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Kommentar von Richard Fuchs

Richard A. Fuchs, Berlin 30. April 2015

Strom aus Braunkohle ist besonders klimaschädlich und kann in Deutschland keine Zukunft haben. Je früher umgesteuert wird, desto besser. Der Streit um die Klimaabgabe ist daher ein Scheingefecht, findet Richard Fuchs.

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Braunkohletagebau Garzweiler NEU
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn es läuft, dann läuft's halt. Und in den Braunkohle-Kraftwerken in Deutschland läuft es derzeit ganz besonders gut. Das Geschäft brummt, weil der Ausstoß von Emissionen in Europa derzeit nahezu nichts kostet. Das sorgt dafür, dass die Braunkohle-Kraftwerke für die Energiekonzerne wahre Goldesel sind. Mit ihnen lässt sich Geld verdienen, während die Energiewende den Unternehmen ansonsten vor allem Verluste beschert.

Es ist leicht einzusehen, dass Energiekonzerne wie RWE oder Vattenfall diese Kraftwerke möglichst lang am Netz halten wollen. Der einzige Haken: Die Stromproduktion mit Braunkohle stößt besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid aus. Das stellt die Ziele der Energiewende hierzulande auf den Kopf. Und deshalb ist der Kampf um die Reduktion von Treibhausgasen längst auch ein Überlebenskampf für die Braunkohle in Deutschland geworden. Und dieser Überlebenskampf hat jetzt auch einen Namen: Klimaabgabe.

Der Strukturwandel kommt

Mit der Klimaabgabe hat Wirtschaftsminister Gabriel erkannt, dass es ein "Weiter so!" nicht geben kann. Und das ist gut. Gabriels Methode kommt dabei spät, finden vor allem Umweltschutzverbände.Aber sie ist mutig und vor allem zielführend. Er will bei der Stromproduktion 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen, indem er den Kohlendioxidausstoß älterer Kraftwerke teurer macht. Für Emissionen, die über einem speziellen CO2-Kontingent für jedes Kraftwerk liegen, müssten Kraftwerksbetreiber dann Zertifikate nachkaufen. Die sollen den Braunkohle-Strom teurer machen - und genau das muss das Ziel sein.

Richard Fuchs, Korrespondent im DW-Hauptstadtstudio
Richard Fuchs, Korrespondent im DW-Hauptstadtstudio

Denn Deutschland wird seine hochtrabenden Klimaschutzziele verfehlen, wenn jetzt nicht gegengesteuert wird. Das stellte im Herbst nicht irgendjemand fest, sondern die Regierung selbst. Das ist besonders peinlich, weil Kanzlerin Merkel sich beim Treffen der sieben größten Industriestaaten (G7) Anfang Juni im bayerischen Elmau sehr gerne wieder als Klimaschutz-Kanzlerin feiern will. Bis 2020 will das Land seine Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.

Aktuell ist es davon meilenweit entfernt - nicht zuletzt, weil die Stromproduktion aus Braunkohle boomt. Mehr als ein Viertel des deutschen Stroms stammte letztes Jahr aus diesen Meilern. Der Haken: Das verhagelt die CO2-Bilanz langfristig, denn selbst das modernste Braunkohle-Kraftwerk pustet noch immer doppelt so viel CO2 in die Luft wie ein Gaskraftwerk.

Dabei sind die hitzigen Wortgefechte um das Für und Wider der Klimaabgabe nichts weiter als ein Scheingefecht. Denn der Strukturwandel weg von der Braunkohle kommt. Bislang ist nur keiner willens, diese unbequeme Wahrheit auszusprechen. Denn dieser Strukturwandel wird Konsequenzen für Arbeitsplätze haben, zweifelsohne. Die Klimaabgabe kann diesen Prozess beschleunigen - auslösen kann sie ihn nicht.

Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Klimaabgabe. Sie könnte Jobs kosten, befürchten sie.
Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Klimaabgabe. Sie könnte Jobs kosten, befürchten sie.Bild: picture-alliance/dpa/R.Jensen

Die Verlierer mitnehmen

Wenn Gewerkschafter und Energiebosse jetzt in seltener Eintracht gegen die Klimaabgabe Sturm laufen, ist das verständlich, aber zu kurz gedacht. Denn Deutschlands Energiepolitik war an dieser Stelle bislang vor allem eines nicht: ehrlich. All jene, die jetzt das Ende des Industriestandorts Deutschland heraufbeschwören, übertreiben maßlos. In Horrorszenarien skizzieren Bergbau-Gewerkschafter, dass bis zu 100.000 Jobs wackeln. Dabei sind im direkten Braunkohle-Geschäft bundesweit gerade noch 22.000 Menschen tätig. Ist der Rest ein Dramatik-Aufschlag, um die Politik weichzukochen?

Klimaschutz darf nicht dazu führen, dass es in Bergbauregionen zu einem "sozialen Blackout" kommt. Diese Warnung aus dem Mund von Gewerkschaftern ist richtig. Führt sie allerdings dazu, dass die Angst vor Job-Verlusten zum alleinigen Maßstab für die Energiewende wird, dann scheitert das Projekt. Deutschlands Tagebau-Reviere an Rhein und Ruhr und in der Lausitz müssen sich auf die Zeit nach der Braunkohle vorbereiten. Das gilt, egal ob dort noch 20, 30 oder 40 Jahre Braunkohle gefördert wird.

Um Gegner und Befürworter der Klimaabgabe miteinander zu versöhnen, gäbe es Wege. Bisher redet davon nur keiner. So könnten Teile des Preisaufschlags auf den Braunkohlestrom direkt in die vom Strukturwandel betroffenen Regionen zurückfließen. Besonders dort, wo sich die Schreckensszenarien tatsächlich als Jobverluste materialisieren. Statt den Wandel auszubremsen könnte damit ein Stück Planbarkeit zurückkehren. Der Ausstieg aus der Braunkohle könnte so selbst zum Goldesel werden. Dieses Mal allerdings für die Bevölkerung - und nicht für die Konzerne, die bisher davon profitiert haben. So könnte ein aufrichtiger Abschied aussehen.