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Aufatmen in Berlin nach brisantem Spiel Türkei - Niederlande

7. Juli 2024

Die Türkei ist im Euro-Viertelfinale gegen die Niederlande im Olympiastadion in Berlin aus dem Turnier ausgeschieden. Dennoch blieb die Nacht in der Hauptstadt weitgehend friedlich.

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Der türkische Präsident Erdoğan applaudiert im Berlin Olympiastadion auf der Tribüne, ganz links im Bild ist der frühere deutsche Fußball-Nationalspieler Mesut Özil zu sehen
Der türkische Präsident Erdoğan in Berlin auf der Tribüne, ganz links Mesut ÖzilBild: IMAGO/Xinhua

Auch der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Olympiastadion half nicht: Mit 2:1 unterlag die türkische Fußball-Nationalmannschaft im Viertelfinale der Europameisterschaft den Niederlanden und ist damit aus dem Turnier ausgeschieden. Erdoğan besuchte im Anschluss die Mannschaft in der Kabine und sagte dort: "Ich gratuliere euch allen. Auch wenn wir heute hier dieses Ergebnis erzielt haben, seid ihr unsere Champions."

Glückwünsche auch an Merih Demiral

Erdogan schüttelte allen Spielern die Hand, auch dem gesperrten Verteidiger Merih Demiral, der noch im Achtelfinale gegen Österreich der Mann des Spiels war und zwei Tore erzielt hatte. Und durch das Zeigen des umstritten "Wolfsgrußes" für  heftige deutsch-türkische Verstimmungen und viel Nervosität bei der Polizei gesorgt hatte.  Aber die Lage blieb nach dem Spiel am Samstagabend trotz gelegentlicher Ausschreitungen in Berlin weitgehend friedlich.

Der Wolfsgruß, das Zeichen der "Grauen Wölfe"

Dem Spiel waren Tage der heftigen gegenseitigen Vorwürfe zwischen Deutschland und der Türkei vorausgegangen, die Polizei stellte sich auf das Schlimmste ein. Demiral hatte den Wolfsgruß im Spiel gezeigt, eine Geste, die mit zwei abgespreizten Fingern die Ohren eines Wolfes darstellen soll, während zwei Finger darunter die Schnauze zeigen. Die Geste ist das Erkennungszeichen des sogenannten "Grauen Wölfe", einer offen rechtsextremistischen Bewegung Den "Grauen Wölfen" werden zahlreiche Gewalttaten und Morde zur Last gelegt. Sie werden vom deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz aufgrund verfassungsfeindlicher Bestrebungen beobachtet.

Deutschland und die Türkei bestellen Botschafter ein

Demiral wurde daraufhin von der UEFA für zwei Spiele gesperrt und fehlte gegen die Niederlande. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte dazu: "Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen." Und sie forderte die UEFA auf, Sanktionen gegen den Nationalspieler zu prüfen. Dabei ist das Zeigen des Wolfsgrußes in Deutschland gar nicht verboten, anders als etwa in Österreich. Faesers Äußerungen hatten heftige Folgen, in Ankara bestellte die türkische Regierung den deutschen Botschafter Jürgen Schulz ein. Eine solche Einbestellung gilt diplomatisch als Geste höchster Missbilligung. Prompt bestellte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihrerseits den türkischen Botschafter in Berlin, Ahmet Başar Şen, zum Gespräch.

Türkischer Fanmarsch wird abgebrochen

Aufgeheizter hätte die Stimmung vor dem Spiel kaum sein können. In den sozialen Medien wurden die in Deutschland lebenden Türken dazu aufgefordert, massenhaft den Wolfsgruß zu zeigen, Absender waren zumeist rechtsextreme Kreise. In Deutschland leben rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln, in Berlin allein etwa 200.000.

Drei Polizisten, mit dem Rücken zum Bild, stehen vor vielen Menschen mit türkischen Fahnen in der Berliner Innenstadt
Der türkische Fanmarsch vor dem Spiel wurde von der Polizei abgebrochenBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

 Am Spieltag gegen die Niederlande waren dann rund 3000 Polizisten rund um das Olympiastadion und an vielen anderen Punkten der Stadt im Einsatz, um Gewalt zu verhindern. Ein Marsch türkischer Fans durch Berlin wurde abgebrochen, nachdem die Teilnehmer immer wieder den Wolfsgruß gezeigt und auf die Aufforderung, die Geste zu unterlassen, nicht reagiert hatten.

Nur ein 5000 Jahre altes Symbol?

Offizielle der türkischen Seite versuchten vor dem Spiel, die Wogen zu glätten. So etwa Hamit Altintop, in Gelsenkirchen geboren und lange Zeit für Schalke 04 und Bayern München in der Bundesliga am Ball. Heute ist Altintop Mitglied des Vorstandes im türkischen Fußballverband. Im deutschen Magenta-TV, das das Spiel übertrug, sagte er vor dem Anstoß zum Wolfsgruß: "Es ist ein über 5000 Jahre altes türkisches Symbol."  Während und nach dem Spiel gegen Österreich habe es keine Provokationen von beiden Seiten gegeben und es habe sich keiner angegriffen gefühlt. Eine Sichtweise, der sich die UEFA nicht anschloss.

Die Niederlande treffen im Olympiastadion zum Ausgleich, das Spiel endet 2:1 für die Niederlande. Im Bild fliegt der türkische Torwart am Ball vorbei
Der Anfang vom Ende. Die Niederlande treffen im Olympiastadion zum Ausgleich, das Spiel endet 2:1 für die NiederlandeBild: John MacDougall/AFP/Getty Images

Und auch im Stadion: Der Wolfsgruß

Während des Spiels im Olympiastadion gegen die Niederlande war es dann ohrenbetäubend laut, die große Mehrheit der türkischen Fans pfiff jede Aktion der Niederländer gnadenlos aus. Stadionbesucher posteten bei "X" Videos, die zeigen, dass auch auf den Rängen der Wolfsgruß massenhaft gezeigt wurde.

Mesut Özil mit Erdoğan auf der Tribüne

Und auf der Tribüne war dann eine weitere Person zu sehen, die im deutsch-türkischen Fußball-Leben immer wieder für Kontroversen sorgt. Hinter Erdoğan saß der frühere deutsche Nationalspieler und Weltmeister von 2014, Mesut Özil, der heute in der Türkei lebt und 2018 unter heftigen Vorwürfen aus der deutschen Nationalmannschaft zurückgetreten war. So warf er dem "Deutschen-Fußball-Bund" (DFB) Rassismus vor. Und im vergangenen Jahr stand er selbst in Deutschland heftig in der Kritik, als ein Foto von ihm eine Tätowierung auf der Brust zeigte- mit dem Wolfsgruß.