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Autogipfel: Kaufprämie oder Abwrackprämie?

23. September 2024

Auf dem digitalen Autogipfel diskutierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit der Autoindustrie, ob die Branche mit Kaufprämien, Abwrackprämien oder niedrigeren Grenzwerten für CO2 gestützt werden sollte.

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In Chinas Hafen Yantai stehen unendlich viele Autos zum Export
Die deutsche Autoindustrie sorgt sich wegen der Flut von günstigen E-Autos aus ChinaBild: AFP

Einzelne Maßnahmen wurden nicht versprochen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck relativierte gleich zu Anfang die Bedeutung des Treffens, indem er betonte, es habe sich nicht um den einen großen Autogipfel gehandelt, er befinde sich vielmehr in regelmäßigem Kontakt mit der Autoindustrie. 

Es wird somit Fortsetzungen des virtuellen Autogipfels geben, auf dem am Montag Habeck Vertreter der Autoindustrie und Gewerkschaften getroffen hatte. Da stand die große Frage im Raum, ob und wie die Politik den Autobauern unter die Arme greifen soll.

Die Lage in der deutschen Schlüsselindustrie ist seit Angang des Jahres angespannt. Der Absatz von E-Autos ist um ein Drittel eingebrochen. Für einige Produzenten ist das ein besonderes Problem, weil 2025 schärfere CO2-Flottengrenzwerte in der Europäischen Union in Kraft treten. Sie können diese Ziele nur einhalten, wenn sie mehr Elektroautos verkaufen, andernfalls drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Einigkeit bei Strafzöllen, Treibhausgasquote, Lade-Infrastruktur

Bei verschiedenen Themen habe es Einigkeit gegeben, so Habeck im Anschluss an den Gipfel, unter anderem über den Umgang mit China. Die deutschen Autobauer geben der Konkurrenz von E-Autos aus China, deren Preise mit Subventionen niedrig gehalten werden Mitschuld an ihrer Misere.

In der EU sind bereits  Strafzölle auf Importe von E-Autos aus China geplant. Die sind aber nicht im Sinne der Beteiligten des Autogipfels. Sie befürchten, dass China im Gegenzug die Zölle auf deutsche Autos erhöhen könnte.

Diskutiert wurde laut Habeck über die Anrechenbarkeit der Treibhausgasquote. Dahinter steht die Regelung, wenn ein Unternehmen Kraftstoffe produziert und die gesetzlich vorgeschriebenen CO2- Emissionen nicht selbst erfüllen kann, kann es woanders eingespartes CO2 kaufen und so einen Ausgleich der eigenen Emissionen schaffen. Diese Anrechenbarkeit sei zur Zeit erschwert, so Habeck. Welche Maßnahmen aber den Markt wieder in Gang bringen könnten, sagte er nicht.

Einig waren sich Politik und Industrie darüber, dass die Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut werden sollte, so Habeck.

EU-Grenzwerte für CO2 erneut unter der Lupe?

Auch die Klimavorgaben der EU standen erneut zur Diskussion. Eigentlich steht schon fest: Ab 2035 sollen in Europa keine neuen Autos mit Verbrenner-Motor mehr verkauft werden. Außerdem wurden sogenannte Flottengrenzwerte festgelegt. Sie geben vor, wieviel CO2 Autoflotten künftig ausstoßen dürfen.

Diese Flottenziele sollen schrittweise verschärft werden. Der aktuelle Wert von durchschnittlich 115,1 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer und Fahrzeug soll 2025 auf 93,6 Gramm und im Jahr 2030 auf 49,5 Gramm sinken. Bei zu viel ausgestoßenem CO2 drohen Herstellern Strafzahlungen.

Bisher war geplant, die EU-Ziele im Jahr 2026 zu überprüfen. Habeck sagte, die deutsche Autoindustrie habe den Wunsch geäußert, die Revision dieser Ziele von 2026 auf 2025 vorzuziehen. "Dem will ich gerne folgen." Dies werde aber nicht so einfach in Europa.

Berlin, Deutschland: Dichter Verkehr in der Stadt
Gemessen am Umsatz ist die Autoindustrie die größte Branche des Verarbeitenden Gewerbes in DeutschlandBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Nicht alle Autobauer sind in der Lage, die Grenzwerte einzuhalten und möchte am liebsten, dass die bereits festgelegten Ziele geändert werden. Unter anderem drohen Volkswagen im kommenden Jahr milliardenschwere Strafzahlungen.

"Die Elektromobilität wird sich durchsetzen, aber es wird mehr Zeit brauchen", erklärte VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch im Vorfeld des Gipfels. "Deshalb müssen die CO2-Ziele für 2025, 2030 und 2035 adjustiert und an die Realität angepasst werden", so Pötsch. Auch Mercedes-Chef Ola Källenius fordert eine Erleichterung bei den Klimavorgaben der EU.

Veränderung der Grenzwerte

"Der Vorstoß ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten", sagt dazu Sebastian Bock, Geschäftsführer des deutschen Ablegers von  Transport & Environment (T&E), einer Lobbyorganisation, die sich für die Umweltverträglichkeit von Verkehr einsetzt. 

Die sechs größten europäischen Automobilhersteller erzielten zwischen 2022 und 2023 einen Gewinn von 130 Milliarden Euro, so Automotive News Europe. Die Preise für Batteriemineralien seien gesunken und Batteriezellen würden mit massiven Rabatten verkauft. Trotzdem sei der Durchschnittspreis für Elektroautos in Europa seit 2021 um ein Drittel gestiegen, während er sich in China halbiert habe, heißt es auf der Webseite von T&E.

Die Autohersteller hätten in den letzten zwei Jahren Milliarden-Gewinne gemacht und genügend Zeit gehabt, sich auf das seit 2019 bekannte CO2-Ziel vorzubereiten, empört sich Bock. "Jetzt wollen sie, dass die EU den Notstand ausruft, damit sie weiterhin schmutzige Autos verkaufen können."

Einige Autohersteller wie Volvo Cars würden die EU-Vorgaben schon jetzt erfüllen, andere wie BMW können die Ziele bis Ende nächsten Jahres erreichen, zeigt die T&E-Analyse.

Dementsprechend sieht der Autobauer BMW keine Notwendigkeit für eine Entschärfung der europäischen Abgasnorm für CO2. BMW habe die Vorgaben in den vergangenen Jahren stets übererfüllt und sei daher "zuversichtlich, auch die verschärften Flottenziele für 2025 zu erreichen", teilte der Konzern am vergangenen Donnerstag in München mit. 

Autoprämie oder Abwrackprämie als Hilfe?

Konkrete Hilfen, wie eine im Vorfeld des Gipfels ins Gespräch gebrachte Autoprämie oder eine Abwrackprämie, wurden nicht beschlossen. Die Idee der E-Autoprämie: Wer sich ein E-Auto zulegt, bekommt einen Zuschuss vom Staat. Eine E-Autoprämie, den sogenannten Umweltbonus, gab es bereits. Sie sollte bis Ende 2024 laufen, wurde aber Ende 2023 im Zuge der Haushaltskrise kurzfristig abgeschafft. Einige Experten geben diesem plötzlichen Wegfall mit die Schuld an dem Absatzrückgang bei E-Autos.

Von der E-Autoprämie hatten allerdings auch ausländische Autobauer profitiert. Um das zu verhindern, könnte der CO2-Fußabdruck, der bei der Produktion eines Autos entsteht, bei der Prämie berücksichtigt werden. In Frankreich gibt es das bereits. So erhielten in Frankreich Käufer von E-Autos nur dann eine Förderung, wenn ihre Produktion weniger als 14,75 Tonnen CO2 verursacht. Durch diese Einschränkung können in China produzierte Fahrzeuge nicht gefördert werden, heißt es bei der Nachrichtenagentur Reuters.

E-Auto an Ladesäule
Die Kaufprämie für E-Autos wurde auch beim Kauf ausländischer E-Autos gezahlt Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Subventionen verzerren den Wettbewerb und mindern Innovationskraft

Für eine Autoprämie hatte sichVolkswagenstark gemacht. Der Konzern muss seine Kosten senken und hat Anfang September den Weg für Kündigungen freigemacht. Auch die Schließung von Werken steht im Raum.

Die angekündigten Maßnahmen von VW seien überfällig, um eine Trendwende einzuleiten und eine Krise zu verhindern, meint Marcel Fratzscher vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Der deutsche Staat muss sich bei dieser Erneuerung heraushalten und darf nicht den Fehler begehen, alte Strukturen zu zementieren und die notwendige Transformation zu behindern." Es sei besser, 90 Prozent der Beschäftigten bei Autounternehmen krisenfest und zukunftsfähig zu machen, als durch ein Festhalten an alten Strukturen den Erfolg der gesamten Branche zu gefährden. 

Zudem sollten einzelne Unternehmen nicht subventioniert werden, so Fratzscher. Zumal die fehlende Zukunftsfähigkeit Volkswagens primär das Resultat eigener Fehlentscheidungen bei VW sei und nicht in der Verantwortung der Politik liege.

Der VW-Konzern hat im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn in Höhe von 18 Milliarden Euro gemacht und 4,5 Milliarden Euro an Dividenden ausgezahlt. Im Hinblick darauf meint Fratzscher, eine Rezession sei noch lange keine Krise und "viele Indikatoren deuten darauf hin, dass die deutschen Automobilhersteller generell und Volkswagen insbesondere noch immer erfolgreich und hoch profitabel sind." 

Autoprämien seien zudem auch keine Lösung für die Wettbewerbsverzerrung, die es gibt, weil China und die USA ihre Autoindustrie subventionieren, meint Fratzscher. "Der richtige Weg, um auf chinesische Subvention für E-Autos zu reagieren, sind die Ausgleichszölle der EU", so der Experte gegenüber der DW.

Auch der Autobauer BMW hält nichts von Kaufprämien für E-Autos. "Die deutsche Automobilindustrie braucht keine kurzfristigen, marktverzerrenden Strohfeuer", hieß es am Montag aus dem Konzern. Lieber sollten nachhaltige Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Kunden die Entscheidung für elektrische Fahrzeuge vereinfachten, wie flächendeckende Lademöglichkeiten zu installieren sowie einen Zugang zu günstigem Ladestrom zu garantieren. "Wenn die Kosten für einen elektrisch gefahrenen Kilometer höher sind als mit Benzin oder Diesel, fehlt vielen Kunden ein zentraler Anreiz für elektrische Fahrzeuge", hieß es in München.

Abwrackprämie für mehr E-Autos

Ältere Autos aus dem Verkehr ziehen und gegen neue zu tauschen, das ist das Ziel einer Umweltprämie, auch Abwrackprämie genannt. Sie wurde ebenfalls im Vorfeld des Gipfels ins Spiel gebraucht. Auch eine solche Förderung gab es schon einmal. Vor 15 Jahren sollte so die damalige Wirtschaftskrise bewältigt werden. Jetzt könnte eine solche Prämie gezahlt werden, wenn Verbraucher ihren Verbrenner verschrotten und auf ein E-Auto umsteigen.

Abwrackprämie: Ressourcenverschwendung

Gegen eine Abwrackprämie gibt es Stimmen aus der Politik. "Die damalige Abwrackprämie hat bei der Autonachfrage außer einem kurzen Strohfeuer nichts gebracht", kritisierte CDU/CSU-Fraktionsvize Ulrich Lange. "Dafür gab es aber Chaos bei der Abwicklung und Missbrauch."

ZEW-Präsident Achim Wambach weist außerdem darauf hin, dass eine Abwrackprämie zwar die Umstellung auf E-Autos erleichtern könnte, wenn jedoch funktionsfähige Fahrzeuge stillgelegt würden, würden Werte zerstört.

Trotz der derzeit düsteren Stimmung, prognostiziert der Umweltverband Transport & Environment (T&E) aber, dass E-Autos 2025 einen Marktanteil von 20-24 Prozent erreichen würden. Bei der Modellierung wurden die Verkäufe in der ersten Jahreshälfte von 2024 und die Absatzprognosen zu Grunde gelegt.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion