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Aufatmen nach dem Banken-Stresstest

24. Juli 2010

Mit Erleichterung sind weltweit die Ergebnisse des Stresstests für Banken aufgenommen worden. Experten und Kritiker verlangen trotzdem weitere Regeln für die Finanzmärkte. Das Risiko einer neuen Krise bleibe bestehen.

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Regenschirm über Frankfurter Bankenviertel (Foto: dpa)
Krisenfest in stürmischen Zeiten: Deutsche BankenBild: picture alliance/dpa

Sie seien ein Schritt zu mehr Vertrauen und Stabilität der Finanzmärkte, so lobten US-Finanzminister Timothy Geithner und Dominique Strauss-Kahn, der Chef des internationalen Währungsfonds, die Ergebnisse des Banken-Stresstests. Nur sieben von insgesamt 91 untersuchten Banken hatten die Prüfung nicht bestanden.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (Foto: AP)
Ist zufrieden mit dem Ergebnis: Wolfgang SchäubleBild: AP

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nannte das Ergebnis der deutschen Banken "ein positives Signal". Von den 14 getesteten Geldinstituten war beim Test eines durchgefallen: die verstaatlichte Hypo Real Estate (HRW). Für Schäuble ist sie ein Sonderfall, weil die kürzlich eingeleitete Neustrukturierung noch nicht berücksichtigt worden ist. Auch der Bundesverband deutscher Banken erklärte, das europäische Bankensystem habe sich "in besserer Verfassung und krisenresistenter" gezeigt, als mancherorts erwartet worden sei.

Nicht alle sind zufrieden

Kritik kommt seitens der Opposition im deutschen Bundestag. Der Stresstest sei wenig aussagekräftig, "die deutschen Banken sind und bleiben wackelig", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, in der Samstagsausgabe (24.07.2010) der "Frankfurter Rundschau". Noch immer fehle genügend Kapital, um ein Eingreifen des Staates bei der nächsten Krise auszuschließen. Deshalb sei es wichtig - wie beim Staat auch - eine gesetzliche Schuldenbremse für die Banken einzuführen.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger wies darauf hin, dass aus dem sicheren Kapital der Banken auch sehr schnell wieder unsicheres werden könne. Das habe die Krise gezeigt, sagte er am Samstag im Deutschlandfunk. Bofinger sprach sich für eine Änderung der Eigenkapitalregeln bei Banken aus, um sie "auf eine robustere Basis" zu stellen. Ein weiteres bestehendes Risiko sieht der Wirtschaftsexperte auch in der extremen Verflechtung der Banken. Wenn ein Geldhaus zusammenbreche, könne dies auch große Auswirkungen auf die anderen haben. Doch diese Folgen seien beim Stresstest nicht untersucht worden, kritisierte Bofinger.

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, warnte, die Ergebnisse "zu positiv" zu sehen. Sie seien nur ein Anfang für mehr Transparenz. Man müsse nun dennoch die wichtigen Finanzmarktreformen umsetzen, sagte Zimmermann in der Handelsblatt"-Onlineausgabe am Samstag.

Nur wenige haben den Test nicht bestanden

Europaweit nahmen in 20 Staaten insgesamt 91 Kreditinstitute an den Stresstests teil - davon zeigten sich sieben Geldhäuser nicht krisenfest. Neben der am Staatstropf hängenden Münchner Hypo Real Estate (HRE) sind dies die größtenteils verstaatlichte griechische "Atebank" sowie die fünf spanischen Sparkassen "Diada", "Unnim", "Espiga", "Banca Civica" und "Cajasur". Sie müssen nun ihre Kapitaldecken stärken.

Das griechische Finanzministerium erklärte, es wolle sich an der notwendigen Kapitalerhöhung für die "Atebank" beteiligen. In Spanien soll das staatliche Rettungsprogramm einspringen. Kleiner Lichtblick für die Iberer: Nicht nur das schlechteste Geldinstitut im Test ("Diada"), auch die beste Bank ("Banca March") kommt aus Spanien.

Jochen Sanio und Franz-Christoph Zeitler (Foto: dpa)
Präsentierten die Stresstest-Ergebnisse: Bundesbankvize Zeitler (r.) und BaFin-Präsident SanioBild: picture alliance/dpa

Schlimmstes Szenario

Bei dem Stresstest wurde untersucht, ob eine Bank auch dann überlebensfähig ist, wenn sich die Märkte sehr negativ entwickeln oder die Konjunktur einbricht. Bestanden haben den Test alle Banken, deren Kernkapitalquote auch bei - angenommenen - kräftigen Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten nicht unter die Marke von sechs Prozent fallen würde. Die HRE kam lediglich auf 4,7 Prozent. Nur knapp über der 6-Prozent-Marke lag im schlimmsten Szenario die Norddeutsche Landesbank (NORD/LB).

Übertragen auf die Finanzlage eines Bürgers könnte bei einem Stresstest beispielsweise geprüft werden, ob Einnahmen, Ersparnisse und der Versicherungsschutz auch dann noch ausreichen, wenn Auto und Waschmaschine gleichzeitig kaputtgehen, der Arbeitgeber pleitegeht und ein neuer Job erst in einem Jahr gefunden wird.

"Schritt für mehr Vertrauen"

HRE-Zentrale (Foto: AP)
Test nicht bestanden: HREBild: AP

Dass solche Test Vertrauen schaffen können, hat sich vor gut einem Jahr gezeigt: Damals zwang die US-Regierung die größten heimischen Institute zu Stresstests und - wo erforderlich - zu Kapitalerhöhungen und Staatshilfen. Allerdings wurden viele Banken in der Europäischen Union bereits vor dem Test mit Staatsgeld aufgepäppelt, andere Häuser profitierten zumindest indirekt von milliardenschweren Rettungsaktionen von Regierungen und Zentralbanken.

Wie reagieren die Börsen?

Ob der Stresstest die Märkte in Europa beruhigt, wird sich zum Börsenstart am kommenden Montagmorgen (26.07.2010) zeigen. "Ich weiß nicht wie Märkte reagieren, dass weiß ich seit den letzten Jahren nicht mehr", räumte der Chef der deutschen Finanzaufsicht BaFin, Jochen Sanio, freimütig ein. Der weltweit wichtigste Aktienmarkt in New York zeigte am Freitagabend jedenfalls kaum eine Reaktion.

Autor: Christian Walz/ Nicole Scherschun (dpa, afp, apn, rtr)
Redaktion: Marko Langer

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