Jahresrückblick Frauen-WM 2011
27. Dezember 2011Eigentlich hatten sie ja auf ein Sommermärchen gehofft - die deutschen Fußball-Frauen bei der WM im eigenen Land. Doch schon im Viertelfinale beim 0:1 (0:0) n.V. in Wolfsburg gegen Japan kam das Aus für den zweimaligen Weltmeister. Maruyama traf für die Asiatinnen in der 108. Minute der Verlängerung und sorgte für den überraschenden K.o. des WM-Gastgebers. "Im Sport ist Erfolg halt nicht planbar, und das mussten wir heute leider lernen", stellte eine frustrierte Stürmerin Kerstin Garefrekes anschließend fest. Und Bundestrainerin Silvia Neid meinte: "Unsere Mannschaft hat alles gegeben, auch das Team hinter dem Team. Von daher kann ich niemandem einen Vorwurf machen."
Ordentliche Gruppenphase
Dabei hatte alles recht gut angefangen. Im Eröffnungsspiel in Berlin feierte die DFB-Elf vor der europäischen Rekordkulisse bei einem Frauenfußballspiel von 74.000 Zuschauern einen 2:1 (2:0)-Erfolg gegen Kanada. Dann wurde Nigeria in Frankfurt mit 1:0 (0:0) besiegt. Wirklich überzeugend waren die Leistungen der deutschen Frauen aber nicht. Fortschritte sah Bundestrainerin Neid immerhin im letzten Gruppenspiel beim 4:2 (2:0) gegen Frankreich in Mönchengladbach. "Die Spielerinnen haben gesehen, was sie alles drauf haben und wie gut sie Fußball spielen können. Das haben wir ja vermisst im letzten Spiel. Jetzt haben wir im Viertelfinale Japan vor der Brust. Und da wissen wir, dass das kein einfacher Gegner ist."
Aus im Viertelfinale
Eine technisch starke japanische Mannschaft siegte mit 1:0 nach Verlängerung und warf den WM-Gastgeber Deutschland bereits im Viertelfinale aus dem Turnier. Das DFB-Team scheiterte auch an der großen Erwartungshaltung vor heimischem Publikum, wie Spielführerin Birgit Prinz mutmaßte. "Vorher war es so, dass alles positiv ist, dass wir uns freuen sollen. Aber eigentlich wurde nicht thematisiert, dass eine Heim-WM auch problematisch sein kann." Unbefriedigend war die WM vor allem auch für die deutsche Rekordnationalspielerin selbst. Prinz kam nie richtig ins Turnier und wurde gegen Nigeria ausgewechselt. Nach der WM gab die 34-Jährige ihren Rücktritt bekannt.
Unter Druck stand auch Bundestrainerin Neid, wurde doch sogar das Minimalziel Olympiaqualifikation verpasst. Kritik gab es wegen falscher Wechsel und falscher Taktik. Das deutsche Team wirkte zuweilen auch altmodisch: Immer wieder lange, hohe Bälle nach vorn waren nicht von Erfolg gekrönt. DFB-Präsident Theo Zwanziger verhinderte jedoch einen Rücktritt Neids. "Das ist meine Trainerin. Ich werde sie nicht einfach gehen lassen, wenn sie auf diesen Gedanken kommen sollte."
Japans Triumph
Ein Fußballfest feierte im Gegensatz zum deutschen Team der Weltranglisten-Vierte Japan. Die "Prachtnelken" glänzten mit mannschaftlicher Geschlossenheit und technischer Extraklasse. Nicht zufällig standen sich Japan und die USA im Finale gegenüber. Es waren die aktuell besten Teams. Die US-Girls überzeugten mit mentaler Stärke, unbändigem Einsatz und Siegeswillen. Im Viertelfinale gegen Brasilien demonstrierten sie zudem den amerikanischen Geist, niemals aufzugeben.
Im Finale jedoch gewannen die Japanerinnen mit 3:1 im Elfmeterschießen (2:2,1:1,0:0) gegen das US-Team um Verteidigerin Alexandra Krieger: "Das ist sehr enttäuschend, leider haben wir verloren. Die Japanerinnen haben auch sehr gut gespielt. Wir haben es nicht geschafft." Platz drei ging an Schweden, das Frankreich mit 2:1 (1:0) besiegte. Titelkandidat Brasilien um Topstar Marta war wie Deutschland bereits im Viertelfinale gescheitert.
Perfekte Organisation und Schattenseiten
Immerhin durften sich die Organisatoren über ein gelungenes WM-Turnier freuen. So waren die Stadien zu 86 Prozent ausgelastet. "Wir haben eine tolle Atmosphäre in den Stadien. Wir haben TV-Quoten und eine Medienresonanz, die wir so nicht erwartet hätten. Das ist alles sehr positiv zu bewerten", bilanzierte Steffi Jones, die Präsidentin des WM-Organisationskomitees. Auf die größte Fanmeile in Frankfurt am Main strömten allein zum deutschen Viertelfinale 17.000 Menschen. Erst nach der gescheiterten deutschen Titel-Mission schwächelte die Atmosphäre in den Stadien und beim Public Viewing.
Die WM hatte auch ihre Schattenseiten. Erst wurde eine Kolumbianerin positiv auf Doping getestet, dann erwischte es fünf Nordkoreanerinnen. Nach dem letzten Gruppenspiel des Asienmeisters gegen Kolumbien musste die ganze Mannschaft zur Dopingkontrolle - einmalig bei Weltmeisterschaften. Enttäuschend waren viele Schiedsrichterleistungen. Und immer wieder patzten auch die Torhüterinnen.
Schub für den Frauenfußball
Recht ausgeglichen war das spielerische Niveau der WM. Es fielen somit auch weniger Tore als bei früheren Turnieren. Schützenfeste blieben gänzlich aus. Und über Fitness und Ausdauer verfügten nahezu alle Mannschaften. Anerkennende Worte für die Frauen fand Ex-Nationalspieler Günter Netzer: "Sie haben sich derartig verbessert, dass ich dem nur Bewunderung abnötigen kann." Der Frauenfußball hat somit einen weiteren Schub erhalten und dürfte noch mehr Mädchen zum Fußball bringen, wie auch DFB-Präsident Zwanziger betonte. "Die WM hat den berühmten Meilenstein gesetzt für die Entwicklung von Frauenfußball europa- und weltweit."
Auf die Frauen-Bundesliga hat sich die WM bisher nicht ausgewirkt. Nach wie vor verzeichnen die Vereine schwache Zuschauerzahlen. Für die weiterhin von Silvia Neid trainierte DFB-Auswahl gilt aber: Sie ist nach den Rücktritten von Birgit Prinz, Kerstin Garefrekes und Ariane Hingst relativ jung, hatte bei der WM schon nur ein Durchschnittsalter von 26 Jahren. Das macht Hoffnungen auf eine erfolgreichere EM in zwei Jahren in Schweden, wenn der öffentliche Druck nicht mehr so stark sein dürfte.
Autor: Arnulf Boettcher
Redaktion: Wolfgang van Kann