Ausweg für Julian Assange gesucht
20. Februar 2020Es ist eine internationale Gruppe von Anwälten, die sich an der Verteidigung von Julian Assange beteiligen. Bevor am Montagmorgen das Auslieferungsverfahren vor einem Gericht im Londoner Stadtteil Woolwich beginnt, wollen sie noch einmal auf die Einzigartigkeit dieses Auslieferungsverfahrens hinweisen. "Die 175 Jahre Gefängnis, die die US-Justiz ihm androhen, sind eine unwürdige, unerträgliche Strafe", sagt der französische Verteidiger Eric Dupont-Moretti. Die Verfolgung von Assange sei nach jedem juristischen Maßstab ein politischer Prozess.
Poltisches Asyl in Frankreich?
Assange habe von 2007 bis 2010 in Frankreich gelebt, dort wohnten auch seine Ex-Frau und sein Sohn. Außerdem sei Wikileaks noch in Frankreich registriert - der Jurist versucht offensichtlich, einen Fall zu konstruieren, der eine Frankreichnähe des Australiers belegen soll. Abgesehen davon enthalte die Verfassung des Landes einen Absatz, wonach politisch verfolgten Menschen Asyl gewährt werden könne. "Wir halten die Situation für schwerwiegend genug, dass wir mit Präsident Macron darüber reden sollten", sagt Dupont-Moretti.
Frühere französische Präsidenten waren mit der Auslegung dieser Regel teilweise sehr großzügig. Es ist allerdings eine politische Entscheidung und die Frage ist, ob Emmanuel Macron Interesse daran hat, einen offenen Konflikt mit US-Präsident Donald Trump anzuzetteln. Die Wahrscheinlichkeit erscheint nicht sehr hoch. Der Vorstoß allerdings scheint auch ein gewisses Maß an Verzweiflung bei den Verteidigern zu zeigen, die wohl nicht sicher sind, ob das Auslieferungsverfahren in London mit herkömmlichen juristischen Mitteln zu gewinnen ist.
Dennoch listet der Franzose einmal mehr alle Verstöße gegen Assanges Rechte auf. Gründe, die dafür sprechen, ihn umgehend aus der Haft zu entlassen und das Auslieferungsverfahren gegen ihn abzuweisen. Die jahrelange Isolation in der Londoner Botschaft von Ecuador und die darauf folgende monatelange Einzelhaft im Belmarsh-Gefängnis in der britischen Hauptstadt hätten den seelischen und gesundheitlichen Zustand von Assange schwer beeinträchtigt.
Erst kürzlich waren dem UN-Beauftragten für Folter, Nils Melzer, bei Assange Symptome aufgefallen, die bei Folteropfern vorkommen. Anfang der Woche forderten 175 Ärzte im Fachmagazin "Lancet" die Entlassung des Wikileaks-Gründers, weil dessen Zustand keine weitere Inhaftierung erlaube.
Er habe Probleme, sich auszudrücken, fügt Dupont-Moretti hinzu, "er kann sich nicht verteidigen und die Unterlagen nicht analysieren". Das Verfahren gegen ihn sei nicht fair und außerdem gefährde es alle Journalisten in ihrer Freiheit, Informationen zu veröffentlichen.
Trump soll Assange Begnadigung angeboten haben
Der prominenteste unter Assanges Verteidigern ist Balthasar Garzon, ein früherer spanischer Richter, der dafür bekannt ist, dass er versucht hatte, den chilenischen Diktator Pinochet anhand internationalen Rechts anzuklagen. Der Spanier engagiert sich seit Jahren für den Wikileaks-Gründer und sagt, er habe in seiner Karriere "einen solchen Fall noch nicht erlebt, was die Menge der juristischen Verstöße gegen die Rechte eines Beschuldigten" angehe.
Garzon weist noch einmal auf eine mutmaßliche Verstrickung der spanischen Sicherheitsfirma hin, die Assange in der ecuadorianischen Botschaft während seines jahrelangen Asyls dort bewachen sollte. Dieses Unternehmen habe sich von der US-Regierung anwerben lassen, Assange zu bespitzeln. Aus dem inzwischen in Spanien anhängigen Verfahren würden die Details bekannt werden, wonach alle Besuche, auch von seinen Anwälten und die geführten Gespräche in der Botschaft an US-Stellen weitergereicht worden seien. Das bedeute in jedem Fall einen schweren Verstoß gegen das Recht von Assange auf Verteidigung.
Garzon wiederholte auch die Behauptung, dass US-Präsident Donald Trump dem Australier Assange eine Begnadigung angeboten habe, wenn Assange damit aufhören würde, russische Hacker für die Veröffentlichung von privaten E-Mails der einstigen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton verantwortlich zu machen. Das Weiße Haus hat dies zurückgewiesen. Der spanische Anwalt erklärt dagegen, am kommenden Dienstag werde seine Londoner Verteidigerin Jennifer Robinson vor dem dortigen Gericht Beweise dafür vorlegen.
Der Vater kämpft unermüdlich
"Ich kann für mein Leben nicht begreifen, warum er noch im Gefängnis ist", sagt John Shipton, Vater von Julian Assange. Er tourt unermüdlich durch Europa und lässt in den vergangenen Wochen keinen öffentlichen Termin aus, um Aufmerksamkeit für seinen Fall zu gewinnen. "Die Bewährung zu brechen, das ist doch nur ein Vergehen, es ist unbegreiflich. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Julian nicht nach Hause entlassen werden kann". Sein Onkel sowie ein Cousin lebten in Großbritannien, dort könne er leben, wenn man ihn unter Auflagen aus der Haft entlassen würde.
"Wenn man der Richtung folgt, wie er in den vergangenen zehn Jahren behandelt wurde, dann wird das ein Schauprozess", sagte Shipton der DW. Aber seine Anwälte seien so zuversichtlich und stark, dass er hoffe, das Gericht in London werde seinen Irrtum einsehen. "Was ich fürchte, ist natürlich, dass Julian in die USA gebracht wird".
Er habe seinen Sohn in der vorigen Woche sehen können und wolle ihn auch in den nächsten Tagen wieder besuchen, fügt der Vater hinzu. Seit eine Gruppe von Häftlingen im Belmarsh-Gefägnis sich für ihn eingesetzt hätte, sei er in die Abteilung für ältere Häftlinge verlegt worden und sein Zustand habe sich gebessert.
"Ich frage immer wieder, warum er nicht entlassen werden kann. Die Königin, die ein Gnadenrecht hat, habe durch ihre Beamten antworten lassen, der Fall seine eine politische Angelegenheit. Wenn es aber ein politischer Fall ist, dann folgt daraus auch, dass Julian nach britischem Recht nicht ausgeliefert werden darf", sagt John Shipton. Er hat offenbar schon auf allen Wegen versucht, seinen Sohn aus dem Gefängnis zu holen.
Ob die britischen Behörden jetzt Nachsicht zeigen, ist unsicher. Denn das Verfahren wird sich hinziehen. In der nächsten Woche werden zunächst in einer ersten Runde die Argumente der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger ausgetauscht. Dann wird das Verfahren bis Mai unterbrochen, um der Verteidigung mehr Zeit zugeben, weil die Anwälte bisher wenig Gelegenheit hatten, ihren Mandanten zu treffen. Ein Urteil wird erst im Mai erwartet. Entscheidet die erste Instanz, ihn ausliefern zu lassen, ist zu erwarten, dass die Assange-Anwälte Berufung einlegen und bis zum Obersten Gerichtshof gehen.