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Auf Zement gebaut

Stefanie Duckstein4. Juli 2014

Zementproduktion ist ein energie- und abgasintensives Geschäft. Doch Namibias Zementfabrik Ohorongo hat mit modernster Technik und einer zündenden Idee aus dem umweltbelastenden Abbau ein schonendes Verfahren gemacht.

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Zementwerk Ohorongo Cement in Otavi/ Namibia
Bild: DW/S. Duckstein

Das Geräusch kündigt sich an, bevor man noch irgendetwas erahnen kann: Langsam und unerbittlich frisst sich der Mähdrescher durch haushohes, dichtes Gestrüpp. Die Pflanze, die sich ihm in den Weg stellt, die Schwarzdorn-Akazie, ist ein sehr wehrhaftes Gewächs. Wo die Akazie wächst, wächst nichts anderes, bedauern Farmer. Das eigens für diesen Zweck konstruierte Raupenfahrzeug schreddert die hoch gewachsenen Sträucher zu kleinen Holzpellets. Eine zündende Idee: Das, was hier gerade im nordnamibischen Busch von Otavi geschieht, könnte dem mit 300 Mitarbeitern eher kleinen Baustoffhersteller Ohorongo Zement auf dem Weltmarkt einen durchaus beachtlichen Vorteil verschaffen: Ohorongo Zement heizt sein Werk zu 30 Prozent mit Biomasse, 80 Prozent sollen es werden.

Mähdrescher auf einer Farm bei Otavi/ Namibia (Foto: Stefanie Duckstein).
Mähdrescher für die Schwarzdorn-AkazieBild: DW/S. Duckstein

Eine Akazie für die Zementindustrie

"Langfristig sind wir sehr wettbewerbsfähig", schwärmt Geschäftsführer Gerhard Hirth. Unabhängiger von Kohle- und Ölimporten, konnte das Werk seine Energiekosten drastisch senken - und gleichzeitig schone man auch noch die Umwelt, so Hirth. "Wir sind von der technischen Einrichtung und vom Rohstoff her in der Lage, hochqualitative Zemente herzustellen. Wir sind in der Lage, kostengünstig herzustellen und mit dem Personal, das wir selbst ausgebildet haben, wirklich sehr gut zu arbeiten." Und mit dem Einsatz alternativer Brennstoffe wie der Akazie habe Ohorongo Zement die Nase vor den anderen Wettbewerbern, ist Hirth überzeugt.

Der deutsche Firmenchef kommt aus Ulm. Sein mittelständisches Familienunternehmen, die Schwenk Zement KG, hat dort seit 160 Jahren mit Zement zu tun. "Trotzdem", so Hirth, "Afrika war neu und anders." Er hat 250 Millionen Euro in Namibia investiert, modernste Technologie aufgebaut und im Windschatten der südafrikanischen Zementproduktion einen logistisch guten Standort gewählt: von hier gelangt der hochwertige namibische Baustoff nach Botswana, Simbabwe, Sambia.

Die Skepsis der Anwohner

Während Geschäftsführer Hirth im Büro positive Bilanzen kalkuliert, laufen im Zementwerk in Otavi die 50-Kilo-Säcke im Sekundentakt vom Fließband. Die Fabrik produziert 600.000 Tonnen pro Jahr, davon etwa 500.000 Tonnen für den boomenden namibischen Baumarkt. Der Rest geht in den Export. In Sachen Produktionsvolumen ist Ohorongo ein kleiner Fisch. Zum Vergleich: Der Nachbar Südafrika produziert etwa 16,5 Millionen Tonnen pro Jahr.

Wie poliert glänzen die Aluminiumschächte von Ohorongo in der Mittagssonne. Nur ein LKW schreibt eine Spur von gelbem Staub in den Horizont. Die Skepsis der Anwohner solchen Großprojekten gegenüber, zudem von ausländischen Investoren, ist häufig groß. Doch die Einwohner Otavis scheinen zufrieden. Jona Israel steht in Otavi an einer Zapfsäule und betankt seinen Landrover. "Alles in allem sind wir ganz glücklich mit der Entwicklung", sagt der Transportunternehmer. "Die Fabrik ist eine große Investition, nicht nur für unsere Region, sondern für ganz Namibia." Weil seine LKW auch für die Zementfabrik Zustellungen übernehmen, habe er auch ganz persönlich davon profitiert. Hilma Shaanika fällt ihm ins Wort: "Sie haben vor allem Leute aus den großen Städten Windhoek und Swakopmund eingestellt. Aber hier in Otavi sind die Leute arm."

Hilma Shaanika aus Otavi (Foto: DW/Stefanie Duckstein).
Hilma Shaanika: "Hier sind die Leute arm"Bild: DW/S. Duckstein

Das stimme, gibt Produktionsmanager Manfred Pirker zu, viele der Arbeiter kämen aus den großen Städten. Denn gut ausgebildete Fachkräfte hier im Norden zu finden, sei ein großes Problem. Da müsse das Werk in Zukunft kräftig selber ausbilden.

LKW im Zementwerk Ohorongo bei Otavi (Foto: DW/Stefanie Duckstein).
"Eines der modernsten Zementwerke der Welt": Ohorongo bei OtaviBild: DW/S. Duckstein

Ein paar Häuser weiter sitzt Matsika Farai David vor einer Auslage mit allerlei Haushaltswaren wie Plastikkämmen, Töpfen und Batterien. "Natürlich hat Ohorongo unser Leben verbessert", sagt der Straßenhändler. "Viele, die vorher auf der Straße herumhingen, haben jetzt Arbeit. Außerdem haben sie die Straße hier betoniert und dem Krankenhaus einen Unfallwagen gespendet."

Das Zementwerk Ohorongo hat Arbeitsplätze geschaffen. Nicht nur die 330 in der Fabrik, sondern auch in Subunternehmen, die es ohne das Werk nicht gegeben hätte: Kantinenbetreiber, Hersteller von Arbeitskleidung, Spediteure. Das Management von Ohorongo schätzt die Zahl auf 2500. Bei einer Arbeitslosenrate von 30 Prozent in Namibia zählt jeder einzelne.

"Den Chinesen kann sich keiner entziehen"

Am Werdegang von Ohorongo Zement lässt sich gut ablesen, welche Hürden Unternehmertum in afrikanischen Ländern erschweren. So etwa die Unberechenbarkeit der Märkte. Ein Abnehmer, mit dem Ohorongo fest gerechnet hatte, war Angola. Der Ölriese war ein großes Versprechen, sagt Gerhard Hirth. "Das hat sich als Irrtum herausgestellt. Angola hat die Grenze zugemacht für Zementimporte aus Namibia." Angola werde jetzt auch von China beliefert. "Dem kann sich wahrscheinlich keiner entziehen."

Baustelle in Angolas Hauptstadt Luanda (Foto: DW/M. Sampaio).
Verschlossener Markt für Ohorongo: AngolaBild: DW/M. Sampaio

Die Allgegenwart chinesischer Firmen! Deren Preisdruck könne keiner standhalten, so Hirth. "Immer ein paar Cent billiger als andere." Eigentlich hatte die namibische Regierung Ohorongo Zement zugesagt, dass in der Aufbauphase ein Zollabkommen zum Schutz einheimischer Industrien greifen solle, die "Infant Industry Protection". Das heißt: Zementimporte werden mit 60 Prozent Einfuhrzoll belegt. Doch dann gab es plötzlich doch einen chinesischen Importeur: ohne Zoll, mit Zement zu Spitzenpreisen. Der hatte geklagt gegen den Schutz. "Der Zement ist im Land und wir haben über 30 Millionen Euro verloren", sagt Firmenchef Hirth. Noch wird vor Gericht verhandelt, ein Ausgang des Verfahrens ist nicht in Sicht.