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Der Kampf gegen das Aussterben der Koalas

Manuela Callari
30. November 2020

Kailas Wild rettete ein dem Tod geweihtes Koala-Baby aus den verkohlten Ästen eines verbrannten Eukalyptusbaumes. Das Überleben des Jungtiers gibt dem Australier Hoffnung für die Zukunft der Art.

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Kailas Wild mit verwaistem Baby-Koala Kai
Bild: Kailas Wild

An einem Morgen im Februar, nachdem eines der verheerendsten Buschfeuer in Australien erloschen war, machte sich Kailas Wild auf den Weg zu den verkohlten Eukalyptusplantagen von Kangaroo Island vor der Südküste des Landes. Der Anblick der verkohlten Bäume schmerzte ihn. Denn Eukalyptusblätter sind Hauptnahrung für Koalas. Doch Wild fiel noch etwas anderes ins Auge: Ein ausgehungertes Koala-Baby mit versengtem Fell, das sich zwischen den verbrannten Blättern zusammengerollt hatte. 

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"Es war das erste verletzte und verwaiste Koala-Baby, das ich fand. Ein wirklich erschütternder Anblick. Es tat mir so leid", erinnert sich Wild. Er kletterte auf den Baum, fing das kleine Koala-Weibchen ein und fuhr mit ihm in die eine Stunde entfernte Tierklinik von Kangaroo Island.  

"Die ganze Zeit dachte ich, ich mache das nur, um ihr schlimmeres Leid zu ersparen." Als er das kleine Wesen den Ärzten übergab, konnte Wild seine Tränen nicht zurückhalten. Er war überzeugt, dass das Koala-Baby eingeschläfert werden müsse. 

Stattdessen sagten ihm die Ärzte, die Überlebenschancen des kleinen Koalas stünden gut. Schnell wuchs das Jungtier Kailas Wild ans Herz. Er kam jeden Tag, um das Koala Mädchen zu füttern und schließlich benannte er es sogar nach sich selbst: Kai. "Ich konnte einfach nicht anders. Sie hatte etwas ganz Besonderes an sich. Mit keinem Wesen habe mich jemals so verbunden gefühlt wie mit ihr." 

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Koalas wurden schon vor den Buschbränden auf der Liste der gefährdeten Tierarten geführt, dann kamen letzen Sommer Tausende in den Flammen um. Die außergewöhnlich verheerenden Brände werden mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht. Für Kailas Wild wurde das Leid und Überleben dieses kleinen Koalas zum Symbol der ganzen Spezies.

Ein wilder Koala klettert auf einen verkohten Eukalyptusbaum auf Kangaroo Island, Australien
Ein wilder Koala klettert auf einen verkohlten Eukalyptusbaum auf Kangaroo IslandBild: Daniel Berehulak

Die Ursache allen Übels: Der Verlust von Lebensraum

Seine Liebe zu Koalas entdeckte Wild als freiwilliger Helfer im Australia Zoo für Wildtiere in Beerwah, im östlichen Bundesstaat Queensland. Dort half er auf der Krankenstation aus. Es wurden viele Tiere eingeliefert, die an Chlamydien erkrankt, von Autos angefahren oder von Hunden angefallen worden waren.

"Letztlich ist all das auf den Verlust von Lebensraum zurückzuführen", erklärt Wild. Wäre ihr Lebensraum unberührt, müssten Koalas die Baumkronen kaum verlassen. 

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Weil die Wälder jedoch durch Brände zerstört oder abgeholzt werden, um Platz für Landwirtschaft, Bergbau und dem Bau von Städten zu schaffen, werden die Beuteltiere aus den schützenden Bäumen vertrieben. Am Boden sind sie dann vielen Gefahren ausgesetzt, wie etwa Hunden oder dem Autoverkehr. Gleichzeitig werden die Tiere anfälliger für Chlamydien, einer hoch ansteckenden bakteriellen Erkrankung. Während eine gesunde Koala-Population diese Krankheit meist unbeschadet übersteht, kann sie für Tiere, die unter Stress stehen, verhängnisvoll sein.

Australien Koalas
Koalas in glücklicheren ZeitenBild: Imago Images/Anka Agency International

"Das Leid dieser Tiere im Wildtierkrankenhaus zu erfahren, hat mir die Augen geöffnet", berichtet Wild. "Ich habe die Auswirkungen des Klimawandels auf die Koala-Population gesehen und erkannt, dass die Rettung von Koalas keinen Sinn macht, wenn wir ihren natürlichen Lebensraum nicht erhalten."

Rettungsmission auf Kangaroo Island

Kailas Wild, ein ausgebildeter Baumpfleger, war gerade in Sydney als die Brände ausbrachen und unterstützte dort als Freiwilliger die Rettungsdienste im Kampf gegen die Flammen. Ende Januar bekam er eine Nachricht von einem Wildtierpfleger auf Kangaroo Island. "Dort war man auf einen Koala gestoßen, der Hilfe brauchte. Doch niemand kam an ihn heran", so Wild. 

Für die Aktion nahm Wild eine 20-stündige Autofahrt ins südliche Australien und eine Fährüberfahrt nach Kangaroo Island auf sich. Die einst dicht bewaldete Insel hatte stark unter den Buschbränden gelitten. Zwei Drittel aller Bäume waren verbrannt.

Kai Wild rettet einen Koala auf Kangaroo Island, Australien
Kai Wild rettet einen Koala auf Kangaroo IslandBild: Daniel Berehulak

In den folgenden sieben Wochen rettete er 107 Koalas aus verkohlten und gefährlich instabilen Baumkronen. Wild war klar, dass die Anzahl dieser geretteten Tiere eher gering ist im Vergleich zu den Tausenden, die durch Brände und den Verlust ihres Lebensraum sterben. Eine sehr entmutigende Tatsache für ihn. "Ich habe wochenlang jeden Tag geweint", erzählt er. 

Schutz für die letzten Wälder der Koalas

Seit Kailas Wild nach New South Wales zurückgekehrt ist, setzt er sich für den Schutz der Gebiete ein, die der jüngste Großbrand verschont hat. Mehr als fünf Millionen Hektar Land waren allein in diesem Bundesstaat von den Bränden betroffen. Dadurch wurden über 70 Prozent der dort lebenden Koalas ausgerottet. Der verbliebene Lebensraum der Tiere wird durch Projekte der staatlichen New South Wales Forestry Corporation weiter zerstört. 

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Wild erzählt von einem Erlebnis im Lower Bucca State Forest, wo er vor kurzem mit Experten des Naturschutzrats den Verlust des Lebensraumes von Koalas dokumentierte. Plötzlich hörte er, wie gefällte Bäume auf den Boden krachten. An den Ästen fand er Spuren von Koala-Krallen. "Dies ist einer der letzten von Feuern verschonten, intakten und hochwertigen Lebensräume, die an der Nordküste des Bundesstaates noch existieren. Ich verstehe nicht, wie sie so etwas rechtfertigen können", klagt er. 

Im Juni ergab eine parlamentarische Untersuchung, dass die Koalas in New South Wales ohne "schnelles staatliches Eingreifen" bis zum Jahr 2050 ausgestorben sein werden. Der Umweltminister des Bundesstaates, Matt Kean, sagte dazu später in Interviews, dass er das verhindern wolle. Sein Ziel sei es, die Anzahl der Koalas bis 2050 zu verdoppeln. Das Vorhaben zur Rettung der Koalas nimmt Wild dem Politiker nicht ab, denn Kean sei "Teil eben jener Regierung, die nicht aufhört intakte, von den Feuern unversehrte Wälder zu roden.” Dieser Widerspruch verdeutlicht die heftigen Spannungen in der australischen Politik. 

Abholzung in New South Wales, Australien
Abholzung in New South Wales bedroht den Lebensraums von KoalasBild: Calumn Hockey

Polarisierte Politik 

Einerseits erfordert die Zukunft einer der prominentesten Tierarten des Landes dringende Schutzmaßnahmen. Andererseits haben die Auswirkungen von COVID-19 die Behörden von New South Wales dazu veranlasst, Handelsprojekte zu beschleunigen, um so die Wirtschaft anzukurbeln. Dazu gehört beispielsweise die Vergrößerung eines in deutschem Besitz befindlichen Steinbruchs am Brandy Hill. Diesem Vorhaben gaben die Umweltbehörden des Landes Ende Oktober grünes Licht. Damit werden mehr als 50 Hektar Urwald zerstört, in dem Experten zufolge eine ganze Population von Koalas beheimatet ist.

"Wenn wir weiterhin 50 Hektar hier und 50 Hektar dort roden, zerstückeln wir den Lebensraum der Koalas", erklärt Ryan Witt, Naturschutzexperte an der University of Newcastle in New South Wales. Er ergänzt, dass die Tiere Platz zum Umherstreifen bräuchten. Die Diskussionen um die Umweltvorschriften zur Erweiterung der Koala-Schutzgebiete haben in den vergangenen Monaten fast zu einer Spaltung der Regierungskoalition des Bundesstaates geführt.

Ebenso heftig diskutiert wird ein Änderungsantrag, durch den Waldbesitzern gestattet wird, 25 Meter Wald auf beiden Seiten der Grenzzäune als Brandschneise abzuholzen. Wenn alle Landbesitzer das tun, könnte diese Abholzung laut einer Analyse der Umweltorganisation WWF Australien 12.000 Hektar des Koala-Habitats gefährden.

Ein Symbol der Hoffnung

Kailas Wild arbeitet derweil entschlossen daran, die Öffentlichkeit in dieser hitzigen politischen Debatte auf die Seite der Koalas zu ziehen. "Die einzige Hoffnung besteht darin, die Anteilnahme der Menschen zu gewinnen", erklärt er. Genau das versucht er mithilfe von Social-Media-Kampagnen und seinem Buch "The 99th Koala" zu erreichen. Und das Koala-Baby Kai spielt darin eine Hauptrolle.

Kailas Wild mit verwaistem Baby-Koala  Kai
Kailas Wild fühlte sich mit Baby-Koala Kai tief verbunden, dennoch war es für ihn eine große Freude, seinen Schützling wieder in den Wald zurückbringen zu könnenBild: Kailas Wild

Denn für dieses Waisenkind, dessen Schicksal so aussichtslos schien, als Wild es zusammengekauert im abgebrannten Wald fand, gibt es ein glückliches Ende: Die kleine Kai wurde Anfang September auf Kangaroo Island freigelassen. „Ich habe eine unglaubliche Euphorie gefühlt. Mein Herz raste – und ich war sehr glücklich", erinnert er sich. "Kai ist ein Symbol der Hoffnung."