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Ausstellung zu jüdischem Leben in Deutschland

Philipp Jedicke
15. September 2021

Kunstinstallationen, Objekte, Dokumente: Kernstück der Schau ist ein Dekret, das beweist, dass es jüdisches Leben in Deutschland seit der Spätantike gibt.

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Eine Holzhütte mit geöffnetem Dach, dahinter eine bunte Malerei
Kunstwerke neben Nutzobjekten: im Vordergrund eine Sukka (Laubhütte) aus der Synagoge in Rottenburg-BaisingenBild: Rottenburg a. Neckar, Stadtarchiv und Museen

"Das Allerwichtigste zuerst: Köln hat ein jüdisches Museum". Mit diesem Satz eröffnete Stefan Kraus, Leiter des Kolumba Museums, am vergangenen Montag (13.09.) die Pressekonferenz zur Ausstellung "In die Weite - Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland".

Tatsächlich ist die Kooperation seines Museums mit MiQua, dem LVR-Jüdischen Museum im Archäologischen Quartier Köln, mehr als nur ein Vorgeschmack darauf, was die Besucherinnen und Besucher in Köln erwarten wird, wenn das im Bau befindliche jüdische Museum fertig sein wird. Bis dahin wird "In die Weite" mit einer Auswahl von etwa 100 internationalen Leihgaben (die teilweise im Laufe des Jahres ausgewechselt werden) jüdisches Leben in Deutschland darstellen. 

Zentrales Ausstellungsstück: ein römisches Dekret

Das Herzstück der Sammlung ist ein Dekret des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321. Konstantin bittet darin die Stadt Köln, Juden in die Stadträte aufzunehmen und bei wichtigen Entscheidungen mitwirken zu lassen. Das wertvolle Dokument belegt die mindestens 1700-jährige Existenz von Jüdinnen und Juden nördlich der Alpen und begründet das diesjährige Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Bei der ausgestellten Abschrift handelt es sich um die älteste. Sie stammt aus dem 6. Jahrhundert und wird normalerweise in der Biblioteca Apostolica Vaticana aufbewahrt. Solche einzigartigen Quellen in der Vatikanischen Bibliothek sind in der Regel mit einer grundsätzlichen Ausleihsperre versehen.

Deutschland Ausstellung Kolumba-MiQuaIn die Weite – Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland
Ohne Titel (1992): Acryl, Pigment, Gold- und Silberbronze, montierte Gegenstände auf 11-teiliger TischlerplatteBild: Lothar Schnepf/VG Bild-Kunst, Bonn

"Dass es gelungen ist, das Dekret nach Köln zu holen, bedeutet mir persönlich, aber auch für die Ausstellung viel. Die Ankunft und Ausstellung wird ein Ereignis von außergewöhnlichem öffentlichem Interesse, das national und international Beachtung finden wird", sagte Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland und Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde in Köln, als er das Dekret gemeinsam mit Ulrike Lubek, der Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) und Kardinal Woelki, dem Erzbischof von Köln, in Empfang nahm.

Kunst neben Nutzobjekten

Das Konzept der Ausstellung ist ungewöhnlich, überraschend und neu: Gemälde des Abstrakten Expressionismus hängen hier neben jahrhundertealten Schriften, Kunstinstallationen stehen inmitten von Alltagsgegenständen. Die Ausstellung sehen ihre Macher daher auch als "historisch-ästhetische Annäherung" und wollen "mit den Werken der freien Kunst jenen Anteil von Geschichte ansprechen, über den man nicht als Faktum berichten kann." Auch das nicht Benennbare findet so seinen Platz und erzählt eindrücklich vom Verlust und von den Traumata, die die deutsch-jüdische Geschichte begleiten. 

Anstatt trockene Fakten abzuarbeiten, erzählen die Kuratoren Christiane Twiehaus und Thomas Otten (MiQua) sowie Marc Steinmann und Stefan Kraus (Kolumba) bei der Pressekonferenz davon, wie sie bei bestimmten Stücken "Gänsehaut" bekamen, als sie sie erstmals zu Gesicht bekamen und in ihre Ausstellung aufnehmen durften. Darunter auch die Genisa aus Niederzissen in der Eifel.

Eine Tischplatte mit verschiedenen schwarzen Kästchen, in denen Gegenstände und Schriftstücke liegen.
Fundstücke aus der Genisa in NiederzissenBild: Lothar Schnepf/Kolumba, Köln

Genisa ist das hebräische Wort für einen Aufbewahrungsort abgenutzter oder beschädigter ritueller Schriftstücke und Kultgegenstände. Die Gläubigen brachten sie in die Synagoge, wo sie in der Genisa eine Art Ruhestätte fanden. Eine der bedeutendsten bisher entdeckten Genisot Deutschlands stammt aus Niederzissen. In dem kleinen Eifelort lebten einmal 400 Jüdinnen und Juden - heute ist dort kein einziger Bürger mehr jüdischen Glaubens. Nun liegen die persönlichen Erinnerungsstücke aus der Genisa im Armarium des Kolumba.

Ein liberaler Großherzog

Zu den vielen außergewöhnlichen Stücken gehört auch eine Sammlung von Fotografien badischer Synagogen. In dem Gebiet im Westen des heutigen Baden-Württembergs verfolgte der badische Großherzog Friedrich I. eine liberale Politik und war damit "dem Rest des Deutschen Reichs weit voraus", so Christiane Twiehaus.

Ein Raum mit einem Kleiderständer, an dem ein Hut und ein Mantel hängen. Im Hintergrund eine vergoldete Wand, links eine flackernde Öllampe.
Die Installation "Tragedia Civile (Bürgerliche Tragödie)" von Jannis KounellisBild: Lothar Schnepf/VG Bild-Kunst, Bonn

1862 erließ Friedrich ein Gesetz, das Jüdinnen und Juden die Gleichbereichtigung brachte. Als Dank dafür überreichte der Oberrat der Israeliten in Baden dem Großherzog zu dessen 70. Geburtstag die Truhe mit Fotografien. Sie geriet in Vergessenheit und wurde erst 1995 wiederentdeckt. Elf der dort abgebildeten 13 badischen Synagogen wurden während der nationalsozialistischen Herrschaft zerstört. 

Die Ausstellung ist auch eine Dokumentation des gigantischen Verlusts von Menschenleben, von Vielfalt und von Kultur, der in Deutschland stattfand. Dennoch tritt sie nicht "in die Schoa-Falle", merkt Kolumba-Direktor Kraus an, indem er den deutsch-jüdischen Autor Max Czollek zitiert. Stattdessen ist sie ein lebendiges und überraschendes Zeugnis jüdischen Lebens in all seinen Facetten.

"In die Weite. Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland" ist eine Kooperation von LVR-MiQua und Kolumba. Die Ausstellung dauert vom 15. September 2021 bis 15. August 2022 und ist im Kolumba-Museum in Köln zu sehen.