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Autobranche: Zuversicht der Zulieferer schwindet

Klaus Ulrich
10. Juli 2023

Autohersteller und Zulieferer finanzieren die Entwicklung neuer E-Auto-Modelle mit Gewinnen aus dem Verbrenner-Geschäft. Doch das wird immer weiter zurückgefahren. Beschäftigte in diesem Bereich fürchten um ihre Jobs.

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Eine Mitarbeiterin verschraubt in der Montagehalle für Elektromobilität der ZF Friedrichshafen Kabel einen Elektromotor.
Produktion von Elektromotoren bei der ZF Friedrichshafen AGBild: Karl-Josef Hildenbrand/picture alliance/dpa

In der Autoindustrie sorgte die Meldung in der vergangenen Woche für besondere Aufmerksamkeit: Bei Bosch, genauer gesagt in der Zuliefersparte des internationalen Technologie- und Dienstleistungsunternehmens, wurde eine Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretungen über die Zukunftsaussichten von 80.000 Mitarbeitern in Deutschland bekannt gegeben. Im Mittelpunkt steht der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum Ende des Jahres 2027.

Davon profitieren Mitarbeiter, die im klassischen Bereich des Verbrennungsmotors arbeiten. Wie auch bei den Autoherstellern sind bei den Zulieferern seit langem Transformationsprozesse in vollem Gange, die Ängste um den Verlust der Arbeitsplätze schüren. Besonders der Wandel hin zur Elektromobilität wird viele Jobs kosten.

Elektroantriebe sind einfach aufgebaut

Stromaggregate und die dazugehörigen Antriebsstränge bestehen aus deutlich weniger Teilen als die entsprechende Verbrenner-Technologie. Auch wird die Entwicklung von Software für elektronische Vernetzung und Fahrassistenzsysteme immer wichtiger. Dafür werden eher Spezialisten neu eingestellt, Umschulungen bei drohendem Jobverlust für Verbrenner-Fachkräfte sind eher seltener. Der VW-Konzern versucht das zumindest beim Umbau seiner Werke. Außerdem werden neue Produktionsstandorte aus Kostengründen verstärkt in Osteuropa geplant, was bei Bosch bereits zu erheblicher Unruhe in der Belegschaft geführt hatte.

Bosch-Chef Stefan Hartung vor Solarpanel
Bosch-Chef Stefan HartungBild: Bernd Weißbrod/picture alliance/dpa

Die Zulieferersparte ist der größte Unternehmensbereich des Branchenriesen. Auf sie entfielen fast 60 Prozent der gut 88 Milliarden Euro, die das Unternehmen im vergangenen Jahr an Umsatz erzielte. Weltweit arbeiten mehr als die Hälfte der rund 420.000 Mitarbeiter in dem Bereich.

Transformation wird lange dauern

Dass nun dort - zumindest für die kommenden Jahre - wieder Ruhe einkehrt, dürfte ganz im Sinne von Bosch-Chef Stefan Hartung liegen. "Das Ziel der Transformation muss sein, sie möglichst sozial verträglich zu gestalten", sagte er kürzlich in einem Zeitungsinterview mit der Welt am Sonntag. Weltweit seien 1,4 Milliarden Fahrzeuge auf der Straße unterwegs, die gesamte Autoindustrie habe im Moment eine Produktionskapazität von knapp unter 90 Millionen Fahrzeugen pro Jahr, so Hartung. Um die Dimensionen der Veränderung zu verdeutlichen, rechnete er vor: "Selbst wenn wir ab morgen nur noch vollelektrische Fahrzeuge bauen würden - was allein schon wegen fehlender Batteriekapazitäten nicht geht - , bräuchten wir mindestens 15 Jahre, um alle auszutauschen."

Nach den Lieferkettenproblemen und der Chipkrise in Folge der Corona-Pandemie laufen die Geschäfte in der Branche wieder. Die 100 weltweit größten Autozulieferer haben ihre Umsätze dank Preissteigerungen und höherer Fahrzeugproduktion kräftig ausgeweitet. Nach einer Studie der auf den Automobilsektor spezialisierten Unternehmensberatung Berylls legten sie im vergangenen Jahr gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 um 16 Prozent auf 1064 Milliarden Euro zu.

Continental-Mitarbeiter überprüfen eine Platine für ein Fahrzeug-Steuergerät in der Elektronikfertigung.
Elektronikfertigung in einem Werk der Continental AGBild: Armin Weigel/dpa/picture alliance

Umsatz steigt, Gewinn schrumpft

Allerdings senkten höhere Material- und Energiekosten die Profitabilität auf durchschnittlich 5,6 Prozent - noch geringer seien die Gewinnmargen nur in der Hochphase der Pandemie gewesen. Doch gab es starke regionale Unterschiede. "Während Europa unter den hohen Energiekosten gelitten hat, waren chinesische Unternehmen davon kaum beeinträchtigt. Besonders stark zeigte sich dieser Effekt in Deutschland", heißt es in der Studie.

Die deutschen Zulieferer Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental sind weiter Spitzenreiter auf der Liste der Top-100-Zulieferer, zusammen mit dem japanischen Denso-Konzern. Aus Deutschland gehören auch Mahle, Schaeffler, Brose, Eberspächer, Dräxlmaier und ThyssenKrupp zu den Großen. Aber "koreanische und chinesische Zulieferer legen außergewöhnlich stark zu, während der Marktanteil der deutschen und japanischen Unternehmen weiter zurückgeht", schreiben die Branchenexperten.

Konkurrenz aus China immer stärker

In den nächsten Jahren dürften sich die Umsatz- und Margenverschiebungen zugunsten chinesischer Zulieferer fortsetzen, sagt Berylls-Partner Alexander Timmer. "Maßgebliche Treiber dafür sind die fortschreitende Elektrifizierung und Digitalisierung der Fahrzeuge." Vielleicht blickt die Branche auch deshalb so pessimistisch wie schon lange nicht mehr in die Zukunft.

Auto SUV in Messehalle mit Besuchern
SUV des chinesischen Herstellers BYD auf der Automesse in Barcelona 2023Bild: Adria Puig/AA/picture alliance

Im Moment zehren die Hersteller noch vom hohen Auftragsbestand, der sich wegen fehlender Bauteile im vergangenen Jahr aufgestaut hatte und der nun stetig schmilzt. Doch neue Aufträge kommen wegen der unsicheren Konjunktur kaum herein. Laut dem deutschen Autohersteller-Branchenverband VDA wurden im Juni 20 Prozent weniger Bestellungen registriert als im Vorjahr. Seit Jahresbeginn hätten die Inlandsaufträge um 27 Prozent abgenommen.

Geschäftsaussichten extrem negativ

Nach einer Umfrage des Münchener Ifo-Instituts, die letzte Woche veröffentlicht wurde, bewertet die deutschen Autohersteller ihre Geschäftsaussichten so negativ wie seit der internationalen Finanzkrise nicht mehr. Der entsprechende Indikator fiel bereits das fünfte Mal in Folge.

"Bei den Autobauern herrscht große Unsicherheit, wie zu Beginn des Krieges in der Ukraine oder als im Herbst das Risiko einer Gasrationierung für die Industrie deutlich stieg", sagte Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Kein Wunder, dass es laut der Umfrage bei den Zulieferern zurzeit ebenso an Zuversicht mangelt.