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Kopfgeld für Naziverbrecher

23. Juli 2013

"Spät. Aber nicht zu spät! Operation Last Chance II" - so das Motto einer Aktion, mit der das Simon-Wiesenthal-Zentrum die letzten Nazi-Verbrecher finden will. Es hat eine Belohnung von 25.000 Euro ausgesetzt..

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Efraim Zuroff, Leiter des Simon Wiesenthal Center in Jerusalem, steht beim Start der Plakatkampagne (Foto: Jörg Carstensen/dpa pixel)
Efraim Zuroff, Leiter des Simon Wiesenthal Center in Jerusalem, steht beim Start der PlakatkampagneBild: picture-alliance/dpa

Die einstigen Täter sind jetzt um die 90 Jahre alt. Viel Zeit bleibt nicht mehr, um sie zu enttarnen. "Es ist unsere letzte Chance, noch lebende Nazi-Verbrecher in Deutschland aufzuspüren", sagte Efraim Zuroff, der Initiator der Kampagne des Simon-Wiesenthal-Zentrums, das weltweit nach Nazi-Verbrechern und deren Handlangern sucht.

An einer Straßenbahn- und Bushaltestelle ist ein Plakat der Kampagne "Spät. Aber nicht zu spät! Operation Last Chance II" am 23.07.2013 in Berlin-Pankow zu sehen (Foto: Jörg Carstensen/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bevölkerung soll mithelfen, die bisher nicht verurteilten NS-Kriegsverbrecher aufzuspüren. Deshalb hängen ab sofort in Berlin, Hamburg und Köln 2000 Plakate der "Operation Last Chance". Ein Foto des Eingangstores zum Vernichtungslager Auschwitz, der Text darunter ruft dazu auf, bei der Suche nach den Mördern mitzuhelfen: "Millionen Unschuldiger wurden von Nazi-Kriegsverbrechern ermordet. Einige der Täter sind frei und am Leben! Helfen Sie uns, diese vor Gericht zu bringen. Bis zu 25.000 Euro Belohnung für wertvolle Hinweise."

Veränderte Rechtslage erleichtert Verurteilung

Viele fragen sich, warum das Simon-Wiesenthal-Zentrum erst jetzt eine solche Plakataktion gestartet hat, wo zahlreiche Nazi-Verbrecher bereits tot sind. Grund ist das sensationelle Urteil gegen den früheren KZ-Wachmann John Demjanjuk 2011 in München. Der gebürtige Ukrainer wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, ohne dass ihm das Gericht eine konkrete Tat vorgeworfen hatte. Die Richter waren überzeugt davon, dass Demjanjuk an der Ermordung von 29.000 Juden im Todeslager Sobibor beteiligt gewesen war. Das hat ausgereicht. Seitdem ist die Strafverfolgung von NS-Kriegsverbrechern leichter geworden. Bis dahin habe man den Nazi-Tätern spezifische Verbrechen an bestimmten Opfern nachweisen müssen, erklärte Zuroff.

Das hohe Alter der Gesuchten kann seiner Ansicht nach keine Rolle spielen. "Die verstrichene Zeit mindert ihre Schuld nicht", sagt der Initiator. Das sieht der Zentralrat der Juden in Deutschland genau so. "Gerechtigkeit kennt keine Verfallszeit", sagte dessen Präsident Dieter Graumann. Und Zuroff ergänzte, wer nach solchen Taten bis heute lebe, müsse physisch und geistig gesund sein. Als junge Männer hätten sie "ihre ganze Kraft und Energie darauf verwendet, unschuldige Menschen zu ermorden."

"Kopfgeld" ist umstritten

Efraim Zuroff ist die Belohnung von bis zu 25.000 Euro kein Problem. Die Belohnung garantiere hohe mediale Aufmerksamkeit. Im übrigen seien die besten Hinweise sowieso immer von Menschen gekommen, die kein Geld, sondern Gerechtigkeit wollten, sagte Zuroff. So sieht er größere Chancen, die etwa 60 möglichen Täter zu finden, die noch am Leben sind.

Der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn lehnt das "ausgeschriebene Kopfgeld" als "pietät- und schamlos" ab. Es werde eher "Mitleid mit den betagten Kriegsverbrechern hervorrufen", kritisierte Wolffsohn. Zudem sei es absurd, NS-Verbrechen mit Zahlen aufzuwiegen. Viel wichtiger sei es, dass eine solide, intensive Aufarbeitung der NS-Verbrechen weiter gehe.

Der Berliner Politologe Professor Hajo Funke hätte für die Kampagne eine andere Form gewählt. "Die Plakate könnten zu populistisch sein und bergen die Gefahr, dass es in einer Art öffentlicher Jagd Falsche trifft", sagte Funke. Doch das Anliegen selbst hält der Antisemitismus-Forscher für "hoch sinnvoll und berechtigt." Die Suche hätte "viel früher geschehen müssen". "Das ist die Spätlast der unaufgearbeiteten Vergangenheit". Ihr hätten sich Politik und Justiz in den 1950er und 60er Jahren nicht stellen wollen. Viele KZ-Wächter habe man ganz ohne oder mit geringsten Strafen laufen lassen.

cd/sc (dpa, afp)