Auf der Suche nach dem Super-Sprit
22. Februar 2016In der Automobilindustrie gibt es keinen Stillstand, werden Motoren ständig weiterentwickelt. Das wiederum stellt immer neue Anforderungen an den Kraftstoff, den die Motoren verbrennen. Ganz gleich, ob Diesel oder Benzin. Hinzu kommen politische Vorgaben wie strengere Abgasnormen, die ebenfalls Veränderungen in der Zusammensetzung des Sprits erfordern. Was letztlich an den Zapfsäulen in die Tanks der Fahrzeuge fließt, das haben zuvor Experten der BP/Aral-Kraftstoffforschung in Bochum aufwändig entwickelt und geprüft. Dieses Forschungszentrum kann auf eine mehr als 80-jährige Tradition verweisen und gilt international als eines der leistungsfähigsten Labore.
Mit einem Netz von 2500 Tankstellen in Deutschland hat sich BP/Aral als Marktführer in Deutschland behauptet. Und damit die neuen Modelle der Autobauer später wie geschmiert laufen, bedarf es zuvor Tauglichkeits- und Langzeittestreihen mit dem Stoff, der die Motoren auf Touren bringt. Im Rahmen von Joint-Venture-Projekten stünden die Kraftstoff-Forscher darum schon in einem sehr frühen Stadium von Neuentwicklungen mit den Automobilherstellern in Kontakt, sagt Aral-Projektleiter Christian Bomholt. Die Kooperations-Devise lautet: "Future technology, future fuels" – "Zukunfts-Technologie, Zukunfts-Kraftstoffe".
Andere Länder, andere Mischungen
Dabei geht es nach den Worten von Projektleiter Bomholt darum, dass der Sprit bei der Verbrennung keine Rückstände im Motor hinterlässt sowie um die Kältebeständigkeit und die Effizienz. Auf die 19 vollautomatischen Prüfstände rollen Fahrzeuge deutscher und internationaler Hersteller. Also auch Autos, die zum Beispiel ansonsten in Australien, Neuseeland, Südafrika oder Großbritannien betankt werden. Denn rund um den Globus, merkt Unternehmenssprecher Detlef Brandenburg an, schluckten Autos nicht überall das gleiche Benzin. "Die unterschiedlichen Märkte in der Welt haben mitunter auch ganz unterschiedliche gesetzgeberische Voraussetzungen oder Normierungen. Und die müssen durch die Kraftstoffe individuell in jedem Land erfüllt werden."
Im Vordergrund stehe laut Projektleiter Bomholt vor allem das Ziel, "den Kraftstoffverbrauch zu optimieren". Auch weil neue Motoren mit leistungsstarken Einspritzsystemen an den Kraftstoff höhere Anforderungen als herkömmliche Verbrennungsmotoren stellen. Deshalb muss der Kraftstoff nicht nur extrem sauber sein, sondern er muss auch einer enormen mechanischen Belastung standhalten. "Bei Einspritzdrücken jenseits von 2500 bar", erläutert Diplom-Ingenieur Christian Bomholt, "ist das ein erheblicher mechanischer Stress. Der Kraftstoff wird quasi wie mit einem Hammer bearbeitet. Dabei darf er seine Oxidationsstabilität und seine Reinhalteeigenschaften nicht verlieren."
Laborverbrauch: 400.000 Liter im Jahr
Kleinere Versuchsreihen, um die richtige Zumischung von chemischen Zusatzstoffen zu finden, dauern wenige Monate. Ein kompletter Entwicklungszyklus dagegen kann Jahre in Anspruch nehmen. Wie viel sich Deutschlands Marktführer die Forschung unter dem Strich kosten lässt, darüber macht Aral keine Angaben. Schließlich verfeinert man nicht nur kontinuierlich die Qualität der produzierten Kraftstoffe weiter, sondern blickt auch in die automobile Zukunft. So erforschen und testen die 75 beschäftigten Experten auch alternative Kraftstoffe und Komponenten wie Biodiesel, Ethanol, Biobutanol, hydriertes Pflanzenöl sowie gasförmiges und flüssiges Erdgas. Das zahlt sich, wenn überhaupt, erst wesentlich später aus.
Rechnen muss sich der Aufwand für das Mineralölunternehmen erst einmal in der Gegenwart, nämlich durch den Verkauf leistungsstarker Kraftstoffe. Darum steht auf einem der 19 Prüfstände der Motor eines Fahrzeugs unter aufmerksamer Computer-Kontrolle. Und zwar 30 Stunden lang - wohlgemerkt: bei Vollgas. Überprüft werden mögliche Ablagerungen an den Einspritzdüsen. Denn wenn sich dort Rückstände ablagern, lässt die Leistung des Motors nach. Dann gilt es, bei den Zusatzstoffen filigran an den virtuellen Stellschrauben zu drehen.
Nur die Effizienz zählt
Ob die von den Automobilherstellern genannten Sprit-Verbrauchszahlen der Wirklichkeit auf der Straße entsprechen, darüber verlieren die Mitarbeiter der Aral-Forschung natürlich keine Silbe. Ihnen geht es allein um die Effizienz des Kraftstoffes. In einer anderen der 19 Laborhallen herrschen hinter hermetisch abgeschlossenen Türen wahlweise polare oder tropische Temperaturen. In diesem Klimaprüfstand kann die Wechselwirkung zwischen Motoren und Kraftstoffen von plus 40 bis minus 40 Grad getestet werden. Und das tagelang, um zu sehen, ob der Motor anspringt und der Kraftstoff fließt.
Hinter dem Steuer sitzen mit "Alfred" und "Lisa" zwei unempfindliche Mitarbeiter: Es sind zwei Fahrroboter, die jeden Befehl ausführen, denen die Temperaturschwankungen aber nichts ausmachen. Denn bis zu mindestens minus 20 Grad Kälte müssen die in Deutschland ausgelieferten Kraftstoffe beim Start und bei der Fahrt stabil sein, erklärt Projektleiter Bomholt. Damit die Forschungsziele erreicht werden, fließt in Bochum reichlich Sprit durch die Motoren der Testfahrzeuge - nicht weniger als fast 400.000 Liter pro Jahr.