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Auf Tour für die Freiheit

Heiner Kiesel22. Mai 2015

Menschenrechtler in Berlin kämpfen für den Blogger Raif Badawi, der wegen liberaler Äußerungen in Saudi Arabien grausam bestraft wird. Auch Badawis Frau protestiert vor der Botschaft Saudi-Arabiens.

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Demonstration für Raif Badawi vor der saudischen Botschaft in Berlin Foto: Heiner Kiesel
Organisiert von Amnesty International: Protest gegen die Verurteilung des Bloggers Raif Badawi in BerlinBild: DW/H. Kiesel

Die Frau hat Kraft. Das sieht man Ensaf Haidar an - auch wenn sie gerade etwas verloren am Straßenrand steht. Um sie herum etwa 60 Aktivisten von Amnesty International in leuchtend gelben Westen. Die zierliche Haidar wendet den Kopf. Drüben, auf der anderen Seite der Straße, erhebt sich ein grauer Stahlzaun, dahinter die Fassade der saudischen Botschaft. Eine weiße, fein ornamentierte Rundung, die keine Einblicke zulässt: Die Vertretung des Landes, in dem ihr Mann, der Blogger Raif Badawi, zu zehn Jahren Gefängnis, 1000 Stockhieben und weiteren zehn Jahren Ausreiseverbot verurteilt worden ist. Haidars Gesicht verrät keine Regung. Wenn es nach den Machthabern in Saudi Arabien geht, werden sie und ihre drei Kinder Raif Badawi vielleicht in 17 Jahren wieder sehen. Die ersten 50 Stockhiebe hat Badawi im Januar öffentlich bekommen. Danach wurde die Strafe ausgesetzt. Es gehe ihm zu schlecht, um weiter zu machen, hieß es.

Ensaf Haidar appelliert an europäische Regierungen

Die Frau des Bloggers wendet ihre Aufmerksamkeit wieder der kleinen Demo in der deutschen Hauptstadt zu. "Freiheit für Raif Badawi", rufen die Aktivisten und "No Flogging for Blogging". Selmin Caliskan, die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland steht inzwischen am Mikrofon und erinnert die Demonstranten daran, dass der Fall Badawi nur einen Teil der saudischen Repressionsmaschinerie zeige. "Raif ist ja kein sehr radikaler Mensch, sondern einer, der ganz liberal seine Meinung ausgedrückt hat." Es sei höchste Zeit, dass er freigelassen werde und zu seiner Frau und seinen Kindern dürfe. Die Teilnehmer der Demo applaudieren und schwenken ihre gelb-schwarzen Transparente. Nachher wird es Caliskan noch gelingen, nach einigem Hin und Her, vier Kisten mit 98.000 schriftlichen Appellen für den Blogger aus ganz Deutschland drüben an der Botschaftspforte abzugeben.

Demonstration für Raif Badawi vor der saudischen Botschaft in Berlin Foto: Heiner Kiesel
Mobilisiert den Widerstand: Badawis Frau Ensaf Haidar vor der saudischen BotschaftBild: DW/H. Kiesel

Haidar wohnt mit den Kindern in Kanada. Jetzt ist sie auf Europatour. Seit zwei Tagen ist sie in Deutschland, zuvor war sie in Norwegen. Amnesty hat die Reise organisiert. "Die Deutschen setzen sich sehr für die Sache ein, dafür bin ich ihnen dankbar." Gespräche im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt hat sie hinter sich. Vizekanzler Sigmar Gabriel hat sich ihre Geschichte angehört. "Sogar die deutschen Politiker, die ich getroffen habe, versuchen mir Zuversicht zu geben, dass die Sache gut ausgeht", sagt sie der DW.

Demonstration für Raif Badawi vor der saudischen Botschaft in Berlin Foto: Heiner Kiesel
Selmin Caliskan (Mitte) konnte die Unterschriften und Petitionen schließlich in der Botschaft abgebenBild: DW/H. Kiesel

Neuer Prozess für Badawi

Es steht nicht gut um den Internet-Publizisten, der in seinem Land dem Diskurs über Gesellschaft, Politik und Religion Raum geben wollte. "Beleidigung des Islam" lautete der Vorwurf, der ihm die Verurteilung vor einem Jahr eingebracht hat. Da saß er aber schon bald zwei Jahre in Untersuchungshaft. "Jetzt gibt es ein neues Verfahren", sagt Ensaf Haidar und macht den Rücken ganz gerade dabei, wo man eigentlich erwarten sollte, sie müsste in sich zusammensacken. Der neue Prozess behandelt diesmal die Anschuldigung des Abfalls vom Glauben. Darauf steht in Saudi Arabien die Todesstrafe und der Richter, so bestätigt es Amnesty International, soll derselbe sein, der Badawi schon zweimal verurteilt hat.

Haidar hofft darauf, dass ihrem Mann durch internationalen Druck geholfen werden kann. So eine Demo wie die hier könnte helfen, ihn aufzubauen. Caliskan ist fertig mit ihrer Rede, Haidar soll nun sprechen. Sie läuft die paar Schritte zum Mikrofonständer, fischt das Gerät aus der Halterung, die viel zu hoch für sie ist. Und dann dreht sie sich zu den Demonstranten. Eine Organisatorin bittet sie, sich zu den Fotografen umzudrehen. Sie schüttelt den Kopf. "Das sind doch die wichtigen Leute, zu denen will ich sprechen." Man insistiert, sie bleibt standhaft. "Ich danke jedem einzelnen von euch, für euren Einsatz!" Die Demonstranten sind begeistert und alle skandieren mit ihr "Freiheit für Raif!" auf arabisch. Klar hebt sich Haidars helle Stimme aus der Masse heraus.

Raif Badawi Quelle: privat/Amnesty International
Raif BadawiBild: privat/Amnesty International