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Auf der Flucht im eigenen Land

Silke Ballweg20. Juni 2004

40 Millionen Menschen, so die vorsichtige Schätzung der Vereinten Nationen, sind weltweit auf der Flucht. Die Dunkelziffer könnte noch um einiges höher liegen. Und viele Menschen zählen in der Statistik gar nicht erst.

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Sudanesen flüchten vor Kämpfen in der Region DarfurBild: dpa

Sie sind auf der Flucht vor bewaffneten Kämpfen, wurden aus ihren Dörfern und Städten vertrieben oder versuchen, Hunger und Not anderswo zu lindern - aber sie flüchten nicht über die Landesgrenze. Diese Vertriebenen im eigenen Land, so genannte "Binnenflüchtlinge", erhalten keinerlei internationale Hilfe und sind auch nicht als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt.

Flüchtling oder Vertriebener?

Vor dem Hintergrund der Millionen von Flüchtlingen, die nach dem Zweiten Weltkrieg heimatlos durch Europa zogen und ein neues Zuhause suchten, hat die internationale Gemeinschaft 1951 die so genannte Genfer Flüchtlingskonvention verabschiedet. Darin ist geregelt, wer als Flüchtling anerkannt wird und somit besonderen Schutz genießt. Dazu gehören alle jene, die aufgrund ihrer Religion, Rasse oder Nationalität verfolgt werden. Außerdem Menschen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden.

Sie alle werden aber nur dann als Flüchtling betrachtet, wenn sie ins Ausland geflohen sind. Diese Regelung wird zunehmend zum Problem, sagt Stefan Telöken, vom Flüchtlingkommissariat der Vereinten Nationen UNHCR. Denn im Moment bewege sich die Mehrzahl der Flüchtlinge im eigenen Land. "Damit ist der allergrößte Teil dieser Menschen von internationaler Hilfe ausgeschlossen", erklärt er. Als Vertriebene fallen sie nicht unter die Flüchtlingskonvention. Weltweit gibt es rund 25 Millionen dieser so genannten Binnen-Flüchtige, die meisten von ihnen im Sudan, in Angola, in der Demokratischen Republik Kongo und in Kolumbien, wo rund eine Million Menschen heimatlos geworden sind.

Hilfe für Binnenflüchtlinge

Damit die Vereinten Nationen aber den Menschen vor Ort helfen können, brauchen sie die Zustimmung der Regierung des betroffenen Landes. Wenn die ihre Zusage verweigert, muss der UN-Sicherheitsrat eine Resolution erlassen, um die Hilfe von außen formal zu legitimieren - doch das kostet Zeit, und damit auch Menschenleben, sagt Stefan Telöken.

Es sei immer wieder diskutiert worden, über die derzeitigen Möglichkeiten des Völkerrechts hinaus eine eigene Konvention für Binnenvertriebene zu schaffen. Ohne viel Erfolg. "Das ist der Grundkonflikt der UN: einerseits die Nicht-Einmischung in die internen Angelegenheiten eines Staates, andererseits die Frage, wann dieses Prinzip durchbrochen werden muss, um Menschenleben zu retten." Das sei eine politische und rechtliche Auseinandersetzung, die die UN schon seit Jahren bewegt, sagt Telöken.

UNO Gebäude in New York
Uneinigkeit bei der UNBild: AP

Es ist wenig realistisch, dass sich dies in den nächsten Jahren ändern wird. Allerdings: Es gibt auch gute Nachrichten, denn wenn sich Regionen stabilisieren, kehren die Menschen zurück. Mehr als zwei Millionen Afghanen sind in den vergangenen beiden Jahren in ihre Heimat zurückgereist. Das UNHCR unterstützt mit so genannten Rückkehrprogrammen Flüchtlinge, die in der alten Heimat wieder ein neues Leben beginnen wollen. Damit der Neuanfang glückt, ist eines unerlässlich: Der Einsatz der internationalen Gemeinschaft vor Ort, um für die Übergangszeit Sicherheit und Stabilität garantieren zu können.