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Politik

Athen verkauft weiteres Tafelsilber

Jannis Papadimitriou Athen
10. Mai 2017

Nach jahrelangen Verzögerungen scheinen die Privatisierungen im hoch verschuldeten Griechenland stärker voranzuschreiten. Deutsche Investoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Doch einiges liegt noch im Argen.

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Griechenland Flughafen Korfu
Der Regionalflughafen auf KorfuBild: Imago/United Archives

Erst Mitte April war es soweit: Gemeinsam mit einem griechischen Junior-Partner durfte der deutsche Fraport-Konzern nach langem Ringen 14 Regionalflughäfen in Griechenland übernehmen. Dazu gehören beliebte Urlaubsziele wie Kreta, Korfu und Rhodos. Für die Betreiber-Konzession über 40 Jahre zahlt der Konzern einmalig 1,23 Milliarden Euro und sorgt außerdem für dringend nötige Investitionen in Gesamthöhe von 330 Millionen. Eingefädelt war der Deal schon 2014 durch den konservativen Regierungschef Antonis Samaras, doch die Umsetzung wurde aus politischen Gründen verzögert. Noch in seiner Regierungserklärung im Januar 2015 polterte Linkspremier Alexis Tsipras gegen den "Ausverkauf" von Staatsvermögen. Auf den Ionischen Inseln im Westen Griechenlands ließ der Lokalgouverneur sogar eine rechtlich unverbindliche Volksabstimmung gegen die bevorstehende Privatisierung stattfinden. 75 Prozent der beteiligten Bürger stimmten gegen den Konzessionsvertrag mit Fraport. 

Alles Schnee von gestern? "In Griechenland braucht man eben Zeit, um Reaktionen in Schach zu halten und die Dinge in die gewünschte Richtung zu lenken", sagt Nikos Chrysikopoulos, Chefredakteur des Wirtschaftsportals Capital.gr, im Gespräch mit der DW. Nach dem Linksruck in Athen seien zwar sämtliche Privatisierungen zur roten Linie erklärt worden, doch nun scheine die Zeit reif für Investoren in Hellas, meint der Ökonom. Dabei kommen deutsche Investoren verstärkt zum Zuge: Wenige Tage nach der Übernahme der Regionalflughäfen durch den Frankfurter Fraport-Konzern bekam ein Konsortium um die Deutsche Invest Equity Partners mit Sitz in München den Zuschlag für den zweitgrößten Containerhafen Griechenlands in Thessaloniki. Und noch ein Angebot in Richtung Deutschland: Der Staat verkauft die Hälfte seiner - mittlerweile auf 10 Prozent geschrumpften - Beteiligung am einstigen Telefonmonopolisten OTE. Die Deutsche Telekom, derzeit größter Anteilseigner, hat ein Erstkaufsrecht.

Privatisierungen bleiben ein Politikum             

Unter den Hammer kommt ebenfalls die chronisch defizitäre Rüstungs- und Transportfirma ELBO in Thessaloniki. Startangebot: Zehn Millionen Euro. Laut Medienberichten soll die Münchner KraussMaffei-Gruppe Interesse bekundet haben und gilt angeblich als bevorzugter Investor. Die 340 ELBO-Arbeitnehmer im Norden Griechenlands bangen um ihre Jobs und reagieren mit Streiks. "Früher hieß es, aus Gründen des nationalen Interesses wolle das Verteidigungsministerium unsere Firma übernehmen. Aber die Regierung hat uns verraten", klagt Gewerkschafter Theodoros Aliongas im Gespräch mit der linksgerichteten Zeitung der Redakteure. Analyst Chrysikopoulos sieht jedenfalls keine Alternative zur ELBO-Privatisierung. Der Staat könne diese Industrie nicht mehr am Leben erhalten, sagt er. Der hoch verschuldete Betrieb würde eben verkauft oder geschlossen.    

Griechenland Premierminister Alexis Tsipras berichtet Parteimitglieder über die EU-Rettungsaktion
Linkspremier Tsipras polterte 2015 noch gegen den "Ausverkauf" von StaatsvermögenBild: picture-alliance/AP Photo/Y. Karahalis

Politisch brisant und technisch unübersichtlich ist die angestrebte Teilprivatisierung des Energieriesen DEI. Laut Vereinbarung mit den Gläubigern soll Athen zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein 17-Prozent-Aktienpaket des einstigen Monopolisten zum Verkauf anbieten. Außerdem wurde 2015 abgemacht, dass der DEI-Marktanteil innerhalb von fünf Jahren von 90 auf unter 50 Prozent zurückgefahren wird. Wie das alles umgesetzt wird, bleibt offen. Lange Zeit blockierte der frühere Energieminister Panos Skourletis jede Entscheidung in Richtung Privatisierung. Erst nachdem er ins Innenministerium wechselte, kam etwas Bewegung in die Sache. Neulich erklärte die Privatisierungsbehörde TAIPED erstmals, sie wolle einen technischen Berater für diese heikle Angelegenheit bestellen. Seitdem droht Gewerkschaftsführer Jorgos Adamidis mit Streiks und Stromausfällen in Griechenland. Die Teilprivatisierung bezeichnet er als ein "Verbrechen". DEI-Wertpapiere seien am Boden und deshalb würde ein 17-Prozent-Aktienpaket nicht mehr als 100 Millionen einbringen, mahnt er. Sein Gegenvorschlag: Die Aktien des staatlichen Energieunternehmens von der Privatisierungsbehörde TAIPED in den neu gegründeten Treuhandfonds zu überführen.

Gerangel um Kompetenzen  

Damit wird ein Grundproblem der Athener Privatisierungspolitik angesprochen: Noch weiß niemand, wer wofür zuständig ist. Die 2011 gegründete TAIPED-Behörde soll unter anderem die Privatisierung von Flughäfen und Immobilien vorantreiben. Nach französischem Vorbild wurde 2016 zudem die Verwertungsgesellschaft EDIS für öffentliche Unternehmen gegründet. Als oberste Privatisierungsbehörde soll eine neue Treuhand dienen, bei der die Gläubiger Griechenlands Mitspracherechte und sogar ein Vetorecht bekommen. Die Rollenverteilung zwischen diesen Körperschaften ist unklar. Eines scheint jedoch festzustehen: Während TAIPED ab sofort für Verkäufe zuständig ist, soll die Treuhand Pacht- und Konzessionsverträge bevorzugen.   

Zum Narrativ der Athener Regierung gehört nämlich, dass Staatsvermögen nicht mehr veräußert, sondern "verwertet" wird, meint Analyst Chrysikopoulos. Das bedeutet: Interessierte Investoren bekommen Nutzungsrechte über einen Konzessionsvertrag, aber die Vermögenswerte bleiben Staatseigentum. Wenn etwa die Gewerkschaft des Stromriesen DEI eine Aktienüberführung in den Treuhandfonds verlangt, dann geht sie davon aus, dass diese Aktien nicht mehr verkauft werden. Ob die Gläubiger dabei mitspielen, ist fraglich. Zumal die oberste Privatisierungsbehörde seit Monaten führungslos ist und deren Geschäftsordnung auch noch nicht feststeht.