partei einen Song zur Verfügung stellen wollte. 

Egal welcher Couleur die jeweilige Partei sein mag, die Nutzung bekannter Pop- und Rocksongs ist mitunter eine heikle Sache. Und so lassen die Parteien vermehrt eigene Songs für ihre Wahlkämpfe komponieren: Der letzte Wahlsong der CDU stammte aus der Feder von Produzent Leslie Mandoki, der unter anderem schon mit Phil Collins gearbeitet hat. Der Erfolg von "An jedem neuen Tag" blieb allerdings aus. Ebenso wie der damalige Versuch der SPD mit "Wir sind zuhaus" der Berliner Band "Dirty Red Carpet" zu punkten.

Bis auf Die Grünen arbeiten die großen Parteien bei ihren diesjährigen Wahlkampfauftritten und Spots größtenteils nicht mit bekannten Songs, sondern mit Musiken, die nicht direkt einem Künstler zugeordnet werden können. Das ist womöglich weniger mitreißend als in den vergangenen Jahren, aber auch unverfänglich. Und auch Die Grünen sind mit der Wahl ihres diesjährigen Songs eigentlich fein raus: Das Urheberrecht läuft nämlich nach 70 Jahren aus. Der Komponist von "Kein schöner Land" wird sich also nicht mehr beschweren können.