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Dudenhöffer: "Ein bewusster Gesetzesbruch"

22. September 2015

Eine halbe Million VW-Dieselfahrzeuge in den USA hatten Software installiert, die strenge Abgastests ausgetrickst hat. Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer erklärt im DW-Interview, wie das funktionieren konnte.

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Deutschland Auto Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer (Foto: Copyright Imago biky)
Bild: Imago

Deutsche Welle: Wie verbreitet sind heutzutage Geräte im Auto, die etwas tun, von dem wir nichts wissen - so wie jetzt bei VW?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich weiß nicht, wie üblich das ist. Es geht hier um ein Motorsteuergerät, das hochkomplex ist und auch Testzyklen erkennt. Ob auch andere Hersteller zusätzlich diese 'defeat devices' [Abschalteinrichtungen – d. Red.] einsetzen - die die Amerikaner verbieten - das weiß ich nicht. Ich vermute eher nicht. Aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.

Wie funktioniert ein solches Gerät?

Es ist relativ einfach, einen Testzyklus zu erkennen, weil es ein genau definiertes Verfahren dazu gibt, wie ein Motor in Anspruch genommen wird. Dieses Verfahren kann kein Mensch ganz exakt nachfahren, so wie es ein Computer prüft. In Europa dauert der Testzyklus 20 Minuten, und schon nach zwei Minuten weiß das Steuergerät im Motor, dass es sich um einen Testzyklus handelt. Also wird der Testzyklus sehr schnell identifiziert.

Und jetzt kann ich natürlich meine Motorsteuerung umschalten und sagen: "O.K. wenn der Testzyklus läuft, dann fahre ich mit weniger PS, mit weniger Leistung, ich drossele den Motor und stelle ihn magerer ein, damit er weniger Abgase produziert. Ich kann den Motor unterschiedlich einstellen.

Ist der Testzyklus vorgegeben?

Ja, er wird gesetzlich vorgeschrieben. In den USA gibt es unterschiedliche Testzyklen, die durchgeführt werden müssen. Bei uns gibt es einen festen Testzyklus. Er heißt "Neuer Europäischer Fahrzyklus", läuft über 20 Minuten und wird künstlich in einem Labor durchgeführt.

Was genau passiert dabei? Wie ist der Ablauf?

Das Auto kommt auf einen Rollenprüfstand und fährt am Anfang 20 Minuten, fest definiert und mit einer bestimmten Beschleunigung im ersten Gang, im zweiten, im dritten und im vierten Gang. Dann fährt das Auto eine Zeitlang 80 Stundenkilometer, dann 50. Diese Zeitabstände sind ganz genau genormt. Das heißt: Das Auto wird von einem Computerprogramm gefahren. Der Test ist so angelegt, dass ein Autofahrer ihn nicht mit der gleichen Exaktheit durchführen kann. Diese Tests müssen mit einem Computer durchgeführt werden.

Wie werden die Daten ermittelt? Hätte man rausbekommen können, dass die Software bei VW in Amerika so funktioniert?

Das können Sie nur durch akribische Untersuchungen feststellen. Zunächst einmal müssen Sie herausfinden, ob das in der Tat so ist. Wenn Sie Zeitreihen haben, die besonders auffällig sind, oder wenn der Verbrauch nach oben geht, dann schauen Sie sich das etwas genauer an. Sie machen dann genauere Untersuchungen und versuchen, den Zyklus exakt nachzufahren. Dann fahren Sie den Zyklus rudimentär nach, indem Sie das Programm in der Software leicht verändern. Sie stellen fest, dass das Auto anders fährt. Es ist sehr viel Detailarbeit notwendig, um zu erkennen, dass da geschummelt wird.

LA Auto Show in Los Angeles 2014 Volkswagen 2015 Jetta TDI (Foto: FREDERIC J. BROWN/AFP/Getty Images)
Eines der Diesel-Modelle, um die es geht: der VW Jetta TDIBild: F. J. Brown/AFP/Getty Images

Sind Sie der Meinung, dass bei VW wirklich geschummelt wurde? Was müsste jetzt passieren?

VW hat es ja selbst zugegeben, dass sie diese 'defeat devices' eingesetzt haben. Die amerikanische Umweltbehörde hat VW aufgefordert, die Fahrzeuge zurückzurufen und so auszustatten, dass sie die Umweltbedingungen erfüllen. Man hat Strafen angedroht. Darüber wird man sich noch unterhalten. Nach meiner Einschätzung muss man jetzt auch darüber aufklären, was außerhalb der USA passiert. In den USA hat man ein sehr strenges Recht, in anderen Ländern ist es wesetnlich milder. Ich hätte erwartet, dass der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, Martin Winterkorn, seinen Kunden in Europa und in Deutschland zusichert, dass die Fahrzeuge, die VW außerhalb der USA verkauft hat, nicht mit diesen 'defeat devices' ausgestattet sind. Das hat er nicht getan.

Was heißt das für Sie?

Das heißt für mich gar nichts. Es ist für mich nur überraschend, dass er [Winterkorn – d. Red.] in dieser schwierigen Situation keine Mitteilung an die Kunden gemacht hat. Ich erwarte von einem Unternehmenschef, dass er seine Kunden klar darüber informiert, wie die Fahrzeuge die gesetzlichen Bedingungen erfüllen.

Sind Sie der Ansicht, dass VW sich von Anfang an im Klaren darüber war, dass es dabei um Schummelei geht?

VW wusste doch, wie das amerikanische Recht aussieht, und VW wusste auch, was 'defeat devices' sind. Nach meiner Einschätzung handelt es sich um bewusstes Übertreten der amerikanischen Gesetze. So etwas kann nicht zufällig passieren.

Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen.

Das Interview führte Zulfikar Abbany.