Australien bittet: Sagt eure Reisen nicht ab!
18. Januar 2020Eher selten schafft es Australien in die internationale Berichterstattung. Von den Australien Open einmal abgesehen. Oder von Geschichten über Krokodil-Attacken. Aber dieser australische Sommer ist anders. Seit Monaten wüten Buschfeuer auf dem australischen Kontinent, weite Teile des Landes sind verwüstet. Die ganze Welt schaut auf Australien. Nun appelliert Australien an die Touristen: Wir sind ein großes Land. Kommt! Lasst uns nicht im Stich!
Touristen sind angesichts der Meldungen aus den Katastrophengebieten verunsichert. Ganze Städte werden von den Flammen verschlungen, Landschaften zerfallen zu Asche, Millionen von Tieren kommen in den Flammen um, Menschen sind auf der Flucht.
Ein Albtraum für die Reisebranche
Die Zahl der Reisebuchungen sei um bis zu 20 Prozent zurückgegangen, erklärte der Branchenverband ATEC. Er rechnet mit Einbußen von 4,5 Milliarden australischen Dollar (rund 2,8 Milliarden Euro). "Internationale Besucher stornieren aus Sorge um die Luftqualität, ihre Sicherheit und die Auswirkungen der Brände auf unser touristisches Angebot", sagte ATEC-Geschäftsführer Peter Shelley. Vor allem viele Touristen aus den USA, Großbritannien und Europa blieben weg - sie machen in der beliebten Reisezeit von Dezember bis Februar normalerweise die Hälfte der Australien-Besucher aus.
Tony Coppins bietet Meerestouren auf Kangaroo Island an, deren Artenvielfalt mit den Galapagos-Inseln vergleichbar ist. Sein Unternehmen ist auf TripAdvisor top bewertet, mit begeisterten Stimmen zu Erlebnissen wie z.B. Schwimmen mit Delfinen.
Doch das Geschäft ist zum Erliegen gekommen, nachdem das westliche Drittel der Insel den Flammen zum Opfer fiel. "Wir hatten Hunderte von Absagen. Es ist ein Albtraum. Ich habe für die kommenden drei Monate nur Stornierungen", sagt Coppins.
Dabei ist nur ein Teil von Kangoroo Island zerstört, ein weitaus größeres Gebiet ist noch intakt. Und zwar der gesamte östliche Teil der Insel mit den meisten touristischen Angeboten. Trotzdem haben die Touristen Angst und sagen massenhaft ab. "Das hat zu einer Beschäftigungskrise auf der Insel geführt", berichtet Coppins. "Wir haben mehr als 30 Aushilfskräfte. Für die gibt es jetzt keine Arbeit mehr, weil wir keine Buchungen mehr haben." Diese Abwärtsspirale zieht alle in ihren Sog. Wo die Einnahmen fehlen können die Leute weder Raten für ihre Häuser zahlen, noch sich das Nötigste kaufen, meint Coppins.
Hotels in New South Wales und Victoria berichten über ähnliche Probleme: Touristen stornieren ihre Buchungen für Gebiete, auch wenn diese sicher sind. Australiens Tourismusbehörde ist sich der Stornierungen und des Buchungsrückgangs bewusst, aber es sei noch zu früh für Statistiken über den gesamten wirtschaftlichen Schaden. Tourismusminister Simon Birmingham äußert gegenüber der DW, dass die internationale Medienberichterstattung die geographische Reichweite der Brände übertrieben habe.
"Ich appeliere an die Menschen, die schon gebucht haben oder die eine Reise in Betracht ziehen, sich genau zu informieren und den Schaden für die Tourismusunternehmen nicht durch unnötiges Fernbleiben noch zu vergrößern", so Birmingham. "Ich möchte klarstellen, dass Australien Touristen willkommen heißt. Denn die meisten australischen Regionen sind vom Feuer unberührt und bieten den Reisenden weiterhin genau die unglaublichen Erlebnisse, für die unser Land bekannt ist."
Die Tourismusindustrie und die australische Regierung müssten dringend die Botschaft vermitteln, dass viele wichtige Touristenziele nicht von den Bränden betroffen seien, forderte auch Shelley. Diese Botschaft ist dem internationalen Publikum angesichts der schockierenden Bilder aus den Katastrophengebieten nur schwer zu vermitteln. Zeitweise gab es sogar Reisewarnungen.
Wo ist es sicher?
Um die Touristen bestmöglich zu informieren, aktualisiert Tourism Australia regelmäßig seine Liste von international beliebten Touristenorten, die von den Bränden betroffen sind.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts waren alle touristischen Hotspots in Queensland, Westaustralien und Tasmanien von den Bränden unberührt. Auch die meisten Touristenorte in anderen Staaten waren sicher, einschließlich Victorias Great Ocean Road und Phillip Island sowie die Nordküste von New South Wales und das Hunter Valley.
Große Reiseveranstalter führen ihre Touren in der Regel ohne Einschränkungen durch. Sie passen allerdings ihre Routen rund um Sydney der aktuellen Situation an. Die Travel Corporation, die mehrere große Reiseveranstalter in Australien vereint, bekräftigt in einer offiziellen Erklärung, dass die meisten Reisen nach Australien wie geplant durchgeführt werden können.
Unangenehmen ist es in den großen Städten im Südosten wie Sydney oder Melbourne. Sie sind zwar vor Bränden sicher, leiden aber unter einer schlechter Luftqualität. Die Sichtweite wird durch den Rauch teilweise auf mehrere hundert Meter reduziert, und auch die Atmung ist beeinträchtigt.
Alternative: Australiens Westen
Insbesondere der Bundesstaat Westaustralien bleibt eine gute Option für besorgte Touristen, denn dank der günstigen Wetterbedingungen im zurückliegenden Winter blieb der Bundesstaat von den Megabränden weitgehend verschont.
Der Tourismusminister von Westaustralien, Paul Papalia, sagte gegenüber der DW, dass gegenwärtig der Tourismus in dem dünn besiedelten Bundesstaat dreimal so stark zunimmt wie im nationalen Durchschnitt. Dies sei vor allem den Individualtouristen zu verdanken, deren Reiseroute meist flexibel sei, so Paul Papalia weiter. Sie erkunden überwiegend die unberührte Natur im Bundesstaat, Regionen, die tausende Kilometer von den Bränden entfernt sind.
Abenteuerlustige Europäer zieht es besonders zum Ningaloo-Riff und in die Kimberley-Region. Dafür muss man nicht unbedingt weite Fahrten auf sich nehmen. Die Regionen sind zunehmend mit erschwinglichen Flügen zu erreichen. "Unsere Botschaft ist: Australien ist riesig. Und es ist tragisch, was in einigen Teilen unseres Landes passiert", meint Paplia. "Aber Westaustralien ist absolut offen für den Tourismus. Wir haben einige großartige Regionen, die uns zum begehrten Ziel für australische und internationale Besucher gemacht haben."
Wie Touristen helfen können
Viele Reisende haben Schwierigkeiten, verlässliche Informationen zu finden. Sie fragen in Online-Foren um Rat, ob sie stornieren sollen oder nicht. Einheimische raten selten zur Absage, sondern verweisen auf lokale Webseiten wie die der Staatlichen Feuerwehr und der Tourismusbüros.
Betreiber eines dieser Online-Foren erzählten uns gerührt, dass sich bei ihnen mehrere Touristen gemeldet hätten, die ihre Reise zwar absagen mussten, da ihre Urlaubsziele völlig vernichtet wurden. Aber sie hätten beschlossen, das Geld nicht von den Unternehmen zurückzufordern, um den Wiederaufbau zu unterstützen. Dies ist nur eine der Möglichkeiten, wie Touristen den von Bränden betroffenen Regionen helfen können.
So haben Reiseanbieter begonnen, Touristen aufzufordern, den Zeitpunkt ihrer Buchung zu verschieben oder den Kauf von Gutscheinen zu erwägen. Es wurden Bürgerinitiativen ins Leben gerufen, um den Tourismus anzukurbeln, darunter die Website Roadtrip For Good. Hier sind Anbieter aufgelistet, die nach den Bränden auf Kunden angewiesen sind.
Andere Gruppen fordern die einheimischen Touristen auf, nach dem Ende der Brände mit leeren Kühlboxen - sogenannten Eskies - in die betroffenen Regionen zu reisen, sie dort mit Waren aus lokaler Produktion zu füllen und so regionale Erzeuger zu unterstützen.
Die Australier, die eine nationale Identität als "Kämpfer" vereint, sind stolz darauf, sich selbst zu helfen. Internationale Spendensammlungen werden von den Menschen vor Ort zwar sehr geschätzt, aber die Mehrheit will - und das ist die überwältigende Botschaft - kämpfen und weitermachen. Sie wollen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.
"Im Moment können uns die Menschen am besten helfen, indem sie Gebiete besuchen, die nicht von Bränden betroffen sind", sagte Brendan McClements, Geschäftsführer von Visit Victoria, gegenüber DW. "Wenn die Lage sicher ist, werden wir alles tun, um die Menschen zu ermutigen, die betroffenen Gemeinden zu besuchen. Sie können dann lokale Unternehmen unterstützen, indem sie Cafés besuchen, Restaurants buchen und regionale Hotels füllen."
Links, die jetzt weiterhelfen:
Wer plant, nach Australien zu reisen, sollte zunächst auf "Visit Australia"prüfen, ob sein Reiseziel in einer der betroffenen Regionen liegt.
Informationen zum landesweiten Wetter allgemein inklusive aktueller Feuer-Warnungen gibt es auf der Seite des Buerau of Meteorology.
Google Maps bietet eine Karte mit einer Übersicht der aktuellen Brandherde an.
Und wer sich über die Luftqualität vor Ort informieren möchte, dem hilft die Seite von air-quality.com weiter.